kleinen Handwerker sonst ganz fehle, nämlich durch ihre technischen Rathgeber die Verbindung des Gewerbes mit der Wissenschaft, durch ihre Handelskonsule die fortlau- fende Kenntniß der fremden Märkte, durch ihre Schau- und Stempelanstalten die weitreichende Notorietät einer großen Firma. Auch Mirabeau muß zugeben, daß man überall die Blüthe der Industrie auf diese Reglements zurückführt. 1 Ich will von zeitgenössischen Stimmen nur Justi 2 anführen, der 1758 sagt: "In den meisten deutschen Staaten, ohngeachtet man das Ansehen haben will, die Manufakturen zu gründen, fehlet es noch gar sehr an solchen Reglements. Nur in denen preußischen Staaten, wo man die wahren Maßregeln selten außer Acht läßt, haben alle Arten von Manufakturen die um- ständlichsten und vortreflichsten Ordnungen, und man muß dieselben zu Rathe ziehen, wenn man dergleichen Reglements verfertigen will."
Wenn ich so im Ganzen die Friedericianische Ver- waltung als eine den damaligen Zuständen entsprechende bezeichne, so will ich daneben nicht leugnen, daß manche der merkantilistischen Maßregeln verkehrt, daß die Regie-, Accise- und Steuerverwaltung drückend und hart war. Besonders aber darf man für das Ende des Jahrhun- derts nicht vergessen, daß die Zustände selbst sich änder- ten; was 1740 noch am Platze war, konnte 1800 schon unerträglich sein. Und eine eingreifende Verwal-
1 z. B. III, 218.
2 Vollständige Abhandlung von denen Manufakturen und Fabriken. Kopenhagen 1758. I, 122.
Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
kleinen Handwerker ſonſt ganz fehle, nämlich durch ihre techniſchen Rathgeber die Verbindung des Gewerbes mit der Wiſſenſchaft, durch ihre Handelskonſule die fortlau- fende Kenntniß der fremden Märkte, durch ihre Schau- und Stempelanſtalten die weitreichende Notorietät einer großen Firma. Auch Mirabeau muß zugeben, daß man überall die Blüthe der Induſtrie auf dieſe Reglements zurückführt. 1 Ich will von zeitgenöſſiſchen Stimmen nur Juſti 2 anführen, der 1758 ſagt: „In den meiſten deutſchen Staaten, ohngeachtet man das Anſehen haben will, die Manufakturen zu gründen, fehlet es noch gar ſehr an ſolchen Reglements. Nur in denen preußiſchen Staaten, wo man die wahren Maßregeln ſelten außer Acht läßt, haben alle Arten von Manufakturen die um- ſtändlichſten und vortreflichſten Ordnungen, und man muß dieſelben zu Rathe ziehen, wenn man dergleichen Reglements verfertigen will.“
Wenn ich ſo im Ganzen die Friedericianiſche Ver- waltung als eine den damaligen Zuſtänden entſprechende bezeichne, ſo will ich daneben nicht leugnen, daß manche der merkantiliſtiſchen Maßregeln verkehrt, daß die Regie-, Acciſe- und Steuerverwaltung drückend und hart war. Beſonders aber darf man für das Ende des Jahrhun- derts nicht vergeſſen, daß die Zuſtände ſelbſt ſich änder- ten; was 1740 noch am Platze war, konnte 1800 ſchon unerträglich ſein. Und eine eingreifende Verwal-
1 z. B. III, 218.
