Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

1691sten Jahres, und die Auferziehung also be-
schaffen, wie selbige von so wohlhabenden Leuten,
als unsere Eltern zu seyn schienen, verhofft werden
konte. Da aber im Jahr 1702. mein Groß-Va-
ter als ein noch sehr frischer Mann, meinen Vater
besuchte, und mit heimlichen Verdruß wahrnahm,
wie derselbe seine Kinder ebenfalls in der Reformir-
ten Religion auferzöge, indem mein 15. jähriger Bru-
der bereits etlichemahl zum Tische des HErrn ge-
gangen war, und ich ihm ebenfalls bald nachfolgen
solte, verfällt mein treuer Groß-Vater gleich auf
ein gutes Mittel, mich in den Schoos der reinen Ev-
angelisch-Lutherischen Kirche einzulegen, erhält de-
rowegen nach vielen gütigen Versprechungen end-
lich so viel von meinem Vater, daß er mich etwa auf
ein halbes Jahr lang, zu seinem, und der Groß-
Mutter Vergnügen, mit nach Augspurg nehmen
darff.

Er, mein Groß-Vater, war ein berühmter Me-
chanicus,
und wußte mich durch allerhand Liebko-
sungen dergestalt an sich zu ziehen, daß ich| mich nicht
allein zu seiner Profession applicirte, sondern auch
zur Evangelisch-Lutherischen Religion bekennete,
und durchaus nicht wieder zurück zu meinen Eltern
verlangete. Mit den Jahren nahm die Lust zu de-
nen Wissenschafften, und der Fleiß bey der Arbeit
dermassen zu, daß mein Groß-Vater nicht nur ein
ungemeines Vergnügen dieserwegen bezeigte, son-
dern auch den Trost gab, wo ich also fort führe,
würde wegen meines guten Ingenii und geschickter
Faust, mit der Zeit ein guter Meister aus mir wer-
den. Die Groß Mutter hatte ihre eintzige Freude an

mir

1691ſten Jahres, und die Auferziehung alſo be-
ſchaffen, wie ſelbige von ſo wohlhabenden Leuten,
als unſere Eltern zu ſeyn ſchienen, verhofft werden
konte. Da aber im Jahr 1702. mein Groß-Va-
ter als ein noch ſehr friſcher Mann, meinen Vater
beſuchte, und mit heimlichen Verdruß wahrnahm,
wie derſelbe ſeine Kinder ebenfalls in der Reformir-
ten Religion auferzoͤge, indem mein 15. jaͤhriger Bru-
der bereits etlichemahl zum Tiſche des HErrn ge-
gangen war, und ich ihm ebenfalls bald nachfolgen
ſolte, verfaͤllt mein treuer Groß-Vater gleich auf
ein gutes Mittel, mich in den Schoos der reinen Ev-
angeliſch-Lutheriſchen Kirche einzulegen, erhaͤlt de-
rowegen nach vielen guͤtigen Verſprechungen end-
lich ſo viel von meinem Vater, daß er mich etwa auf
ein halbes Jahr lang, zu ſeinem, und der Groß-
Mutter Vergnuͤgen, mit nach Augſpurg nehmen
darff.

Er, mein Groß-Vater, war ein beruͤhmter Me-
chanicus,
und wußte mich durch allerhand Liebko-
ſungen dergeſtalt an ſich zu ziehen, daß ich| mich nicht
allein zu ſeiner Profeſſion applicirte, ſondern auch
zur Evangeliſch-Lutheriſchen Religion bekennete,
und durchaus nicht wieder zuruͤck zu meinen Eltern
verlangete. Mit den Jahren nahm die Luſt zu de-
nen Wiſſenſchafften, und der Fleiß bey der Arbeit
dermaſſen zu, daß mein Groß-Vater nicht nur ein
ungemeines Vergnuͤgen dieſerwegen bezeigte, ſon-
dern auch den Troſt gab, wo ich alſo fort fuͤhre,
wuͤrde wegen meines guten Ingenii und geſchickter
Fauſt, mit der Zeit ein guter Meiſter aus mir wer-
den. Die Groß Mutter hatte ihre eintzige Freude an

