Der alte hocherfahrne Amias erkannte so gleich was sie selbsten gestehen musten, nemlich, daß sie nicht allein vom Hunger, sondern auch durch eine schlimme See-Kranckheit, welche der Schaarbock genennet würde, in solchen kläglichen Zustand ge- rathen wären, derowegen wurde ihnen, so gleich Roberts Wohnhauß zum Krancken-Hause einge- räumet, anbey von Stund an zur besten Verpfle- gung alle Anstalt gemacht.
Wir bekümmerten uns in den ersten Tagen so wenig um ihren Stand und Wesen, als sie sich um das unserige, doch konte man mehr als zu wohl spüren, wie vergnügt und erkänntlich ihre Hertzen wegen der guten Bewirthung wären, dem allen ohngeacht aber sturben so gleich, noch ehe 8. Tage verlieffen, eine Weibs-und zwey Manns-Perso- nen, und in folgender Woche folgte die 3te Manns- Person; weil das Ubel vermuthlich allzu starck bey ihnen eingerissen, oder auch wohl keine Maase im Essen und Trincken gehalten war. Die Todten wurden von uns mit grossen Leydwesen ehrlich be- graben, und die annoch übrigen sehr schwachen desto fleißiger gepflegt. Amias machte ihnen Artze- neyen von unsern annoch grünenden Kräutern und Wurtzeln, gab auch keinem auf einmahl mehr Speise und Tranck, als er vor rathsam hielt, wo- her es nebst Göttlicher Hülffe endlich kam, daß sich die noch übrigen 5. Gäste binnen wenig Wochen völlig erholeten, und nicht die geringsten Merck- mahle einer Kranckheit mehr verspüreten.
Nun solte ich zwar, meine Lieben, sagte hiermit unser Alt-Vater Albertus, euch billig noch berich-
ten
Der alte hocherfahrne Amias erkannte ſo gleich was ſie ſelbſten geſtehen muſten, nemlich, daß ſie nicht allein vom Hunger, ſondern auch durch eine ſchlimme See-Kranckheit, welche der Schaarbock genennet wuͤrde, in ſolchen klaͤglichen Zuſtand ge- rathen waͤren, derowegen wurde ihnen, ſo gleich Roberts Wohnhauß zum Krancken-Hauſe einge- raͤumet, anbey von Stund an zur beſten Verpfle- gung alle Anſtalt gemacht.
Wir bekuͤmmerten uns in den erſten Tagen ſo wenig um ihren Stand und Weſen, als ſie ſich um das unſerige, doch konte man mehr als zu wohl ſpuͤren, wie vergnuͤgt und erkaͤnntlich ihre Hertzen wegen der guten Bewirthung waͤren, dem allen ohngeacht aber ſturben ſo gleich, noch ehe 8. Tage verlieffen, eine Weibs-und zwey Manns-Perſo- nen, und in folgender Woche folgte die 3te Manns- Perſon; weil das Ubel vermuthlich allzu ſtarck bey ihnen eingeriſſen, oder auch wohl keine Maaſe im Eſſen und Trincken gehalten war. Die Todten wurden von uns mit groſſen Leydweſen ehrlich be- graben, und die annoch uͤbrigen ſehr ſchwachen deſto fleißiger gepflegt. Amias machte ihnen Artze- neyen von unſern annoch gruͤnenden Kraͤutern und Wurtzeln, gab auch keinem auf einmahl mehr Speiſe und Tranck, als er vor rathſam hielt, wo- her es nebſt Goͤttlicher Huͤlffe endlich kam, daß ſich die noch uͤbrigen 5. Gaͤſte binnen wenig Wochen voͤllig erholeten, und nicht die geringſten Merck- mahle einer Kranckheit mehr verſpuͤreten.