2 Vollſtändige Abhandlung von denen Manufakturen und Fabriken. Kopenhagen 1758. I, 122.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0067"n="45"/><fwplace="top"type="header">Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.</fw><lb/>
kleinen Handwerker ſonſt ganz fehle, nämlich durch ihre<lb/>
techniſchen Rathgeber die Verbindung des Gewerbes mit<lb/>
der Wiſſenſchaft, durch ihre Handelskonſule die fortlau-<lb/>
fende Kenntniß der fremden Märkte, durch ihre Schau-<lb/>
und Stempelanſtalten die weitreichende Notorietät einer<lb/>
großen Firma. Auch Mirabeau muß zugeben, daß man<lb/>
überall die Blüthe der Induſtrie auf dieſe Reglements<lb/>
zurückführt. <noteplace="foot"n="1">z. B. <hirendition="#aq">III</hi>, 218.</note> Ich will von zeitgenöſſiſchen Stimmen nur<lb/>
Juſti <noteplace="foot"n="2">Vollſtändige Abhandlung von denen Manufakturen und<lb/>
Fabriken. Kopenhagen 1758. <hirendition="#aq">I</hi>, 122.</note> anführen, der 1758 ſagt: „In den meiſten<lb/>
deutſchen Staaten, ohngeachtet man das Anſehen haben<lb/>
will, die Manufakturen zu gründen, fehlet es noch gar<lb/>ſehr an ſolchen Reglements. Nur in denen preußiſchen<lb/>
Staaten, wo man die wahren Maßregeln ſelten außer<lb/>
Acht läßt, haben alle Arten von Manufakturen die um-<lb/>ſtändlichſten und vortreflichſten Ordnungen, und man<lb/>
muß dieſelben zu Rathe ziehen, wenn man dergleichen<lb/>
Reglements verfertigen will.“</p><lb/><p>Wenn ich ſo im Ganzen die Friedericianiſche Ver-<lb/>
waltung als eine den damaligen Zuſtänden entſprechende<lb/>
bezeichne, ſo will ich daneben nicht leugnen, daß manche<lb/>
der merkantiliſtiſchen Maßregeln verkehrt, daß die Regie-,<lb/>
Acciſe- und Steuerverwaltung drückend und hart war.<lb/>
Beſonders aber darf man für das Ende des Jahrhun-<lb/>
derts nicht vergeſſen, daß die Zuſtände ſelbſt ſich änder-<lb/>
ten; was 1740 noch am Platze war, konnte 1800<lb/>ſchon unerträglich ſein. Und eine eingreifende Verwal-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[45/0067]
Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
kleinen Handwerker ſonſt ganz fehle, nämlich durch ihre
techniſchen Rathgeber die Verbindung des Gewerbes mit
der Wiſſenſchaft, durch ihre Handelskonſule die fortlau-
fende Kenntniß der fremden Märkte, durch ihre Schau-
und Stempelanſtalten die weitreichende Notorietät einer
großen Firma. Auch Mirabeau muß zugeben, daß man
überall die Blüthe der Induſtrie auf dieſe Reglements
zurückführt. 1 Ich will von zeitgenöſſiſchen Stimmen nur
Juſti 2 anführen, der 1758 ſagt: „In den meiſten
deutſchen Staaten, ohngeachtet man das Anſehen haben
will, die Manufakturen zu gründen, fehlet es noch gar
ſehr an ſolchen Reglements. Nur in denen preußiſchen
Staaten, wo man die wahren Maßregeln ſelten außer
Acht läßt, haben alle Arten von Manufakturen die um-
ſtändlichſten und vortreflichſten Ordnungen, und man
muß dieſelben zu Rathe ziehen, wenn man dergleichen
Reglements verfertigen will.“
Wenn ich ſo im Ganzen die Friedericianiſche Ver-
waltung als eine den damaligen Zuſtänden entſprechende
bezeichne, ſo will ich daneben nicht leugnen, daß manche
der merkantiliſtiſchen Maßregeln verkehrt, daß die Regie-,
Acciſe- und Steuerverwaltung drückend und hart war.
Beſonders aber darf man für das Ende des Jahrhun-
derts nicht vergeſſen, daß die Zuſtände ſelbſt ſich änder-
ten; was 1740 noch am Platze war, konnte 1800
ſchon unerträglich ſein. Und eine eingreifende Verwal-
1 z. B. III, 218.
2 Vollſtändige Abhandlung von denen Manufakturen und
Fabriken. Kopenhagen 1758. I, 122.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/67>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.