den Wirth den Mantel-Sack aufbinden, reiseten also noch vor Tages Anbruch hinweg, und bedachten hernach erstlich, daß der Wirth vor grosser Angst nicht einmal die Zehrungs-Kosten gefordert hatte, vor welche ihm allen Ansehen nach 3. oder 4. Todte, und 6. sehr Verwundete hinterlassen waren.
Wir leiteten das Pferd hinter uns her, und folge- ten Schritt vor Schritt, ohne ein Wort mit einan- der zu reden, dem gebähnten Wege, auch unwissend, wo uns selbiger hinführete, biß endlich der helle Tag aubrach, der mir dieses mal mehr als sonsten, mit gantz besonderer Schätzbarkeit in die Augen leuch- tete. Doch da ich mein Pferd betrachtete, befand sichs, daß mir der Wirth, statt meines blauen Man- tel-Sacks, einen grünen aufgebunden hatte. Jch gab solches dem redlichen Schimmer, mit dem ich auf dem Wege in Erwegung unserer beyderseits Be- stürtzung noch kein Wort gesprochen hatte, so gut zu verstehen, als mir die Lateinische Sprache aus dem Munde fliessen wolte, und dieser war so neugierig als ich, zu wissen, was wir vor Raritäten darinnen an- treffen würden. Derowegen führeten wir das Pferd seitwarts ins Gebüsche, packten den Mantel-Sack ab, und fanden darinnen 5, verguldete silberne Kel- che, 2 silberne Oblaten-Schachteln, vielerley Be- schläge so von Büchern abgebrochen war, nebst an- dern kostbarn und mit Perlen gestickten Kirchen- Ornaten, gantz zuletzt aber kam uns in einem Bündel zusammen gewickelter schwartzer Wäsche, ein leder- ner Beutel in die Hände, worinnen sich 600. Stück species Ducaten befanden.
Schim-
den Wirth den Mantel-Sack aufbinden, reiſeten alſo noch vor Tages Anbruch hinweg, und bedachten hernach erſtlich, daß der Wirth vor groſſer Angſt nicht einmal die Zehrungs-Koſten gefordert hatte, vor welche ihm allen Anſehen nach 3. oder 4. Todte, und 6. ſehr Verwundete hinterlaſſen waren.
Wir leiteten das Pferd hinter uns her, und folge- ten Schritt vor Schritt, ohne ein Wort mit einan- der zu reden, dem gebaͤhnten Wege, auch unwiſſend, wo uns ſelbiger hinfuͤhrete, biß endlich der helle Tag aubrach, der mir dieſes mal mehr als ſonſten, mit gantz beſonderer Schaͤtzbarkeit in die Augen leuch- tete. Doch da ich mein Pferd betrachtete, befand ſichs, daß mir der Wirth, ſtatt meines blauen Man- tel-Sacks, einen gruͤnen aufgebunden hatte. Jch gab ſolches dem redlichen Schimmer, mit dem ich auf dem Wege in Erwegung unſerer beyderſeits Be- ſtuͤrtzung noch kein Wort geſprochen hatte, ſo gut zu verſtehen, als mir die Lateiniſche Sprache aus dem Munde flieſſen wolte, und dieſer war ſo neugierig als ich, zu wiſſen, was wir vor Raritaͤten darinnen an- treffen wuͤrden. Derowegen fuͤhreten wir das Pferd ſeitwarts ins Gebuͤſche, packten den Mantel-Sack ab, und fanden darinnen 5, verguldete ſilberne Kel- che, 2 ſilberne Oblaten-Schachteln, vielerley Be- ſchlaͤge ſo von Buͤchern abgebrochen war, nebſt an- dern koſtbarn und mit Perlen geſtickten Kirchen- Ornaten, gantz zuletzt aber kam uns in einem Buͤndel zuſammen gewickelter ſchwartzer Waͤſche, ein leder- ner Beutel in die Haͤnde, worinnen ſich 600. Stuͤck ſpecies Ducaten befanden.
Schim-
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den Wirth den Mantel-Sack aufbinden, reiſeten
alſo noch vor Tages Anbruch hinweg, und bedachten
hernach erſtlich, daß der Wirth vor groſſer Angſt
nicht einmal die Zehrungs-Koſten gefordert hatte,
vor welche ihm allen Anſehen nach 3. oder 4. Todte,
und 6. ſehr Verwundete hinterlaſſen waren.
Wir leiteten das Pferd hinter uns her, und folge-
ten Schritt vor Schritt, ohne ein Wort mit einan-
der zu reden, dem gebaͤhnten Wege, auch unwiſſend,
wo uns ſelbiger hinfuͤhrete, biß endlich der helle Tag
aubrach, der mir dieſes mal mehr als ſonſten, mit
gantz beſonderer Schaͤtzbarkeit in die Augen leuch-
tete. Doch da ich mein Pferd betrachtete, befand
ſichs, daß mir der Wirth, ſtatt meines blauen Man-
tel-Sacks, einen gruͤnen aufgebunden hatte. Jch
gab ſolches dem redlichen Schimmer, mit dem ich
auf dem Wege in Erwegung unſerer beyderſeits Be-
ſtuͤrtzung noch kein Wort geſprochen hatte, ſo gut zu
verſtehen, als mir die Lateiniſche Sprache aus dem
Munde flieſſen wolte, und dieſer war ſo neugierig als
ich, zu wiſſen, was wir vor Raritaͤten darinnen an-
treffen wuͤrden. Derowegen fuͤhreten wir das Pferd
ſeitwarts ins Gebuͤſche, packten den Mantel-Sack
ab, und fanden darinnen 5, verguldete ſilberne Kel-
che, 2 ſilberne Oblaten-Schachteln, vielerley Be-
ſchlaͤge ſo von Buͤchern abgebrochen war, nebſt an-
dern koſtbarn und mit Perlen geſtickten Kirchen-
Ornaten, gantz zuletzt aber kam uns in einem Buͤndel
zuſammen gewickelter ſchwartzer Waͤſche, ein leder-
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ſpecies Ducaten befanden.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/368>, abgerufen am 22.11.2024.
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