Nun ſolte ich zwar, meine Lieben, ſagte hiermit unſer Alt-Vater Albertus, euch billig noch berich-
ten
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0317"n="303"/><p>Der alte hocherfahrne <hirendition="#aq">Amias</hi> erkannte ſo gleich<lb/>
was ſie ſelbſten geſtehen muſten, nemlich, daß<lb/>ſie nicht allein vom Hunger, ſondern auch durch eine<lb/>ſchlimme See-Kranckheit, welche der Schaarbock<lb/>
genennet wuͤrde, in ſolchen klaͤglichen Zuſtand ge-<lb/>
rathen waͤren, derowegen wurde ihnen, ſo gleich<lb/><hirendition="#aq">Roberts</hi> Wohnhauß zum Krancken-Hauſe einge-<lb/>
raͤumet, anbey von Stund an zur beſten Verpfle-<lb/>
gung alle Anſtalt gemacht.</p><lb/><p>Wir bekuͤmmerten uns in den erſten Tagen ſo<lb/>
wenig um ihren Stand und Weſen, als ſie ſich um<lb/>
das unſerige, doch konte man mehr als zu wohl<lb/>ſpuͤren, wie vergnuͤgt und erkaͤnntlich ihre Hertzen<lb/>
wegen der guten Bewirthung waͤren, dem allen<lb/>
ohngeacht aber ſturben ſo gleich, noch ehe 8. Tage<lb/>
verlieffen, eine Weibs-und zwey Manns-Perſo-<lb/>
nen, und in folgender Woche folgte die 3te Manns-<lb/>
Perſon; weil das Ubel vermuthlich allzu ſtarck bey<lb/>
ihnen eingeriſſen, oder auch wohl keine Maaſe im<lb/>
Eſſen und Trincken gehalten war. Die Todten<lb/>
wurden von uns mit groſſen Leydweſen ehrlich be-<lb/>
graben, und die annoch uͤbrigen ſehr ſchwachen<lb/>
deſto fleißiger gepflegt. <hirendition="#aq">Amias</hi> machte ihnen Artze-<lb/>
neyen von unſern annoch gruͤnenden Kraͤutern und<lb/>
Wurtzeln, gab auch keinem auf einmahl mehr<lb/>
Speiſe und Tranck, als er vor rathſam hielt, wo-<lb/>
her es nebſt Goͤttlicher Huͤlffe endlich kam, daß ſich<lb/>
die noch uͤbrigen 5. Gaͤſte binnen wenig Wochen<lb/>
voͤllig erholeten, und nicht die geringſten Merck-<lb/>
mahle einer Kranckheit mehr verſpuͤreten.</p><lb/><p>Nun ſolte ich zwar, meine Lieben, ſagte hiermit<lb/>
unſer Alt-Vater <hirendition="#aq">Albertus,</hi> euch billig noch berich-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[303/0317]
Der alte hocherfahrne Amias erkannte ſo gleich
was ſie ſelbſten geſtehen muſten, nemlich, daß
ſie nicht allein vom Hunger, ſondern auch durch eine
ſchlimme See-Kranckheit, welche der Schaarbock
genennet wuͤrde, in ſolchen klaͤglichen Zuſtand ge-
rathen waͤren, derowegen wurde ihnen, ſo gleich
Roberts Wohnhauß zum Krancken-Hauſe einge-
raͤumet, anbey von Stund an zur beſten Verpfle-
gung alle Anſtalt gemacht.
Wir bekuͤmmerten uns in den erſten Tagen ſo
wenig um ihren Stand und Weſen, als ſie ſich um
das unſerige, doch konte man mehr als zu wohl
ſpuͤren, wie vergnuͤgt und erkaͤnntlich ihre Hertzen
wegen der guten Bewirthung waͤren, dem allen
ohngeacht aber ſturben ſo gleich, noch ehe 8. Tage
verlieffen, eine Weibs-und zwey Manns-Perſo-
nen, und in folgender Woche folgte die 3te Manns-
Perſon; weil das Ubel vermuthlich allzu ſtarck bey
ihnen eingeriſſen, oder auch wohl keine Maaſe im
Eſſen und Trincken gehalten war. Die Todten
wurden von uns mit groſſen Leydweſen ehrlich be-
graben, und die annoch uͤbrigen ſehr ſchwachen
deſto fleißiger gepflegt. Amias machte ihnen Artze-
neyen von unſern annoch gruͤnenden Kraͤutern und
Wurtzeln, gab auch keinem auf einmahl mehr
Speiſe und Tranck, als er vor rathſam hielt, wo-
her es nebſt Goͤttlicher Huͤlffe endlich kam, daß ſich
die noch uͤbrigen 5. Gaͤſte binnen wenig Wochen
voͤllig erholeten, und nicht die geringſten Merck-
mahle einer Kranckheit mehr verſpuͤreten.
Nun ſolte ich zwar, meine Lieben, ſagte hiermit
unſer Alt-Vater Albertus, euch billig noch berich-
ten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/317>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.