hinweg derowegen ergriff abermahls meinen Wan- der-Stab, setzte mich aber nicht wie ehemahlen auf die geschwinde Post, sondern glaubte dem experto Ruperto, und marchirte per pedes Apostolorum fort, nachdem ich meinen Coffre zurück in Ver- wahrung gelassen. Die am Rhein, Neckar, Mosel und Mäyn gelegene Städte, waren mir sehr herrlich beschrieben worden, und weiln ich ohne dem lieber Wein als Wasser trincken mochte, ging die Reise darauf zu. Nun fand mich zwar, wegen des so sehr gerühmten Weins gar nicht betrogen, allein wo ich nur hin kam, mußte ich vernehmen, daß es wegen der Condition ausser der Zeit, und wenigstens in einem halben Jahre nichts zuhoffen sey, über dieses war kein eintziger Professions-Genosse der Ehren, mir einen Bissen Brodt vorzusetzen, sondern ich mußte überall vor mein baares Geld zehren. Hier- bey befand sich nun der Magen, welcher auch den allerbesten Wein auch ziemlich vertragen lernete, sehr wohl, allein der Beutel bekam nach und nach den stärcksten Ansatz zur Schwindsucht, so daß ich dieses Land aufs eiligste zuverlassen, und die Lufft zu ver- ändern suchen mußte, woferne besagter mein Beu- tel, nicht sein gantzes Eingeweyde ausspeyen solte. Demnach wanderte auf den Saal-Strom los und demselben so lange entgegen, bis sich endlich in einer kleinen Fürstlichen Residentz-Sadt, Condition vor mich fand. Mein Herr war Hof-Amts- und Stadt-Chirurgus, über alles dieses noch Cammer- Diener bey dem Fürsten, und hatte solchergestalt mehr Glücke als Verstand, denn ich nicht leichtlich einen Chirurgum angetroffen, der der leidigen
Trun-
hinweg derowegen ergriff abermahls meinen Wan- der-Stab, ſetzte mich aber nicht wie ehemahlen auf die geſchwinde Poſt, ſondern glaubte dem experto Ruperto, und marchirte per pedes Apoſtolorum fort, nachdem ich meinen Coffre zuruͤck in Ver- wahrung gelaſſen. Die am Rhein, Neckar, Moſel und Maͤyn gelegene Staͤdte, waren mir ſehr herrlich beſchrieben worden, und weiln ich ohne dem lieber Wein als Waſſer trincken mochte, ging die Reiſe darauf zu. Nun fand mich zwar, wegen des ſo ſehr geruͤhmten Weins gar nicht betrogen, allein wo ich nur hin kam, mußte ich vernehmen, daß es wegen der Condition auſſer der Zeit, und wenigſtens in einem halben Jahre nichts zuhoffen ſey, uͤber dieſes war kein eintziger Profeſſions-Genoſſe der Ehren, mir einen Biſſen Brodt vorzuſetzen, ſondern ich mußte uͤberall vor mein baares Geld zehren. Hier- bey befand ſich nun der Magen, welcher auch den allerbeſten Wein auch ziemlich vertragen lernete, ſehr wohl, allein der Beutel bekam nach und nach den ſtaͤrckſten Anſatz zur Schwindſucht, ſo daß ich dieſes Land aufs eiligſte zuverlaſſen, und die Lufft zu ver- aͤndern ſuchen mußte, woferne beſagter mein Beu- tel, nicht ſein gantzes Eingeweyde ausſpeyen ſolte. Demnach wanderte auf den Saal-Strom los und demſelben ſo lange entgegen, bis ſich endlich in einer kleinen Fuͤrſtlichen Reſidentz-Sadt, Condition vor mich fand. Mein Herr war Hof-Amts- und Stadt-Chirurgus, uͤber alles dieſes noch Cammer- Diener bey dem Fuͤrſten, und hatte ſolchergeſtalt mehr Gluͤcke als Verſtand, denn ich nicht leichtlich einen Chirurgum angetroffen, der der leidigen
Trun-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0205"n="191"/>
hinweg derowegen ergriff abermahls meinen Wan-<lb/>
der-Stab, ſetzte mich aber nicht wie ehemahlen auf<lb/>
die geſchwinde Poſt, ſondern glaubte dem <hirendition="#aq">experto<lb/>
Ruperto,</hi> und <hirendition="#aq">marchirte per pedes Apoſtolorum</hi><lb/>
