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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Wahrheit sagen kan, daß Zeit Lebens vor kei-
nem Laster mehr Abscheu gehabt, als vor der schänd-
lichen Dieberey, dergleichen Verdacht aber ging
meiner Seelen gar zu nahe. So bald mich nun
von meiner Verwirrung, die der Capitain vor eine
gewisse Marque meines bösen Gewissens hielt, eini-
ger massen erholt hatte, war ich bemühet, densel-
ben meine Unschuld mit den kräfftigsten Betheu-
rungen zu versichern, wie ich denn auch würcklich
nichts davon gehöret oder gesehen hatte, daß dem
William van Raac, der ein Kauffmann und unsere
Reise-Compagnon war, Geld gestohlen sey. Al-
lein der Capitain schiene sich über meine Entschul-
digungen zu erzürnen, und sagte: Jch hätte nicht
vermeinet, Wolffgang, daß ihr gegen mich so ver-
stockt seyn soltet, da euch doch nicht allein euer gan-
tzes Wesen, sondern auch euer selbst eigener Mund
zur Gnüge verrathen hat. Sagt mir, ob ihr
läugnen könnet: daß ihr gestern am Meer-Ufer
in der Einsamkeit das, dem van Raac gestohlene
Geld überzehlet, und diese nachdencklichen Worte
darbey gebraucht habt: Ach du liebes Geld! wie
viel schöner wärest du, wenn ich dich nur mit ruhi-
gen Hertzen besitzen könte. Mein Herr, gab ich
zu Antwort, ich ruffe nochmahls GOtt und das
gantze himmlische Heer zu Zeugen an, daß mir
dieser Diebstahl unrechtmäßiger Weise Schuld
gegeben wird, dasjenige aber, was ihr mir itzo zu-
letzt vorgehalten habt, befindet sich also, ich habe
einen Beutel mit 150. spec. Ducaten bey mir, und
gebe denselben zu eurer sichern Verwahrung, biß
meine Unschuld wegen des Diebstahls ans Licht ge-

kommen
D 2

Wahrheit ſagen kan, daß Zeit Lebens vor kei-
nem Laſter mehr Abſcheu gehabt, als vor der ſchaͤnd-
lichen Dieberey, dergleichen Verdacht aber ging
meiner Seelen gar zu nahe. So bald mich nun
von meiner Verwirrung, die der Capitain vor eine
gewiſſe Marque meines boͤſen Gewiſſens hielt, eini-
ger maſſen erholt hatte, war ich bemuͤhet, denſel-
ben meine Unſchuld mit den kraͤfftigſten Betheu-
rungen zu verſichern, wie ich denn auch wuͤrcklich
nichts davon gehoͤret oder geſehen hatte, daß dem
William van Raac, der ein Kauffmann und unſere
Reiſe-Compagnon war, Geld geſtohlen ſey. Al-
lein der Capitain ſchiene ſich uͤber meine Entſchul-
digungen zu erzuͤrnen, und ſagte: Jch haͤtte nicht
vermeinet, Wolffgang, daß ihr gegen mich ſo ver-
ſtockt ſeyn ſoltet, da euch doch nicht allein euer gan-
tzes Weſen, ſondern auch euer ſelbſt eigener Mund
zur Gnuͤge verrathen hat. Sagt mir, ob ihr
laͤugnen koͤnnet: daß ihr geſtern am Meer-Ufer
in der Einſamkeit das, dem van Raac geſtohlene
Geld uͤberzehlet, und dieſe nachdencklichen Worte
darbey gebraucht habt: Ach du liebes Geld! wie
viel ſchoͤner waͤreſt du, wenn ich dich nur mit ruhi-
gen Hertzen beſitzen koͤnte. Mein Herr, gab ich
zu Antwort, ich ruffe nochmahls GOtt und das
gantze himmliſche Heer zu Zeugen an, daß mir
dieſer Diebſtahl unrechtmaͤßiger Weiſe Schuld
gegeben wird, dasjenige aber, was ihr mir itzo zu-
letzt vorgehalten habt, befindet ſich alſo, ich habe
einen Beutel mit 150. ſpec. Ducaten bey mir, und
gebe denſelben zu eurer ſichern Verwahrung, biß
meine Unſchuld wegen des Diebſtahls ans Licht ge-

kommen
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[51/0063] Wahrheit ſagen kan, daß Zeit Lebens vor kei- nem Laſter mehr Abſcheu gehabt, als vor der ſchaͤnd- lichen Dieberey, dergleichen Verdacht aber ging meiner Seelen gar zu nahe. So bald mich nun von meiner Verwirrung, die der Capitain vor eine gewiſſe Marque meines boͤſen Gewiſſens hielt, eini- ger maſſen erholt hatte, war ich bemuͤhet, denſel- ben meine Unſchuld mit den kraͤfftigſten Betheu- rungen zu verſichern, wie ich denn auch wuͤrcklich nichts davon gehoͤret oder geſehen hatte, daß dem William van Raac, der ein Kauffmann und unſere Reiſe-Compagnon war, Geld geſtohlen ſey. Al- lein der Capitain ſchiene ſich uͤber meine Entſchul- digungen zu erzuͤrnen, und ſagte: Jch haͤtte nicht vermeinet, Wolffgang, daß ihr gegen mich ſo ver- ſtockt ſeyn ſoltet, da euch doch nicht allein euer gan- tzes Weſen, ſondern auch euer ſelbſt eigener Mund zur Gnuͤge verrathen hat. Sagt mir, ob ihr laͤugnen koͤnnet: daß ihr geſtern am Meer-Ufer in der Einſamkeit das, dem van Raac geſtohlene Geld uͤberzehlet, und dieſe nachdencklichen Worte darbey gebraucht habt: Ach du liebes Geld! wie viel ſchoͤner waͤreſt du, wenn ich dich nur mit ruhi- gen Hertzen beſitzen koͤnte. Mein Herr, gab ich zu Antwort, ich ruffe nochmahls GOtt und das gantze himmliſche Heer zu Zeugen an, daß mir dieſer Diebſtahl unrechtmaͤßiger Weiſe Schuld gegeben wird, dasjenige aber, was ihr mir itzo zu- letzt vorgehalten habt, befindet ſich alſo, ich habe einen Beutel mit 150. ſpec. Ducaten bey mir, und gebe denſelben zu eurer ſichern Verwahrung, biß meine Unſchuld wegen des Diebſtahls ans Licht ge- kommen D 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/63>, abgerufen am 23.11.2024.