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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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lasset euch um aller Heiligen willen erbitten, euer
Betrübniß und Thränen zu hemmen, und glaubet
mir sicherlich, alle meine Reden sind ein blosser
Schertz gewesen, vor mir sollet ihr eure Ehre unbe-
fleckt erhalten, und wenn wir auch 100. Jahr auf
dieser Jnsul allein beysammen bleiben müsten. Mon-
sieur van Leuven,
euer Gemahl, wird die Güte
haben, mich wiederum bey euch auszusöhnen, denn
ich bin von Natur etwas frey im Reden, und hätte
nimmermehr vermeinet, euch so gar sehr empfind-
lich zu sehen. Er entschuldigte seinen übel gerathe-
nen Schertz also auch bey Mons. van Leuven, und
nach einigen Wort-Wechselungen wurde unter
uns allen ein vollkommener Friede gestifftet, wie-
wol Concordia ihre besondere Schwermuthin vie-
len nach folgenden Tagen noch nicht ablegen konte.

Wir brachten die auf selbigen streitigen Abend
eingebrochene Nacht in süsser Ruhe hin, und spatzir-
ten nach eingenommenen Frühstück gegen Suden
um die See herum, traffen abermahls die schönsten
Weinberge und Metall in sich haltende Steine an,
wie nicht weniger die Saltz- Lachen und Berge,
welche ihr heute nebst mir in dem Stephans- Rau-
mer Felde besichtigt habt. Allhier konte man nicht
durch den Arm des Flusses kommen, indem dersel-
be zwar eben nicht breiter, doch viel trieffer war als
der andere, durch welchen wir vorigen Tages gantz
gemächlich hindurch waden können. Demnach
musten wir unsern Weg wieder zurück, um die See
herum, nach demjenigen Ruhe-Platze nehmen, wo
es sich verwichene Nacht so sanffte geschlaffen hatte.
Weil es aber annoch hoch Tag war, beliebten wie

etwas
L 5

laſſet euch um aller Heiligen willen erbitten, euer
Betruͤbniß und Thraͤnen zu hemmen, und glaubet
mir ſicherlich, alle meine Reden ſind ein bloſſer
Schertz geweſen, vor mir ſollet ihr eure Ehre unbe-
fleckt erhalten, und wenn wir auch 100. Jahr auf
dieſer Jnſul allein beyſam̃en bleiben muͤſten. Mon-
ſieur van Leuven,
euer Gemahl, wird die Guͤte
haben, mich wiederum bey euch auszuſoͤhnen, denn
ich bin von Natur etwas frey im Reden, und haͤtte
nimmermehr vermeinet, euch ſo gar ſehr empfind-
lich zu ſehen. Er entſchuldigte ſeinen uͤbel gerathe-
nen Schertz alſo auch bey Monſ. van Leuven, und
nach einigen Wort-Wechſelungen wurde unter
uns allen ein vollkommener Friede geſtifftet, wie-
wol Concordia ihre beſondere Schwermuthin vie-
len nach folgenden Tagen noch nicht ablegen konte.

Wir brachten die auf ſelbigen ſtreitigen Abend
eingebrochene Nacht in ſuͤſſer Ruhe hin, und ſpatzir-
ten nach eingenommenen Fruͤhſtuͤck gegen Suden
um die See herum, traffen abermahls die ſchoͤnſten
Weinberge und Metall in ſich haltende Steine an,
wie nicht weniger die Saltz- Lachen und Berge,
welche ihr heute nebſt mir in dem Stephans- Rau-
mer Felde beſichtigt habt. Allhier konte man nicht
durch den Arm des Fluſſes kommen, indem derſel-
be zwar eben nicht breiter, doch viel trieffer war als
der andere, durch welchen wir vorigen Tages gantz
gemaͤchlich hindurch waden koͤnnen. Demnach
muſten wir unſern Weg wieder zuruͤck, um die See
herum, nach demjenigen Ruhe-Platze nehmen, wo
es ſich verwichene Nacht ſo ſanffte geſchlaffen hatte.
Weil es aber annoch hoch Tag war, beliebten wie

etwas
L 5
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[169/0183] laſſet euch um aller Heiligen willen erbitten, euer Betruͤbniß und Thraͤnen zu hemmen, und glaubet mir ſicherlich, alle meine Reden ſind ein bloſſer Schertz geweſen, vor mir ſollet ihr eure Ehre unbe- fleckt erhalten, und wenn wir auch 100. Jahr auf dieſer Jnſul allein beyſam̃en bleiben muͤſten. Mon- ſieur van Leuven, euer Gemahl, wird die Guͤte haben, mich wiederum bey euch auszuſoͤhnen, denn ich bin von Natur etwas frey im Reden, und haͤtte nimmermehr vermeinet, euch ſo gar ſehr empfind- lich zu ſehen. Er entſchuldigte ſeinen uͤbel gerathe- nen Schertz alſo auch bey Monſ. van Leuven, und nach einigen Wort-Wechſelungen wurde unter uns allen ein vollkommener Friede geſtifftet, wie- wol Concordia ihre beſondere Schwermuthin vie- len nach folgenden Tagen noch nicht ablegen konte. Wir brachten die auf ſelbigen ſtreitigen Abend eingebrochene Nacht in ſuͤſſer Ruhe hin, und ſpatzir- ten nach eingenommenen Fruͤhſtuͤck gegen Suden um die See herum, traffen abermahls die ſchoͤnſten Weinberge und Metall in ſich haltende Steine an, wie nicht weniger die Saltz- Lachen und Berge, welche ihr heute nebſt mir in dem Stephans- Rau- mer Felde beſichtigt habt. Allhier konte man nicht durch den Arm des Fluſſes kommen, indem derſel- be zwar eben nicht breiter, doch viel trieffer war als der andere, durch welchen wir vorigen Tages gantz gemaͤchlich hindurch waden koͤnnen. Demnach muſten wir unſern Weg wieder zuruͤck, um die See herum, nach demjenigen Ruhe-Platze nehmen, wo es ſich verwichene Nacht ſo ſanffte geſchlaffen hatte. Weil es aber annoch hoch Tag war, beliebten wie etwas L 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/183>, abgerufen am 21.11.2024.