Flucht ohnedem verhauen war, in positur, gegen meinen Feind offensive zu agiren, und legte densel- ben, nach kurtzen chargiren, mit einem fatalen Stos- se zu Boden. Er rieff mit schwacher Stimme: Bärenhäuter, du hast dich gehalten als ein resolu- ter Kerl, mir aber kostet es das Leben, GOTT sey meiner armen Seele gnädig.
Jm Augenblicke schien ich gantz wieder nüchtern zu seyn, ruffte auch niemanden, der mich nach Hause begleiten solte, sondern schlich viel hurtiger davon als der Fuchs vom Hüner-Hause. Dennoch war es, ich weiß nicht quo fato, heraus gekommen, daß ich der Thäter sey: es wurde auch starck nach mir gefragt und gesucht, doch meine besten Freunde hatten mich, nebst allen meinen Sachen, dermassen künstlich versteckt, daß mich | in 8. Tagen niemand finden, vielweniger glauben konte, daß ich noch in loco vorhanden sey. Nach verfluß solcher ängst- lichen 8. Tage, wurde ich eben so künstlich zum Tho- re hinaus practiciret/ ein anderer guter Freund kam mit einem Wagen hinter drein, nahm mich unter- weges, dem Scheine nach, aus Barmhertzigkeit, zu sich auf den Wagen, und brachte meinen zitteren- den Cörper glücklich über die Grentze, an einen sol- chen Orth, wo ich weiter sonderlich nichts wegen des Nachsetzens zu befürchten hatte. Doch allzu- sicher durffte ich eben auch nicht trauen, derowegen practicirte mich durch allerhand Umwege endlich nach Wunsche, in die an der Ost-See gelegene Kö- nigl. Schwed. Universität Grypswalda, allwo ich in gantz guter Ruhe hätte leben können, wenn mir nur mein unruhiges Gewissen dieselbe vergön-
net
Flucht ohnedem verhauen war, in poſitur, gegen meinen Feind offenſive zu agiren, und legte denſel- ben, nach kurtzen chargiren, mit einem fatalen Stoſ- ſe zu Boden. Er rieff mit ſchwacher Stimme: Baͤrenhaͤuter, du haſt dich gehalten als ein reſolu- ter Kerl, mir aber koſtet es das Leben, GOTT ſey meiner armen Seele gnaͤdig.
Jm Augenblicke ſchien ich gantz wieder nuͤchtern zu ſeyn, ruffte auch niemanden, der mich nach Hauſe begleiten ſolte, ſondern ſchlich viel hurtiger davon als der Fuchs vom Huͤner-Hauſe. Dennoch war es, ich weiß nicht quo fato, heraus gekommen, daß ich der Thaͤter ſey: es wurde auch ſtarck nach mir gefragt und geſucht, doch meine beſten Freunde hatten mich, nebſt allen meinen Sachen, dermaſſen kuͤnſtlich verſteckt, daß mich | in 8. Tagen niemand finden, vielweniger glauben konte, daß ich noch in loco vorhanden ſey. Nach verfluß ſolcher aͤngſt- lichen 8. Tage, wurde ich eben ſo kuͤnſtlich zum Tho- re hinaus practiciret/ ein anderer guter Freund kam mit einem Wagen hinter drein, nahm mich unter- weges, dem Scheine nach, aus Barmhertzigkeit, zu ſich auf den Wagen, und brachte meinen zitteren- den Coͤrper gluͤcklich uͤber die Grentze, an einen ſol- chen Orth, wo ich weiter ſonderlich nichts wegen des Nachſetzens zu befuͤrchten hatte. Doch allzu- ſicher durffte ich eben auch nicht trauen, derowegen practicirte mich durch allerhand Umwege endlich nach Wunſche, in die an der Oſt-See gelegene Koͤ- nigl. Schwed. Univerſitaͤt Grypswalda, allwo ich in gantz guter Ruhe haͤtte leben koͤnnen, wenn mir nur mein unruhiges Gewiſſen dieſelbe vergoͤn-
net
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Flucht ohnedem verhauen war, in poſitur, gegen
meinen Feind offenſive zu agiren, und legte denſel-
ben, nach kurtzen chargiren, mit einem fatalen Stoſ-
ſe zu Boden. Er rieff mit ſchwacher Stimme:
Baͤrenhaͤuter, du haſt dich gehalten als ein reſolu-
ter Kerl, mir aber koſtet es das Leben, GOTT ſey
meiner armen Seele gnaͤdig.
Jm Augenblicke ſchien ich gantz wieder nuͤchtern
zu ſeyn, ruffte auch niemanden, der mich nach Hauſe
begleiten ſolte, ſondern ſchlich viel hurtiger davon
als der Fuchs vom Huͤner-Hauſe. Dennoch war
es, ich weiß nicht quo fato, heraus gekommen, daß
ich der Thaͤter ſey: es wurde auch ſtarck nach mir
gefragt und geſucht, doch meine beſten Freunde
hatten mich, nebſt allen meinen Sachen, dermaſſen
kuͤnſtlich verſteckt, daß mich | in 8. Tagen niemand
finden, vielweniger glauben konte, daß ich noch in
loco vorhanden ſey. Nach verfluß ſolcher aͤngſt-
lichen 8. Tage, wurde ich eben ſo kuͤnſtlich zum Tho-
re hinaus practiciret/ ein anderer guter Freund kam
mit einem Wagen hinter drein, nahm mich unter-
weges, dem Scheine nach, aus Barmhertzigkeit,
zu ſich auf den Wagen, und brachte meinen zitteren-
den Coͤrper gluͤcklich uͤber die Grentze, an einen ſol-
chen Orth, wo ich weiter ſonderlich nichts wegen
des Nachſetzens zu befuͤrchten hatte. Doch allzu-
ſicher durffte ich eben auch nicht trauen, derowegen
practicirte mich durch allerhand Umwege endlich
nach Wunſche, in die an der Oſt-See gelegene Koͤ-
nigl. Schwed. Univerſitaͤt Grypswalda, allwo
ich in gantz guter Ruhe haͤtte leben koͤnnen, wenn
mir nur mein unruhiges Gewiſſen dieſelbe vergoͤn-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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