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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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nichts mehr wünschte, als in meiner beständigen Ge-
genwart Lebens-lang auf dieser Jnsul zu bleiben.
Allein, o Jammer! mein innigliches Vergnügen
währete nicht lange, denn da meine hertz-aller-
liebste Ehe-Frau im zehenden Monath nach unse-
rer Copulation durch eine entsetzliche schwere Ge-
burth eine todte Tochter zur Welt gebracht hatte,
vermeckte sie bald darauf die Anzeigungen ihres
eigenen heran nahenden Todes. Sie hatte sich
schon seit etlichen Wochen mit den Predigern, der
Religion wegen, fast täglich unterredet, und alle
unsere Glaubens-Articul wohl gefasset, nahm
derowegen aus hertzlichen Verlangen nach dem
heiligen Abendmahle die Protestantische Religion
an, und starb folgendes Tages sanfft und seelig.

Jch mag meinen Schmertzen, den ich damahls
empfunden, in Gegenwart anderer voritzo nicht
erneuren, sondern will nur so viel sagen, daß ich
fast nicht zu trösten war, und in beständiger Tieff-
sinnigkeit nirgends Ruhe zu suchen wuste, als auf
dem Grabe meiner Liebsten, welches ich mit einem
ziemlichen wol ausgearbeiteten Steine bedeckte und
mit eigener Hand folgende Zeilen darauf meisselte:

Hier liegt ein schöner Raub, den mir der Tod
geraubt,
Nachdem der Freyhelts-Raub den Liebes-
Raub erlaubt.
Es ist ein seelig Weib. Wer raubt ihr die-
sen Orden?
Doch ich, als Wittber, bin ein Raub des
Kummers worden.
Unten

nichts mehr wuͤnſchte, als in meiner beſtaͤndigen Ge-
genwart Lebens-lang auf dieſer Jnſul zu bleiben.
Allein, o Jammer! mein innigliches Vergnuͤgen
waͤhrete nicht lange, denn da meine hertz-aller-
liebſte Ehe-Frau im zehenden Monath nach unſe-
rer Copulation durch eine entſetzliche ſchwere Ge-
burth eine todte Tochter zur Welt gebracht hatte,
vermeckte ſie bald darauf die Anzeigungen ihres
eigenen heran nahenden Todes. Sie hatte ſich
ſchon ſeit etlichen Wochen mit den Predigern, der
Religion wegen, faſt taͤglich unterredet, und alle
unſere Glaubens-Articul wohl gefaſſet, nahm
derowegen aus hertzlichen Verlangen nach dem
heiligen Abendmahle die Proteſtantiſche Religion
an, und ſtarb folgendes Tages ſanfft und ſeelig.

Jch mag meinen Schmertzen, den ich damahls
empfunden, in Gegenwart anderer voritzo nicht
erneuren, ſondern will nur ſo viel ſagen, daß ich
faſt nicht zu troͤſten war, und in beſtaͤndiger Tieff-
ſinnigkeit nirgends Ruhe zu ſuchen wuſte, als auf
dem Grabe meiner Liebſten, welches ich mit einem
ziemlichen wol ausgearbeiteten Steine bedeckte und
mit eigener Hand folgende Zeilen darauf meiſſelte:

Hier liegt ein ſchoͤner Raub, den mir der Tod
geraubt,
Nachdem der Freyhelts-Raub den Liebes-
Raub erlaubt.
Es iſt ein ſeelig Weib. Wer raubt ihr die-
ſen Orden?
Doch ich, als Wittber, bin ein Raub des
Kummers worden.
Unten
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[78/0090] nichts mehr wuͤnſchte, als in meiner beſtaͤndigen Ge- genwart Lebens-lang auf dieſer Jnſul zu bleiben. Allein, o Jammer! mein innigliches Vergnuͤgen waͤhrete nicht lange, denn da meine hertz-aller- liebſte Ehe-Frau im zehenden Monath nach unſe- rer Copulation durch eine entſetzliche ſchwere Ge- burth eine todte Tochter zur Welt gebracht hatte, vermeckte ſie bald darauf die Anzeigungen ihres eigenen heran nahenden Todes. Sie hatte ſich ſchon ſeit etlichen Wochen mit den Predigern, der Religion wegen, faſt taͤglich unterredet, und alle unſere Glaubens-Articul wohl gefaſſet, nahm derowegen aus hertzlichen Verlangen nach dem heiligen Abendmahle die Proteſtantiſche Religion an, und ſtarb folgendes Tages ſanfft und ſeelig. Jch mag meinen Schmertzen, den ich damahls empfunden, in Gegenwart anderer voritzo nicht erneuren, ſondern will nur ſo viel ſagen, daß ich faſt nicht zu troͤſten war, und in beſtaͤndiger Tieff- ſinnigkeit nirgends Ruhe zu ſuchen wuſte, als auf dem Grabe meiner Liebſten, welches ich mit einem ziemlichen wol ausgearbeiteten Steine bedeckte und mit eigener Hand folgende Zeilen darauf meiſſelte: Hier liegt ein ſchoͤner Raub, den mir der Tod geraubt, Nachdem der Freyhelts-Raub den Liebes- Raub erlaubt. Es iſt ein ſeelig Weib. Wer raubt ihr die- ſen Orden? Doch ich, als Wittber, bin ein Raub des Kummers worden. Unten

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/90>, abgerufen am 26.11.2024.