Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

mit mir reden, denn meine 4. Wächter, die allem
Ansehen und Vermuthen nach, in linea obliqua
von des grossen Goliaths Waffenträger herstam-
meten, waren in den ersten 9. Tagen, ich glaube,
eines besondern Aberglaubens wegen, dermassen
unerweichlich, daß sie auch kaum einer Fliege ver-
gönnen wolten aus meinem Glase zu trincken, in-
dem sie befürchteten, ich möchte durch dieselbe etwa
eine geheime Corresprondenz, meiner Befreyung
wegen, anzuspinnen suchen, dem ohngeacht war
doch meine Eleonora endlich so inventieus dieselben
zu betriegen, denn sie hatte auf gantz subtile Art, ein
kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Mes-
ser in mein mittägiges Dreyer-Brod geschoben:

Mon Ami,

Jhr könnet seit der fatalen Nacht, eurer
Händel wegen, unmöglich in grössern
Aengsten geschwebt haben, als ich eurer Per-
son wegen. Zumahlen da die verfluchten

Creti und Plethi, meinen abgeschickten so we-
nig, als andern guten Freunden, erlauben
wollen, euch zu sprechen, oder einen Brief
zuzusenden, doch fasset nunmehro guten
Muth, denn mein
Papa hat heute den Patienten
selbst besucht, und ihn besser befunden, als die
Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in
erwünschter Freyheit einen Kuß von euch zu
empfangen.

votre amie
Eleonora N.
Gleich
o 2

mit mir reden, denn meine 4. Waͤchter, die allem
Anſehen und Vermuthen nach, in linea obliqua
von des groſſen Goliaths Waffentraͤger herſtam-
meten, waren in den erſten 9. Tagen, ich glaube,
eines beſondern Aberglaubens wegen, dermaſſen
unerweichlich, daß ſie auch kaum einer Fliege ver-
goͤnnen wolten aus meinem Glaſe zu trincken, in-
dem ſie befuͤrchteten, ich moͤchte durch dieſelbe etwa
eine geheime Correſprondenz, meiner Befreyung
wegen, anzuſpinnen ſuchen, dem ohngeacht war
doch meine Eleonora endlich ſo inventieus dieſelben
zu betriegen, denn ſie hatte auf gantz ſubtile Art, ein
kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Meſ-
ſer in mein mittaͤgiges Dreyer-Brod geſchoben:

Mon Ami,

Jhr koͤnnet ſeit der fatalen Nacht, eurer
Haͤndel wegen, unmoͤglich in groͤſſern
Aengſten geſchwebt haben, als ich eurer Per-
ſon wegen. Zumahlen da die verfluchten

Creti und Plethi, meinen abgeſchickten ſo we-
nig, als andern guten Freunden, erlauben
wollen, euch zu ſprechen, oder einen Brief
zuzuſenden, doch faſſet nunmehro guten
Muth, denn mein
Papa hat heute den Patienten
ſelbſt beſucht, und ihn beſſer befunden, als die
Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in
erwuͤnſchter Freyheit einen Kuß von euch zu
empfangen.