fort, nachdem ich meinen <hirendition="#aq">Coffre</hi> zuruͤck in Ver-<lb/>
wahrung gelaſſen. Die am Rhein, Neckar, Moſel<lb/>
und Maͤyn gelegene Staͤdte, waren mir ſehr herrlich<lb/>
beſchrieben worden, und weiln ich ohne dem lieber<lb/>
Wein als Waſſer trincken mochte, ging die Reiſe<lb/>
darauf zu. Nun fand mich zwar, wegen des ſo<lb/>ſehr geruͤhmten Weins gar nicht betrogen, allein wo<lb/>
ich nur hin kam, mußte ich vernehmen, daß es wegen<lb/>
der <hirendition="#aq">Condition</hi> auſſer der Zeit, und wenigſtens in<lb/>
einem halben Jahre nichts zuhoffen ſey, uͤber dieſes<lb/>
war kein eintziger <hirendition="#aq">Profeſſions-</hi>Genoſſe der Ehren,<lb/>
mir einen Biſſen Brodt vorzuſetzen, ſondern ich<lb/>
mußte uͤberall vor mein baares Geld zehren. Hier-<lb/>
bey befand ſich nun der Magen, welcher auch den<lb/>
allerbeſten Wein auch ziemlich vertragen lernete, ſehr<lb/>
wohl, allein der Beutel bekam nach und nach den<lb/>ſtaͤrckſten Anſatz zur Schwindſucht, ſo daß ich dieſes<lb/>
Land aufs eiligſte zuverlaſſen, und die Lufft zu ver-<lb/>
aͤndern ſuchen mußte, woferne beſagter mein Beu-<lb/>
tel, nicht ſein gantzes Eingeweyde ausſpeyen ſolte.<lb/>
Demnach wanderte auf den Saal-Strom los<lb/>
und demſelben ſo lange entgegen, bis ſich endlich in<lb/>
einer kleinen Fuͤrſtlichen Reſidentz-Sadt, <hirendition="#aq">Condition</hi><lb/>
vor mich fand. Mein Herr war Hof-Amts- und<lb/>
Stadt-<hirendition="#aq">Chirurgus,</hi> uͤber alles dieſes noch Cammer-<lb/>
Diener bey dem Fuͤrſten, und hatte ſolchergeſtalt<lb/>
mehr Gluͤcke als Verſtand, denn ich nicht leichtlich<lb/>
einen <hirendition="#aq">Chirurgum</hi> angetroffen, der der leidigen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Trun-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[191/0205]
hinweg derowegen ergriff abermahls meinen Wan-
der-Stab, ſetzte mich aber nicht wie ehemahlen auf
die geſchwinde Poſt, ſondern glaubte dem experto
Ruperto, und marchirte per pedes Apoſtolorum
fort, nachdem ich meinen Coffre zuruͤck in Ver-
wahrung gelaſſen. Die am Rhein, Neckar, Moſel
und Maͤyn gelegene Staͤdte, waren mir ſehr herrlich
beſchrieben worden, und weiln ich ohne dem lieber
Wein als Waſſer trincken mochte, ging die Reiſe
darauf zu. Nun fand mich zwar, wegen des ſo
ſehr geruͤhmten Weins gar nicht betrogen, allein wo
ich nur hin kam, mußte ich vernehmen, daß es wegen
der Condition auſſer der Zeit, und wenigſtens in
einem halben Jahre nichts zuhoffen ſey, uͤber dieſes
war kein eintziger Profeſſions-Genoſſe der Ehren,
mir einen Biſſen Brodt vorzuſetzen, ſondern ich
mußte uͤberall vor mein baares Geld zehren. Hier-
bey befand ſich nun der Magen, welcher auch den
allerbeſten Wein auch ziemlich vertragen lernete, ſehr
wohl, allein der Beutel bekam nach und nach den
ſtaͤrckſten Anſatz zur Schwindſucht, ſo daß ich dieſes
Land aufs eiligſte zuverlaſſen, und die Lufft zu ver-
aͤndern ſuchen mußte, woferne beſagter mein Beu-
tel, nicht ſein gantzes Eingeweyde ausſpeyen ſolte.
Demnach wanderte auf den Saal-Strom los
und demſelben ſo lange entgegen, bis ſich endlich in
einer kleinen Fuͤrſtlichen Reſidentz-Sadt, Condition
vor mich fand. Mein Herr war Hof-Amts- und
Stadt-Chirurgus, uͤber alles dieſes noch Cammer-
Diener bey dem Fuͤrſten, und hatte ſolchergeſtalt
mehr Gluͤcke als Verſtand, denn ich nicht leichtlich
einen Chirurgum angetroffen, der der leidigen
Trun-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/205>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.