neuert, da keines von allen nur die geringste Nach- richt zu geben wußte, wo meine Mutter mit der jüng- sten Tochter müsse hingekommen seyn.
Meine Großmutter aber, hatte nebst dieser Toch- ter, bey welcher sie lebte, annoch zwey andere an Käy- serliche Officiers verheyrathete Töchter, und einen Sohn, der unter der Käyserl. Infanterie als Capi- tain in Ungarn stunde. Nun erkannten mich zwar anfänglich alle 3. Muhmen, vor den Sohn ihrer äl- testen Schwester, nachdem sie aber die Sache mit ihren Männern etwas reifflicher überlegt, und sich leichtlich die Rechnung gemacht, daß ich mein Mut- tertheil praetendiren würde, spieleten sie das Lied aus einem gantz andern Tone, zuckten die Achseln und gaben zu vernehmen, wie sie dennoch verschiedene trifftige Ursachen hätten, zu zweifeln: Ob ich derjeni- ge Vetter sey, vor welchen ich mich ausgäbe, man hätte sehr viele Exempel, daß die Leute von derglei- chen listigen Landstreichern hintergangen worden, derowege müßte ich mich erstlich besser legitimiren, vor allen Dingen aber die Römisch-Catholisch Re- ligion annehmen, sodann solten mir nicht allein von jedweden, meiner Mutter Geschwister, 200. Käy- ser-Gulden baar Geld bezahlt, sondern auch über dieses vor mich gesorget werden, daß ich, durch Vor- schub meines Vetters, in Ungarn etwa einen Ober- Officiers- oder Ingenieurs-Platz erhielte. Was war hierbey zu thun? mehrere Beweisthümer mei- nes rechtmäßigerweise führenden Geschlechts-Nah- mens beyzubringen, fiel mir unmöglich, der Evan- gelischen Religion abzuschwören, und die Römisch- Catholische, des zeitlichen schlechten Gewinnsts wegen
anzu-
neuert, da keines von allen nur die geringſte Nach- richt zu geben wußte, wo meine Mutter mit der juͤng- ſten Tochter muͤſſe hingekommen ſeyn.
Meine Großmutter aber, hatte nebſt dieſer Toch- ter, bey welcher ſie lebte, annoch zwey andere an Kaͤy- ſerliche Officiers verheyrathete Toͤchter, und einen Sohn, der unter der Kaͤyſerl. Infanterie als Capi- tain in Ungarn ſtunde. Nun erkannten mich zwar anfaͤnglich alle 3. Muhmen, vor den Sohn ihrer aͤl- teſten Schweſter, nachdem ſie aber die Sache mit ihren Maͤnnern etwas reifflicher uͤberlegt, und ſich leichtlich die Rechnung gemacht, daß ich mein Mut- tertheil prætendiren wuͤrde, ſpieleten ſie das Lied aus einem gantz andern Tone, zuckten die Achſeln und gaben zu vernehmen, wie ſie dennoch verſchiedene trifftige Urſachen haͤtten, zu zweifeln: Ob ich derjeni- ge Vetter ſey, vor welchen ich mich ausgaͤbe, man haͤtte ſehr viele Exempel, daß die Leute von derglei- chen liſtigen Landſtreichern hintergangen worden, derowege muͤßte ich mich erſtlich beſſer legitimiren, vor allen Dingen aber die Roͤmiſch-Catholiſch Re- ligion annehmen, ſodann ſolten mir nicht allein von jedweden, meiner Mutter Geſchwiſter, 200. Kaͤy- ſer-Gulden baar Geld bezahlt, ſondern auch uͤber dieſes vor mich geſorget werden, daß ich, durch Vor- ſchub meines Vetters, in Ungarn etwa einen Ober- Officiers- oder Ingenieurs-Platz erhielte. Was war hierbey zu thun? mehrere Beweisthuͤmer mei- nes rechtmaͤßigerweiſe fuͤhrenden Geſchlechts-Nah- mens beyzubringen, fiel mir unmoͤglich, der Evan- geliſchen Religion abzuſchwoͤren, und die Roͤmiſch- Catholiſche, des zeitlichen ſchlechten Gewiñſts wegen
anzu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0132"n="118"/>
neuert, da keines von allen nur die geringſte Nach-<lb/>
richt zu geben wußte, wo meine Mutter mit der juͤng-<lb/>ſten Tochter muͤſſe hingekommen ſeyn.</p><lb/><p>Meine Großmutter aber, hatte nebſt dieſer Toch-<lb/>
