Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

trat ich vor, schlug die Thür zu, und sagte: Halt,
Camerad! wir haben einander vor drey Jahren
oder etwas drüber gekandt, also müssen wir mit
einander sprechen. Wie hälts? was macht Jean
le Grand?
hat er viel auf seinen gestohlnen Schiffe
erworben? Ach mein Herr! gab dieser Strauch-
Dieb zur Antwort, das Schiff und alle, die dar-
auf gewesen, sind vor ihre Untreu sattsam gestrafft,
denn das erstere ist ohnweit Madagascar geborsten
und versuncken, Jean le Grand aber hat nebst al-
len Leuten elendiglich ersauffen müssen, ja es hat
sich niemand retten können, als ich und noch 3. an-
dere, die es mit euch gut gemeynet haben. So
hast du es, versetzte ich, auch gut mit mir gemeynet?
Ach, mein Herr! schrye er, indem er sich zu mei-
nen Füssen warff, ist gleich in einem Stück von
mir Boßheit verübt worden, so habe doch ich haupt-
sächlich hintertreiben helffen, daß man euch nicht
ermordet hat, welches, wie ihr leichtlich glauben
werdet, von dem gantzen Complot beschlossen war.
Jch wuste, daß dieser Kerl zwar ein ziemlicher Bö-
sewicht, jedoch keiner von den allerschlimmsten ge-
wesen war, derowegen, als mir zugleich die Ge-
schicht Josephs und seiner Brüder einfiel, jammerte
mich seiner, so, daß ich ihn aufhub und sagte: Sie-
he, du weist ohnfehlbar, welches dein Lohn seyn
würde, wenn ich die an mir begangene Boßheit
gehöriges Orts anhängig machen wolte; Allein,
ich vergebe dir alles mit Mund und Hertzen, wün-
sche auch, daß dir GOtt alle deine Sünde verge-
ben möge, so du jemahls begangen. Mercke das
Exempel der Rache GOttes an deinen unglückli-

chen

trat ich vor, ſchlug die Thuͤr zu, und ſagte: Halt,
Camerad! wir haben einander vor drey Jahren
oder etwas druͤber gekandt, alſo muͤſſen wir mit
einander ſprechen. Wie haͤlts? was macht Jean
le Grand?
hat er viel auf ſeinen geſtohlnen Schiffe
erworben? Ach mein Herr! gab dieſer Strauch-
Dieb zur Antwort, das Schiff und alle, die dar-
auf geweſen, ſind vor ihre Untreu ſattſam geſtrafft,
denn das erſtere iſt ohnweit Madagaſcar geborſten
und verſuncken, Jean le Grand aber hat nebſt al-
len Leuten elendiglich erſauffen muͤſſen, ja es hat
ſich niemand retten koͤnnen, als ich und noch 3. an-
dere, die es mit euch gut gemeynet haben. So
haſt du es, verſetzte ich, auch gut mit mir gemeynet?
Ach, mein Herr! ſchrye er, indem er ſich zu mei-
nen Fuͤſſen warff, iſt gleich in einem Stuͤck von
mir Boßheit veruͤbt worden, ſo habe doch ich haupt-
ſaͤchlich hintertreiben helffen, daß man euch nicht
ermordet hat, welches, wie ihr leichtlich glauben
werdet, von dem gantzen Complot beſchloſſen war.
Jch wuſte, daß dieſer Kerl zwar ein ziemlicher Boͤ-
ſewicht, jedoch keiner von den allerſchlimmſten ge-
weſen war, derowegen, als mir zugleich die Ge-
ſchicht Joſephs und ſeiner Bruͤder einfiel, jammerte
mich ſeiner, ſo, daß ich ihn aufhub und ſagte: Sie-
he, du weiſt ohnfehlbar, welches dein Lohn ſeyn
wuͤrde, wenn ich die an mir begangene Boßheit
gehoͤriges Orts anhaͤngig machen wolte; Allein,
ich vergebe dir alles mit Mund und Hertzen, wuͤn-
ſche auch, daß dir GOtt alle deine Suͤnde verge-
ben moͤge, ſo du jemahls begangen. Mercke das
Exempel der Rache GOttes an deinen ungluͤckli-

