Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Bären-Haut liegen und die guten Tage zählen, son-
dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen
unbekümmert seyn wolte. Weßwegen ich um gnä-
dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes-
und Etats-Affairen eine Reise nach Wien anzu-
treten, worbey mir sonderlich durch dessen gnädige
Vorschrifft und selbst eigene Recommendation ein
sicheres Conto zu finden getrauete.

Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder
ein, schlug mir auch vor, von Ostern an, noch ein
Jahr oder wohl länger bey seinen Söhnen auf der
Universität zu bleiben, mittlerweile er auf aller-
hand Mittel bedacht seyn wolle, mich nach meinen
Meriten behörig zu versorgen; Allein die Liebe, ach!
die hefftige Liebe zu Fräulein Charlotten, stack mir
einmahl im Kopfe, und machte mich dermassen be-
redsam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er-
reichte, und 2. Tage nach Fast-Nachten 1715. mit
100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von
ihm abgefertiget wurde.

Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em-
pfindlicher vor, als das klägliche Scheiden, ich
wandte alle meine Beredtsamkeit und beweglichsten
Caressen an, mein Fräulein Charlotten dahin zu
bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen
Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be-
theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten
wird, weder mit Worten, Gebärden oder Wercken
nicht das geringste wider ihre Ehre und Tugend zu
tentiren, allein dieselbe war in diesem Stücke ein
wenig allzu strenge, also mußte nur vergnügt seyn,
daß meine Abschieds-Küsse, in grimmiger Kälte,

durch

Baͤren-Haut liegen und die guten Tage zaͤhlen, ſon-
dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen
unbekuͤmmert ſeyn wolte. Weßwegen ich um gnaͤ-
dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes-
und Etats-Affairen eine Reiſe nach Wien anzu-
treten, worbey mir ſonderlich durch deſſen gnaͤdige
Vorſchrifft und ſelbſt eigene Recommendation ein
ſicheres Conto zu finden getrauete.

Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder
ein, ſchlug mir auch vor, von Oſtern an, noch ein
Jahr oder wohl laͤnger bey ſeinen Soͤhnen auf der
Univerſitaͤt zu bleiben, mittlerweile er auf aller-
hand Mittel bedacht ſeyn wolle, mich nach meinen
Meriten behoͤrig zu verſorgen; Allein die Liebe, ach!
die hefftige Liebe zu Fraͤulein Charlotten, ſtack mir
einmahl im Kopfe, und machte mich dermaſſen be-
redſam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er-
reichte, und 2. Tage nach Faſt-Nachten 1715. mit
100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von
ihm abgefertiget wurde.

Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em-
pfindlicher vor, als das klaͤgliche Scheiden, ich
wandte alle meine Beredtſamkeit und beweglichſten
Careſſen an, mein Fraͤulein Charlotten dahin zu
bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen
Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be-
theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten
wird, weder mit Worten, Gebaͤrden oder Wercken
nicht das geringſte wider ihre Ehre und Tugend zu
tentiren, allein dieſelbe war in dieſem Stuͤcke ein
wenig allzu ſtrenge, alſo mußte nur vergnuͤgt ſeyn,
daß meine Abſchieds-Kuͤſſe, in grimmiger Kaͤlte,

