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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Jugend an, biß auf selbige Stunde. Er bezeigte sich
ungemein vergnügt dabey, und belachte nichts mehr
als des Praeceptors Liebes-Avantüre, nebst dem
wohlgetroffenen Hosen-Tausche. Wein und Con-
fect
ließ er genung bringen, da er aber merckte, daß
ich nicht viel trincken wolte, weiln in dem gestrigen
Rausche eine Haare gefunden, welche mir alle die
andern auf dem Kopffe verwirret, ja mein gantzes
Gemüthe in tieffe Trauer gesetzt hatte, sprach er:
Mein Freund! habt ihr Lust in meine Dienste zu
treten, so will ich euch jährlich 30. Ducaten Geld,
gute Kleidung, auch Essen und Trincken zur Gnüge
geben, nebst der Versicherung, daß wo ihr Hollän-
disch und Englich reden und schreiben lernet, eure
Dienste in weiter nichts als Schreiben bestehen
sollen.

Jch hatte allbereit so viel Höflichkeit und Ver-
stand gefasset, daß ich ihm augenblicklich die Hand
küssete, und mich mit Vergnügen zu seinem Knechte
anboth, wenn er nur die Gnade haben, und mich ehr-
lich desorgen wolte, damit ich nicht dürffte betteln
gehen. Hierauf nahm er mich sogleich mit in sein
Quartier, ließ meine Sachen aus dem Gast-Hose
holen, und behielt mich in seinen Diensten, ohne daß
ich das geringste thun durffte, als mit ihm herum zu
spatziren, weilen er ausser mir noch 4. Bedienten
haite.

Jch konte nicht erfahren, wer mein Herr seyn
möchte, biß wir von Bremen ab und in Antwer-
pen
angelanget waren, da ich denn spürete, daß
er eines reichen Edelmanns jüngster Sohn sey, der
sich bereits etliche Jahr in Engelland aufgehalten

hätte.

Jugend an, biß auf ſelbige Stunde. Er bezeigte ſich
ungemein vergnuͤgt dabey, und belachte nichts mehr
als des Præceptors Liebes-Avantüre, nebſt dem
wohlgetroffenen Hoſen-Tauſche. Wein und Con-
fect
ließ er genung bringen, da er aber merckte, daß
ich nicht viel trincken wolte, weiln in dem geſtrigen
Rauſche eine Haare gefunden, welche mir alle die
andern auf dem Kopffe verwirret, ja mein gantzes
Gemuͤthe in tieffe Trauer geſetzt hatte, ſprach er:
Mein Freund! habt ihr Luſt in meine Dienſte zu
treten, ſo will ich euch jaͤhrlich 30. Ducaten Geld,
gute Kleidung, auch Eſſen und Trincken zur Gnuͤge
geben, nebſt der Verſicherung, daß wo ihr Hollaͤn-
diſch und Englich reden und ſchreiben lernet, eure
Dienſte in weiter nichts als Schreiben beſtehen
ſollen.

Jch hatte allbereit ſo viel Hoͤflichkeit und Ver-
ſtand gefaſſet, daß ich ihm augenblicklich die Hand
kuͤſſete, und mich mit Vergnuͤgen zu ſeinem Knechte
anboth, wenn er nur die Gnade haben, und mich ehr-
lich deſorgen wolte, damit ich nicht duͤrffte betteln
gehen. Hierauf nahm er mich ſogleich mit in ſein
Quartier, ließ meine Sachen aus dem Gaſt-Hoſe
holen, und behielt mich in ſeinen Dienſten, ohne daß
ich das geringſte thun durffte, als mit ihm herum zu
ſpatziren, weilen er auſſer mir noch 4. Bedienten
haite.

Jch konte nicht erfahren, wer mein Herr ſeyn
moͤchte, biß wir von Bremen ab und in Antwer-
pen
angelanget waren, da ich denn ſpuͤrete, daß
er eines reichen Edelmanns juͤngſter Sohn ſey, der
ſich bereits etliche Jahr in Engelland aufgehalten

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[120/0134] Jugend an, biß auf ſelbige Stunde. Er bezeigte ſich ungemein vergnuͤgt dabey, und belachte nichts mehr als des Præceptors Liebes-Avantüre, nebſt dem wohlgetroffenen Hoſen-Tauſche. Wein und Con- fect ließ er genung bringen, da er aber merckte, daß ich nicht viel trincken wolte, weiln in dem geſtrigen Rauſche eine Haare gefunden, welche mir alle die andern auf dem Kopffe verwirret, ja mein gantzes Gemuͤthe in tieffe Trauer geſetzt hatte, ſprach er: Mein Freund! habt ihr Luſt in meine Dienſte zu treten, ſo will ich euch jaͤhrlich 30. Ducaten Geld, gute Kleidung, auch Eſſen und Trincken zur Gnuͤge geben, nebſt der Verſicherung, daß wo ihr Hollaͤn- diſch und Englich reden und ſchreiben lernet, eure Dienſte in weiter nichts als Schreiben beſtehen ſollen. Jch hatte allbereit ſo viel Hoͤflichkeit und Ver- ſtand gefaſſet, daß ich ihm augenblicklich die Hand kuͤſſete, und mich mit Vergnuͤgen zu ſeinem Knechte anboth, wenn er nur die Gnade haben, und mich ehr- lich deſorgen wolte, damit ich nicht duͤrffte betteln gehen. Hierauf nahm er mich ſogleich mit in ſein Quartier, ließ meine Sachen aus dem Gaſt-Hoſe holen, und behielt mich in ſeinen Dienſten, ohne daß ich das geringſte thun durffte, als mit ihm herum zu ſpatziren, weilen er auſſer mir noch 4. Bedienten haite. Jch konte nicht erfahren, wer mein Herr ſeyn moͤchte, biß wir von Bremen ab und in Antwer- pen angelanget waren, da ich denn ſpuͤrete, daß er eines reichen Edelmanns juͤngſter Sohn ſey, der ſich bereits etliche Jahr in Engelland aufgehalten haͤtte.

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/134>, abgerufen am 25.11.2024.