mit mir reden, denn meine 4. Wächter, die allem Ansehen und Vermuthen nach, in linea obliqua von des grossen Goliaths Waffenträger herstam- meten, waren in den ersten 9. Tagen, ich glaube, eines besondern Aberglaubens wegen, dermassen unerweichlich, daß sie auch kaum einer Fliege ver- gönnen wolten aus meinem Glase zu trincken, in- dem sie befürchteten, ich möchte durch dieselbe etwa eine geheime Corresprondenz, meiner Befreyung wegen, anzuspinnen suchen, dem ohngeacht war doch meine Eleonora endlich so inventieus dieselben zu betriegen, denn sie hatte auf gantz subtile Art, ein kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Mes- ser in mein mittägiges Dreyer-Brod geschoben:
Mon Ami,
Jhr könnet seit derfatalen Nacht, eurer Händel wegen, unmöglich in grössern Aengsten geschwebt haben, als ich eurer Per- son wegen. Zumahlen da die verfluchten CretiundPlethi,meinen abgeschickten so we- nig, als andern guten Freunden, erlauben wollen, euch zu sprechen, oder einen Brief zuzusenden, doch fasset nunmehro guten Muth, denn meinPapahat heute denPatienten selbst besucht, und ihn besser befunden, als die Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in erwünschter Freyheit einen Kuß von euch zu empfangen.
votre amie Eleonora N.
Gleich
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mit mir reden, denn meine 4. Waͤchter, die allem Anſehen und Vermuthen nach, in linea obliqua von des groſſen Goliaths Waffentraͤger herſtam- meten, waren in den erſten 9. Tagen, ich glaube, eines beſondern Aberglaubens wegen, dermaſſen unerweichlich, daß ſie auch kaum einer Fliege ver- goͤnnen wolten aus meinem Glaſe zu trincken, in- dem ſie befuͤrchteten, ich moͤchte durch dieſelbe etwa eine geheime Correſprondenz, meiner Befreyung wegen, anzuſpinnen ſuchen, dem ohngeacht war doch meine Eleonora endlich ſo inventieus dieſelben zu betriegen, denn ſie hatte auf gantz ſubtile Art, ein kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Meſ- ſer in mein mittaͤgiges Dreyer-Brod geſchoben:
Mon Ami,
Jhr koͤnnet ſeit derfatalen Nacht, eurer Haͤndel wegen, unmoͤglich in groͤſſern Aengſten geſchwebt haben, als ich eurer Per- ſon wegen. Zumahlen da die verfluchten CretiundPlethi,meinen abgeſchickten ſo we- nig, als andern guten Freunden, erlauben wollen, euch zu ſprechen, oder einen Brief zuzuſenden, doch faſſet nunmehro guten Muth, denn meinPapahat heute denPatienten ſelbſt beſucht, und ihn beſſer befunden, als die Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in erwuͤnſchter Freyheit einen Kuß von euch zu empfangen.
vôtre amie Eleonora N.
Gleich
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[211/0225]
mit mir reden, denn meine 4. Waͤchter, die allem
Anſehen und Vermuthen nach, in linea obliqua
von des groſſen Goliaths Waffentraͤger herſtam-
meten, waren in den erſten 9. Tagen, ich glaube,
eines beſondern Aberglaubens wegen, dermaſſen
unerweichlich, daß ſie auch kaum einer Fliege ver-
goͤnnen wolten aus meinem Glaſe zu trincken, in-
dem ſie befuͤrchteten, ich moͤchte durch dieſelbe etwa
eine geheime Correſprondenz, meiner Befreyung
wegen, anzuſpinnen ſuchen, dem ohngeacht war
doch meine Eleonora endlich ſo inventieus dieſelben
zu betriegen, denn ſie hatte auf gantz ſubtile Art, ein
kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Meſ-
ſer in mein mittaͤgiges Dreyer-Brod geſchoben:
Mon Ami,
Jhr koͤnnet ſeit der fatalen Nacht, eurer
Haͤndel wegen, unmoͤglich in groͤſſern
Aengſten geſchwebt haben, als ich eurer Per-
ſon wegen. Zumahlen da die verfluchten
Creti und Plethi, meinen abgeſchickten ſo we-
nig, als andern guten Freunden, erlauben
wollen, euch zu ſprechen, oder einen Brief
zuzuſenden, doch faſſet nunmehro guten
Muth, denn mein Papa hat heute den Patienten
ſelbſt beſucht, und ihn beſſer befunden, als die
Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in
erwuͤnſchter Freyheit einen Kuß von euch zu
empfangen.
vôtre amie
Eleonora N.
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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