mir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div n="1">
                <p><pb facs="#f0260" n="446[246]"/>
1691&#x017F;ten Jahres, und die Auferziehung al&#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;chaffen, wie &#x017F;elbige von &#x017F;o wohlhabenden Leuten,<lb/>
als un&#x017F;ere Eltern zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen, verhofft werden<lb/>
konte. Da aber im Jahr 1702. mein Groß-Va-<lb/>
ter als ein noch &#x017F;ehr fri&#x017F;cher Mann, meinen Vater<lb/>
be&#x017F;uchte, und mit heimlichen Verdruß wahrnahm,<lb/>
wie der&#x017F;elbe &#x017F;eine Kinder ebenfalls in der <hi rendition="#aq">Reformir-</hi><lb/>
ten <hi rendition="#aq">Religion</hi> auferzo&#x0364;ge, indem mein 15. ja&#x0364;hriger Bru-<lb/>
der bereits etlichemahl zum Ti&#x017F;che des HErrn ge-<lb/>
gangen war, und ich ihm ebenfalls bald nachfolgen<lb/>
&#x017F;olte, verfa&#x0364;llt mein treuer Groß-Vater gleich auf<lb/>
ein gutes Mittel, mich in den Schoos der reinen Ev-<lb/>
angeli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen Kirche einzulegen, erha&#x0364;lt de-<lb/>
rowegen nach vielen gu&#x0364;tigen Ver&#x017F;prechungen end-<lb/>
lich &#x017F;o viel von meinem Vater, daß er mich etwa auf<lb/>
ein halbes Jahr lang, zu &#x017F;einem, und der Groß-<lb/>
Mutter Vergnu&#x0364;gen, mit nach Aug&#x017F;purg nehmen<lb/>
darff.</p><lb/>
                <p>Er, mein Groß-Vater, war ein beru&#x0364;hmter <hi rendition="#aq">Me-<lb/>
chanicus,</hi> und wußte mich durch allerhand Liebko-<lb/>
&#x017F;ungen derge&#x017F;talt an &#x017F;ich zu ziehen, daß ich| mich nicht<lb/>
allein zu &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ion applici</hi>rte, &#x017F;ondern auch<lb/>
zur Evangeli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Religion</hi> bekennete,<lb/>
und durchaus nicht wieder zuru&#x0364;ck zu meinen Eltern<lb/>
verlangete. Mit den Jahren nahm die Lu&#x017F;t zu de-<lb/>
nen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften, und der Fleiß bey der Arbeit<lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en zu, daß mein Groß-Vater nicht nur ein<lb/>
ungemeines Vergnu&#x0364;gen die&#x017F;erwegen bezeigte, &#x017F;on-<lb/>
dern auch den Tro&#x017F;t gab, wo ich al&#x017F;o fort fu&#x0364;hre,<lb/>
wu&#x0364;rde wegen meines guten <hi rendition="#aq">Ingenii</hi> und ge&#x017F;chickter<lb/>
Fau&#x017F;t, mit der Zeit ein guter Mei&#x017F;ter aus mir wer-<lb/>
den. Die Groß Mutter hatte ihre eintzige Freude an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[446[246]/0260] 1691ſten Jahres, und die Auferziehung alſo be- ſchaffen, wie ſelbige von ſo wohlhabenden Leuten, als unſere Eltern zu ſeyn ſchienen, verhofft werden konte. Da aber im Jahr 1702. mein Groß-Va- ter als ein noch ſehr friſcher Mann, meinen Vater beſuchte, und mit heimlichen Verdruß wahrnahm, wie derſelbe ſeine Kinder ebenfalls in der Reformir- ten Religion auferzoͤge, indem mein 15. jaͤhriger Bru- der bereits etlichemahl zum Tiſche des HErrn ge- gangen war, und ich ihm ebenfalls bald nachfolgen ſolte, verfaͤllt mein treuer Groß-Vater gleich auf ein gutes Mittel, mich in den Schoos der reinen Ev- angeliſch-Lutheriſchen Kirche einzulegen, erhaͤlt de- rowegen nach vielen guͤtigen Verſprechungen end- lich ſo viel von meinem Vater, daß er mich etwa auf ein halbes Jahr lang, zu ſeinem, und der Groß- Mutter Vergnuͤgen, mit nach Augſpurg nehmen darff. Er, mein Groß-Vater, war ein beruͤhmter Me- chanicus, und wußte mich durch allerhand Liebko- ſungen dergeſtalt an ſich zu ziehen, daß ich| mich nicht allein zu ſeiner Profeſſion applicirte, ſondern auch zur Evangeliſch-Lutheriſchen Religion bekennete, und durchaus nicht wieder zuruͤck zu meinen Eltern verlangete. Mit den Jahren nahm die Luſt zu de- nen Wiſſenſchafften, und der Fleiß bey der Arbeit dermaſſen zu, daß mein Groß-Vater nicht nur ein ungemeines Vergnuͤgen dieſerwegen bezeigte, ſon- dern auch den Troſt gab, wo ich alſo fort fuͤhre, wuͤrde wegen meines guten Ingenii und geſchickter Fauſt, mit der Zeit ein guter Meiſter aus mir wer- den. Die Groß Mutter hatte ihre eintzige Freude an mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/260
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 446[246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/260>, abgerufen am 22.11.2024.