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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Mittel zur Erhaltung der Hausindustrien.
empfehlen, wenn es sich darum handelt, einen betrüge-
rischen die Noth der armen Meister ausbeutenden Zwi-
schenhandel dadurch zu verdrängen, daß man ihm durch
Geschäfte auf reeller anständiger Basis Konkurrenz macht.
Man hat ja auch in Preußen aus diesem Grunde Staats-
flachsaustalten errichtet, gewisse Bestimmungen über den
Garnhandel getroffen.

Durch solche Mittel lassen sich hunderte und tau-
sende von kleinen Geschäften noch halten und nicht bloß
vorübergehend noch halten, sondern auf die Dauer.
Geschieht nichts, so gehen sie Krisen entgegen, wie die
Weber und Spinner Schlesiens seiner Zeit. Greift
man bei Zeiten ein, so werden wohl die Interessen der
Faktore, der Kaufleute und Fabrikanten ab und zu ver-
letzt, aber man erhält einen gesunden Mittelstand und
vermeidet Nothstände, die zuletzt den Besitzenden mehr
kosten, auch ihre Interessen tiefer schädigen, ganz anders
die Staatshülfe nothwendig machen, als wir es hier
empfehlen.

Damit bin ich zum Ende meiner Schlußbetrach-
tungen gelangt. --

Wenn es wahr ist, daß ein Staat nur durch die
Grundsätze sich erhalten kann, durch die er groß gewor-
den, so hat der preußische Staat vor allen die Pflicht,
einerseits an der Spitze zu bleiben jedes geistigen und
sittlichen Fortschritts, jeder gesunden politischen Frei-
heit, aber andererseits die schönste Pflicht jeder Re-
gierung, die Initiative für das Wohl der untern
Klassen nicht aus seiner Hand zu geben. Er hat
die besitzenden Klassen durch Heranziehung zu einer

Die Mittel zur Erhaltung der Hausinduſtrien.
empfehlen, wenn es ſich darum handelt, einen betrüge-
riſchen die Noth der armen Meiſter ausbeutenden Zwi-
ſchenhandel dadurch zu verdrängen, daß man ihm durch
Geſchäfte auf reeller anſtändiger Baſis Konkurrenz macht.
Man hat ja auch in Preußen aus dieſem Grunde Staats-
flachsauſtalten errichtet, gewiſſe Beſtimmungen über den
Garnhandel getroffen.

Durch ſolche Mittel laſſen ſich hunderte und tau-
ſende von kleinen Geſchäften noch halten und nicht bloß
vorübergehend noch halten, ſondern auf die Dauer.
Geſchieht nichts, ſo gehen ſie Kriſen entgegen, wie die
Weber und Spinner Schleſiens ſeiner Zeit. Greift
man bei Zeiten ein, ſo werden wohl die Intereſſen der
Faktore, der Kaufleute und Fabrikanten ab und zu ver-
letzt, aber man erhält einen geſunden Mittelſtand und
vermeidet Nothſtände, die zuletzt den Beſitzenden mehr
koſten, auch ihre Intereſſen tiefer ſchädigen, ganz anders
die Staatshülfe nothwendig machen, als wir es hier
empfehlen.

Damit bin ich zum Ende meiner Schlußbetrach-
tungen gelangt. —

Wenn es wahr iſt, daß ein Staat nur durch die
Grundſätze ſich erhalten kann, durch die er groß gewor-
den, ſo hat der preußiſche Staat vor allen die Pflicht,
einerſeits an der Spitze zu bleiben jedes geiſtigen und
ſittlichen Fortſchritts, jeder geſunden politiſchen Frei-
heit, aber andererſeits die ſchönſte Pflicht jeder Re-
gierung, die Initiative für das Wohl der untern
Klaſſen nicht aus ſeiner Hand zu geben. Er hat
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[703/0725] Die Mittel zur Erhaltung der Hausinduſtrien. empfehlen, wenn es ſich darum handelt, einen betrüge- riſchen die Noth der armen Meiſter ausbeutenden Zwi- ſchenhandel dadurch zu verdrängen, daß man ihm durch Geſchäfte auf reeller anſtändiger Baſis Konkurrenz macht. Man hat ja auch in Preußen aus dieſem Grunde Staats- flachsauſtalten errichtet, gewiſſe Beſtimmungen über den Garnhandel getroffen. Durch ſolche Mittel laſſen ſich hunderte und tau- ſende von kleinen Geſchäften noch halten und nicht bloß vorübergehend noch halten, ſondern auf die Dauer. Geſchieht nichts, ſo gehen ſie Kriſen entgegen, wie die Weber und Spinner Schleſiens ſeiner Zeit. Greift man bei Zeiten ein, ſo werden wohl die Intereſſen der Faktore, der Kaufleute und Fabrikanten ab und zu ver- letzt, aber man erhält einen geſunden Mittelſtand und vermeidet Nothſtände, die zuletzt den Beſitzenden mehr koſten, auch ihre Intereſſen tiefer ſchädigen, ganz anders die Staatshülfe nothwendig machen, als wir es hier empfehlen. Damit bin ich zum Ende meiner Schlußbetrach- tungen gelangt. — Wenn es wahr iſt, daß ein Staat nur durch die Grundſätze ſich erhalten kann, durch die er groß gewor- den, ſo hat der preußiſche Staat vor allen die Pflicht, einerſeits an der Spitze zu bleiben jedes geiſtigen und ſittlichen Fortſchritts, jeder geſunden politiſchen Frei- heit, aber andererſeits die ſchönſte Pflicht jeder Re- gierung, die Initiative für das Wohl der untern Klaſſen nicht aus ſeiner Hand zu geben. Er hat die beſitzenden Klaſſen durch Heranziehung zu einer

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/725>, abgerufen am 25.11.2024.