ter, bey welcher ſie lebte, annoch zwey andere an Kaͤy-<lb/>ſerliche <hirendition="#aq">Officiers</hi> verheyrathete Toͤchter, und einen<lb/>
Sohn, der unter der Kaͤyſerl. <hirendition="#aq">Infanterie</hi> als <hirendition="#aq">Capi-<lb/>
tain</hi> in Ungarn ſtunde. Nun erkannten mich zwar<lb/>
anfaͤnglich alle 3. Muhmen, vor den Sohn ihrer aͤl-<lb/>
teſten Schweſter, nachdem ſie aber die Sache mit<lb/>
ihren Maͤnnern etwas reifflicher uͤberlegt, und ſich<lb/>
leichtlich die Rechnung gemacht, daß ich mein Mut-<lb/>
tertheil <hirendition="#aq">prætendi</hi>ren wuͤrde, ſpieleten ſie das Lied aus<lb/>
einem gantz andern Tone, zuckten die Achſeln und<lb/>
gaben zu vernehmen, wie ſie dennoch verſchiedene<lb/>
trifftige Urſachen haͤtten, zu zweifeln: Ob ich derjeni-<lb/>
ge Vetter ſey, vor welchen ich mich ausgaͤbe, man<lb/>
haͤtte ſehr viele Exempel, daß die Leute von derglei-<lb/>
chen liſtigen Landſtreichern hintergangen worden,<lb/>
derowege muͤßte ich mich erſtlich beſſer <hirendition="#aq">legitimir</hi>en,<lb/>
vor allen Dingen aber die Roͤmiſch-Catholiſch <hirendition="#aq">Re-<lb/>
ligion</hi> annehmen, ſodann ſolten mir nicht allein von<lb/>
jedweden, meiner Mutter Geſchwiſter, 200. Kaͤy-<lb/>ſer-Gulden baar Geld bezahlt, ſondern auch uͤber<lb/>
dieſes vor mich geſorget werden, daß ich, durch Vor-<lb/>ſchub meines Vetters, in Ungarn etwa einen Ober-<lb/><hirendition="#aq">Officiers-</hi> oder <hirendition="#aq">Ingenieurs-</hi>Platz erhielte. Was<lb/>
war hierbey zu thun? mehrere Beweisthuͤmer mei-<lb/>
nes rechtmaͤßigerweiſe fuͤhrenden Geſchlechts-Nah-<lb/>
mens beyzubringen, fiel mir unmoͤglich, der Evan-<lb/>
geliſchen Religion abzuſchwoͤren, und die Roͤmiſch-<lb/>
Catholiſche, des zeitlichen ſchlechten Gewiñſts wegen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">anzu-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[118/0132]
neuert, da keines von allen nur die geringſte Nach-
richt zu geben wußte, wo meine Mutter mit der juͤng-
ſten Tochter muͤſſe hingekommen ſeyn.
Meine Großmutter aber, hatte nebſt dieſer Toch-
ter, bey welcher ſie lebte, annoch zwey andere an Kaͤy-
ſerliche Officiers verheyrathete Toͤchter, und einen
Sohn, der unter der Kaͤyſerl. Infanterie als Capi-
tain in Ungarn ſtunde. Nun erkannten mich zwar
anfaͤnglich alle 3. Muhmen, vor den Sohn ihrer aͤl-
teſten Schweſter, nachdem ſie aber die Sache mit
ihren Maͤnnern etwas reifflicher uͤberlegt, und ſich
leichtlich die Rechnung gemacht, daß ich mein Mut-
tertheil prætendiren wuͤrde, ſpieleten ſie das Lied aus
einem gantz andern Tone, zuckten die Achſeln und
gaben zu vernehmen, wie ſie dennoch verſchiedene
trifftige Urſachen haͤtten, zu zweifeln: Ob ich derjeni-
ge Vetter ſey, vor welchen ich mich ausgaͤbe, man
haͤtte ſehr viele Exempel, daß die Leute von derglei-
chen liſtigen Landſtreichern hintergangen worden,
derowege muͤßte ich mich erſtlich beſſer legitimiren,
vor allen Dingen aber die Roͤmiſch-Catholiſch Re-
ligion annehmen, ſodann ſolten mir nicht allein von
jedweden, meiner Mutter Geſchwiſter, 200. Kaͤy-
ſer-Gulden baar Geld bezahlt, ſondern auch uͤber
dieſes vor mich geſorget werden, daß ich, durch Vor-
ſchub meines Vetters, in Ungarn etwa einen Ober-
Officiers- oder Ingenieurs-Platz erhielte. Was
war hierbey zu thun? mehrere Beweisthuͤmer mei-
nes rechtmaͤßigerweiſe fuͤhrenden Geſchlechts-Nah-
mens beyzubringen, fiel mir unmoͤglich, der Evan-
geliſchen Religion abzuſchwoͤren, und die Roͤmiſch-
Catholiſche, des zeitlichen ſchlechten Gewiñſts wegen
anzu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/132>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.