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0130" n="116"/>
Ba&#x0364;ren-Haut liegen und die guten Tage za&#x0364;hlen, &#x017F;on-<lb/>
dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen<lb/>
unbeku&#x0364;mmert &#x017F;eyn wolte. Weßwegen ich um gna&#x0364;-<lb/>
dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes-<lb/>
und <hi rendition="#aq">Etats-Affair</hi>en eine Rei&#x017F;e nach Wien anzu-<lb/>
treten, worbey mir &#x017F;onderlich durch de&#x017F;&#x017F;en gna&#x0364;dige<lb/>
Vor&#x017F;chrifft und &#x017F;elb&#x017F;t eigene <hi rendition="#aq">Recommendation</hi> ein<lb/>
&#x017F;icheres <hi rendition="#aq">Conto</hi> zu finden getrauete.</p><lb/>
          <p>Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder<lb/>
ein, &#x017F;chlug mir auch vor, von O&#x017F;tern an, noch ein<lb/>
Jahr oder wohl la&#x0364;nger bey &#x017F;einen So&#x0364;hnen auf der<lb/><hi rendition="#aq">Univer&#x017F;it</hi>a&#x0364;t zu bleiben, mittlerweile er auf aller-<lb/>
hand Mittel bedacht &#x017F;eyn wolle, mich nach meinen<lb/><hi rendition="#aq">Meriten</hi> beho&#x0364;rig zu ver&#x017F;orgen; Allein die Liebe, ach!<lb/>
die hefftige Liebe zu Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#aq">Charlotten,</hi> &#x017F;tack mir<lb/>
einmahl im Kopfe, und machte mich derma&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
red&#x017F;am, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er-<lb/>
reichte, und 2. Tage nach Fa&#x017F;t-Nachten 1715. mit<lb/>
100. Thlr. Geld und einem <hi rendition="#aq">propren</hi> Kleide von<lb/>
ihm abgefertiget wurde.</p><lb/>
          <p>Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em-<lb/>
pfindlicher vor, als das kla&#x0364;gliche Scheiden, ich<lb/>
wandte alle meine Beredt&#x017F;amkeit und beweglich&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#aq">Care&#x017F;&#x017F;en</hi> an, mein Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#aq">Charlotten</hi> dahin zu<lb/>
bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen<lb/>
Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be-<lb/>
theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten<lb/>
wird, weder mit Worten, Geba&#x0364;rden oder Wercken<lb/>
nicht das gering&#x017F;te wider ihre Ehre und Tugend zu<lb/><hi rendition="#aq">tenti</hi>ren, allein die&#x017F;elbe war in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke ein<lb/>
wenig allzu &#x017F;trenge, al&#x017F;o mußte nur vergnu&#x0364;gt &#x017F;eyn,<lb/>
daß meine Ab&#x017F;chieds-Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, in grimmiger Ka&#x0364;lte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0130] Baͤren-Haut liegen und die guten Tage zaͤhlen, ſon- dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen unbekuͤmmert ſeyn wolte. Weßwegen ich um gnaͤ- dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes- und Etats-Affairen eine Reiſe nach Wien anzu- treten, worbey mir ſonderlich durch deſſen gnaͤdige Vorſchrifft und ſelbſt eigene Recommendation ein ſicheres Conto zu finden getrauete. Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder ein, ſchlug mir auch vor, von Oſtern an, noch ein Jahr oder wohl laͤnger bey ſeinen Soͤhnen auf der Univerſitaͤt zu bleiben, mittlerweile er auf aller- hand Mittel bedacht ſeyn wolle, mich nach meinen Meriten behoͤrig zu verſorgen; Allein die Liebe, ach! die hefftige Liebe zu Fraͤulein Charlotten, ſtack mir einmahl im Kopfe, und machte mich dermaſſen be- redſam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er- reichte, und 2. Tage nach Faſt-Nachten 1715. mit 100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von ihm abgefertiget wurde. Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em- pfindlicher vor, als das klaͤgliche Scheiden, ich wandte alle meine Beredtſamkeit und beweglichſten Careſſen an, mein Fraͤulein Charlotten dahin zu bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be- theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten wird, weder mit Worten, Gebaͤrden oder Wercken nicht das geringſte wider ihre Ehre und Tugend zu tentiren, allein dieſelbe war in dieſem Stuͤcke ein wenig allzu ſtrenge, alſo mußte nur vergnuͤgt ſeyn, daß meine Abſchieds-Kuͤſſe, in grimmiger Kaͤlte, durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/130
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/130>, abgerufen am 25.11.2024.