vôtre amie
Eleonora N.
Gleich
o 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="211"/>
mit mir reden, denn meine 4. Wa&#x0364;chter, die allem<lb/>
An&#x017F;ehen und Vermuthen nach, <hi rendition="#aq">in linea obliqua</hi><lb/>
von des gro&#x017F;&#x017F;en Goliaths Waffentra&#x0364;ger her&#x017F;tam-<lb/>
meten, waren in den er&#x017F;ten 9. Tagen, ich glaube,<lb/>
eines be&#x017F;ondern Aberglaubens wegen, derma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
unerweichlich, daß &#x017F;ie auch kaum einer Fliege ver-<lb/>
go&#x0364;nnen wolten aus meinem Gla&#x017F;e zu trincken, in-<lb/>
dem &#x017F;ie befu&#x0364;rchteten, ich mo&#x0364;chte durch die&#x017F;elbe etwa<lb/>
eine geheime <hi rendition="#aq">Corre&#x017F;prondenz,</hi> meiner Befreyung<lb/>
wegen, anzu&#x017F;pinnen &#x017F;uchen, dem ohngeacht war<lb/>
doch meine <hi rendition="#aq">Eleonora</hi> endlich &#x017F;o <hi rendition="#aq">inventieus</hi> die&#x017F;elben<lb/>
zu betriegen, denn &#x017F;ie hatte auf gantz <hi rendition="#aq">&#x017F;ubtile</hi> Art, ein<lb/>
kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Me&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er in mein mitta&#x0364;giges Dreyer-Brod ge&#x017F;choben:</p><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mon Ami</hi>,</hi> </hi> </salute><lb/>
                <p> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">J</hi>hr ko&#x0364;nnet &#x017F;eit der</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">fatal</hi> </hi> <hi rendition="#fr">en Nacht, eurer<lb/>
Ha&#x0364;ndel wegen, unmo&#x0364;glich in gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Aeng&#x017F;ten ge&#x017F;chwebt haben, als ich eurer Per-<lb/>
&#x017F;on wegen. Zumahlen da die verfluchten</hi><lb/> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Creti</hi> </hi> <hi rendition="#fr">und</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Plethi</hi>,</hi> <hi rendition="#fr">meinen abge&#x017F;chickten &#x017F;o we-<lb/>
nig, als andern guten Freunden, erlauben<lb/>
wollen, euch zu &#x017F;prechen, oder einen Brief<lb/>
zuzu&#x017F;enden, doch fa&#x017F;&#x017F;et nunmehro guten<lb/>
Muth, denn mein</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Papa</hi> </hi> <hi rendition="#fr">hat heute den</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Patient</hi> </hi> <hi rendition="#fr">en<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;ucht, und ihn be&#x017F;&#x017F;er befunden, als die<lb/>
Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in<lb/>
erwu&#x0364;n&#x017F;chter Freyheit einen Kuß von euch zu<lb/>
empfangen.</hi> </p><lb/>
                <closer>
                  <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">vôtre amie</hi><lb/>
Eleonora N.</hi> </hi> </salute>
                </closer>
              </div>
            </body>
          </floatingText><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">o 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Gleich</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0225] mit mir reden, denn meine 4. Waͤchter, die allem Anſehen und Vermuthen nach, in linea obliqua von des groſſen Goliaths Waffentraͤger herſtam- meten, waren in den erſten 9. Tagen, ich glaube, eines beſondern Aberglaubens wegen, dermaſſen unerweichlich, daß ſie auch kaum einer Fliege ver- goͤnnen wolten aus meinem Glaſe zu trincken, in- dem ſie befuͤrchteten, ich moͤchte durch dieſelbe etwa eine geheime Correſprondenz, meiner Befreyung wegen, anzuſpinnen ſuchen, dem ohngeacht war doch meine Eleonora endlich ſo inventieus dieſelben zu betriegen, denn ſie hatte auf gantz ſubtile Art, ein kleines Briefgen folgendes Jnhalts mit dem Meſ- ſer in mein mittaͤgiges Dreyer-Brod geſchoben: Mon Ami, Jhr koͤnnet ſeit der fatalen Nacht, eurer Haͤndel wegen, unmoͤglich in groͤſſern Aengſten geſchwebt haben, als ich eurer Per- ſon wegen. Zumahlen da die verfluchten Creti und Plethi, meinen abgeſchickten ſo we- nig, als andern guten Freunden, erlauben wollen, euch zu ſprechen, oder einen Brief zuzuſenden, doch faſſet nunmehro guten Muth, denn mein Papa hat heute den Patienten ſelbſt beſucht, und ihn beſſer befunden, als die Rede gehet, derowegen hat bald Hoffnung, in erwuͤnſchter Freyheit einen Kuß von euch zu empfangen. vôtre amie Eleonora N. Gleich o 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/225
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/225>, abgerufen am 21.11.2024.