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0464" n="450"/>
trat ich vor, &#x017F;chlug die Thu&#x0364;r zu, und &#x017F;agte: Halt,<lb/>
Camerad! wir haben einander vor drey Jahren<lb/>
oder etwas dru&#x0364;ber gekandt, al&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir mit<lb/>
einander &#x017F;prechen. Wie ha&#x0364;lts? was macht <hi rendition="#aq">Jean<lb/>
le Grand?</hi> hat er viel auf &#x017F;einen ge&#x017F;tohlnen Schiffe<lb/>
erworben? Ach mein Herr! gab die&#x017F;er Strauch-<lb/>
Dieb zur Antwort, das Schiff und alle, die dar-<lb/>
auf gewe&#x017F;en, &#x017F;ind vor ihre Untreu &#x017F;att&#x017F;am ge&#x017F;trafft,<lb/>
denn das er&#x017F;tere i&#x017F;t ohnweit <hi rendition="#aq">Madaga&#x017F;car</hi> gebor&#x017F;ten<lb/>
und ver&#x017F;uncken, <hi rendition="#aq">Jean le Grand</hi> aber hat neb&#x017F;t al-<lb/>
len Leuten elendiglich er&#x017F;auffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ja es hat<lb/>
&#x017F;ich niemand retten ko&#x0364;nnen, als ich und noch 3. an-<lb/>
dere, die es mit euch gut gemeynet haben. So<lb/>
ha&#x017F;t du es, ver&#x017F;etzte ich, auch gut mit mir gemeynet?<lb/>
Ach, mein Herr! &#x017F;chrye er, indem er &#x017F;ich zu mei-<lb/>
nen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en warff, i&#x017F;t gleich in einem Stu&#x0364;ck von<lb/>
mir Boßheit veru&#x0364;bt worden, &#x017F;o habe doch ich haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich hintertreiben helffen, daß man euch nicht<lb/>
ermordet hat, welches, wie ihr leichtlich glauben<lb/>
werdet, von dem gantzen <hi rendition="#aq">Complot</hi> be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war.<lb/>
Jch wu&#x017F;te, daß die&#x017F;er Kerl zwar ein ziemlicher Bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ewicht, jedoch keiner von den aller&#x017F;chlimm&#x017F;ten ge-<lb/>
we&#x017F;en war, derowegen, als mir zugleich die Ge-<lb/>
&#x017F;chicht <hi rendition="#aq">Jo&#x017F;ephs</hi> und &#x017F;einer Bru&#x0364;der einfiel, jammerte<lb/>
mich &#x017F;einer, &#x017F;o, daß ich ihn aufhub und &#x017F;agte: Sie-<lb/>
he, du wei&#x017F;t ohnfehlbar, welches dein Lohn &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn ich die an mir begangene Boßheit<lb/>
geho&#x0364;riges Orts anha&#x0364;ngig machen wolte; Allein,<lb/>
ich vergebe dir alles mit Mund und Hertzen, wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;che auch, daß dir GOtt alle deine Su&#x0364;nde verge-<lb/>
ben mo&#x0364;ge, &#x017F;o du jemahls begangen. Mercke das<lb/>
Exempel der Rache GOttes an deinen unglu&#x0364;ckli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0464] trat ich vor, ſchlug die Thuͤr zu, und ſagte: Halt, Camerad! wir haben einander vor drey Jahren oder etwas druͤber gekandt, alſo muͤſſen wir mit einander ſprechen. Wie haͤlts? was macht Jean le Grand? hat er viel auf ſeinen geſtohlnen Schiffe erworben? Ach mein Herr! gab dieſer Strauch- Dieb zur Antwort, das Schiff und alle, die dar- auf geweſen, ſind vor ihre Untreu ſattſam geſtrafft, denn das erſtere iſt ohnweit Madagaſcar geborſten und verſuncken, Jean le Grand aber hat nebſt al- len Leuten elendiglich erſauffen muͤſſen, ja es hat ſich niemand retten koͤnnen, als ich und noch 3. an- dere, die es mit euch gut gemeynet haben. So haſt du es, verſetzte ich, auch gut mit mir gemeynet? Ach, mein Herr! ſchrye er, indem er ſich zu mei- nen Fuͤſſen warff, iſt gleich in einem Stuͤck von mir Boßheit veruͤbt worden, ſo habe doch ich haupt- ſaͤchlich hintertreiben helffen, daß man euch nicht ermordet hat, welches, wie ihr leichtlich glauben werdet, von dem gantzen Complot beſchloſſen war. Jch wuſte, daß dieſer Kerl zwar ein ziemlicher Boͤ- ſewicht, jedoch keiner von den allerſchlimmſten ge- weſen war, derowegen, als mir zugleich die Ge- ſchicht Joſephs und ſeiner Bruͤder einfiel, jammerte mich ſeiner, ſo, daß ich ihn aufhub und ſagte: Sie- he, du weiſt ohnfehlbar, welches dein Lohn ſeyn wuͤrde, wenn ich die an mir begangene Boßheit gehoͤriges Orts anhaͤngig machen wolte; Allein, ich vergebe dir alles mit Mund und Hertzen, wuͤn- ſche auch, daß dir GOtt alle deine Suͤnde verge- ben moͤge, ſo du jemahls begangen. Mercke das Exempel der Rache GOttes an deinen ungluͤckli- chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/464
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/464>, abgerufen am 21.11.2024.