Eine Reihe von Verhältnissen entziehen sich der Oeffentlichkeit in ihrer wahren Gestalt immer, wenn es nicht amtliche Behörden gibt, die ohne jeden sonstigen Eingriff einen sichern Befund aufnehmen und ihn publi- ziren. So im Versicherungswesen, theilweise im Bank-, Berg- und Fabrikwesen. Welche günstigen Folgen haben die Publikationen der schweizer Fabrikinspektoren für die Behandlung der Arbeiter gehabt!
Ein Punkt aber ist es vor Allem, der bisher stets übersehen wurde. Freie Konkurrenz zwischen deutschen und englischen Spinnern, deutschem und englischem Eisen, freie Konkurrenz zwischen dem Rübenzuckersabri- kanten und dem Hamburger Importeur, freie Konkur- renz zwischen den Gewerben von Stadt und Land, freie Konkurrenz zwischen Fabrik- und Hausindustrie, zwischen den verschiedenen Geschäften derselben Geschäftsbranche, -- das Alles ist ein total anderes Ding, als freie Kon- kurrenz zwischen Herrn und Knecht, zwischen dem irischen Lord und seinem Pachter, zwischen dem Fabrikanten und seinem Arbeiter. Wo die wirthschaftlichen Kontrahenten als zwei soziale Klassen einander gegenüber stehen, die eine ausgerüstet mit der ganzen Uebermacht, welche Reich- thum und Bildung gibt, die andere ohne alle diese Hülfs- mittel, -- da kann bei sehr guten sittlichen und wirth- schaftlichen Verhältnissen auch die absolute Freiheit das beste sein; aber sehr oft wird die wirthschaftliche Frei- heit hier auch nur so viel bedeuten, als vollständige Unterdrückung und blutige Ausnutzung. Da hilft auch die Oeffentlichkeit selten allein, weil die Organe der- selben im Besitze der höhern Klassen sind, weil die
Schluß und Reſultate.
Eine Reihe von Verhältniſſen entziehen ſich der Oeffentlichkeit in ihrer wahren Geſtalt immer, wenn es nicht amtliche Behörden gibt, die ohne jeden ſonſtigen Eingriff einen ſichern Befund aufnehmen und ihn publi- ziren. So im Verſicherungsweſen, theilweiſe im Bank-, Berg- und Fabrikweſen. Welche günſtigen Folgen haben die Publikationen der ſchweizer Fabrikinſpektoren für die Behandlung der Arbeiter gehabt!
Ein Punkt aber iſt es vor Allem, der bisher ſtets überſehen wurde. Freie Konkurrenz zwiſchen deutſchen und engliſchen Spinnern, deutſchem und engliſchem Eiſen, freie Konkurrenz zwiſchen dem Rübenzuckerſabri- kanten und dem Hamburger Importeur, freie Konkur- renz zwiſchen den Gewerben von Stadt und Land, freie Konkurrenz zwiſchen Fabrik- und Hausinduſtrie, zwiſchen den verſchiedenen Geſchäften derſelben Geſchäftsbranche, — das Alles iſt ein total anderes Ding, als freie Kon- kurrenz zwiſchen Herrn und Knecht, zwiſchen dem iriſchen Lord und ſeinem Pachter, zwiſchen dem Fabrikanten und ſeinem Arbeiter. Wo die wirthſchaftlichen Kontrahenten als zwei ſoziale Klaſſen einander gegenüber ſtehen, die eine ausgerüſtet mit der ganzen Uebermacht, welche Reich- thum und Bildung gibt, die andere ohne alle dieſe Hülfs- mittel, — da kann bei ſehr guten ſittlichen und wirth- ſchaftlichen Verhältniſſen auch die abſolute Freiheit das beſte ſein; aber ſehr oft wird die wirthſchaftliche Frei- heit hier auch nur ſo viel bedeuten, als vollſtändige Unterdrückung und blutige Ausnutzung. Da hilft auch die Oeffentlichkeit ſelten allein, weil die Organe der- ſelben im Beſitze der höhern Klaſſen ſind, weil die
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Schluß und Reſultate.
Eine Reihe von Verhältniſſen entziehen ſich der
Oeffentlichkeit in ihrer wahren Geſtalt immer, wenn es
nicht amtliche Behörden gibt, die ohne jeden ſonſtigen
Eingriff einen ſichern Befund aufnehmen und ihn publi-
ziren. So im Verſicherungsweſen, theilweiſe im Bank-,
Berg- und Fabrikweſen. Welche günſtigen Folgen haben
die Publikationen der ſchweizer Fabrikinſpektoren für
die Behandlung der Arbeiter gehabt!
Ein Punkt aber iſt es vor Allem, der bisher ſtets
überſehen wurde. Freie Konkurrenz zwiſchen deutſchen
und engliſchen Spinnern, deutſchem und engliſchem
Eiſen, freie Konkurrenz zwiſchen dem Rübenzuckerſabri-
kanten und dem Hamburger Importeur, freie Konkur-
renz zwiſchen den Gewerben von Stadt und Land, freie
Konkurrenz zwiſchen Fabrik- und Hausinduſtrie, zwiſchen
den verſchiedenen Geſchäften derſelben Geſchäftsbranche,
— das Alles iſt ein total anderes Ding, als freie Kon-
kurrenz zwiſchen Herrn und Knecht, zwiſchen dem iriſchen
Lord und ſeinem Pachter, zwiſchen dem Fabrikanten und
ſeinem Arbeiter. Wo die wirthſchaftlichen Kontrahenten
als zwei ſoziale Klaſſen einander gegenüber ſtehen, die
eine ausgerüſtet mit der ganzen Uebermacht, welche Reich-
thum und Bildung gibt, die andere ohne alle dieſe Hülfs-
mittel, — da kann bei ſehr guten ſittlichen und wirth-
ſchaftlichen Verhältniſſen auch die abſolute Freiheit das
beſte ſein; aber ſehr oft wird die wirthſchaftliche Frei-
heit hier auch nur ſo viel bedeuten, als vollſtändige
Unterdrückung und blutige Ausnutzung. Da hilft auch
die Oeffentlichkeit ſelten allein, weil die Organe der-
ſelben im Beſitze der höhern Klaſſen ſind, weil die
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/704>, abgerufen am 23.11.2024.
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