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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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mehr am Leben sey, ihn aber habe der Himmel
durch die Kräffte und Tugenden seiner universal-
Medicin,
stets gesund, frisch und starck erhalten,
so daß er sich über dieses Wunder, selbst niemahls
genug verwundern könte.

Jch weiß, sprach er hierauf, aus einer himmli-
schen Offenbarung gewiß, daß sich mein Leben
noch etwas über 120. Jahr erstrecken wird. Der
Vorrath von meinem kostbaren Schatze ist
zwar annoch so groß, daß ich mehr als vor 200000.
Thlr. Gold aus blosen Bley machen kan, allein
erschrecket nicht mein Sohn, wenn ich euch offen-
hertzig gestehe, daß mir nunmehro bey nahe seit ze-
hen Jahren her, nicht ein eintzigmahl möglich ge-
wesen den Lapidem so rite zu praepariren als vor
dem. Höret, was ich euch sage: Ach leyder! ich
bin vor fast zehen Jahren, in eine gantz besondere
Sünde gefallen, die niemand leichtlich errathen
wird, derowegen strafte mich der Himmel auf fri-
scher That, dergestalt, daß mir, so zu sagen, nur
ein kleiner Funcke von meinem sonst so vortreffli-
chen Gedächtnisse übrig blieb. Dem Himmel sey
1000. mahl gedanckt, daß ich diesen kleinen Funcken
nur noch darzu anwenden können, mich in der stren-
gesten Busse und Casteyung des Leibes vor dem
Himmel zu demüthigen, und eine neue heilige Le-
bens-Art anzufangen, denn nachhero, erlangete
ich zwar binnen zweyen Jahren, meinen ziemli-
chen Verstand und Gedächtniß wieder, allein, die
Praeparation des Lapidis war unmöglich wieder
auszusinnen. Derowegen brachte meine Zeit in
tiefster Traurigkeit des Geistes zu, ja ich hatte die

aller-

mehr am Leben ſey, ihn aber habe der Himmel
durch die Kraͤffte und Tugenden ſeiner univerſal-
Medicin,
ſtets geſund, friſch und ſtarck erhalten,
ſo daß er ſich uͤber dieſes Wunder, ſelbſt niemahls
genug verwundern koͤnte.

Jch weiß, ſprach er hierauf, aus einer himmli-
ſchen Offenbarung gewiß, daß ſich mein Leben
noch etwas uͤber 120. Jahr erſtrecken wird. Der
Vorrath von meinem koſtbaren Schatze iſt
zwar annoch ſo groß, daß ich mehr als vor 200000.
Thlr. Gold aus bloſen Bley machen kan, allein
erſchrecket nicht mein Sohn, wenn ich euch offen-
hertzig geſtehe, daß mir nunmehro bey nahe ſeit ze-
hen Jahren her, nicht ein eintzigmahl moͤglich ge-
weſen den Lapidem ſo rite zu præpariren als vor
dem. Hoͤret, was ich euch ſage: Ach leyder! ich
bin vor faſt zehen Jahren, in eine gantz beſondere
Suͤnde gefallen, die niemand leichtlich errathen
wird, derowegen ſtrafte mich der Himmel auf fri-
ſcher That, dergeſtalt, daß mir, ſo zu ſagen, nur
ein kleiner Funcke von meinem ſonſt ſo vortreffli-
chen Gedaͤchtniſſe uͤbrig blieb. Dem Himmel ſey
1000. mahl gedanckt, daß ich dieſen kleinen Funcken
nur noch darzu anwenden koͤnnen, mich in der ſtren-
geſten Buſſe und Caſteyung des Leibes vor dem
Himmel zu demuͤthigen, und eine neue heilige Le-
bens-Art anzufangen, denn nachhero, erlangete
ich zwar binnen zweyen Jahren, meinen ziemli-
chen Verſtand und Gedaͤchtniß wieder, allein, die
Præparation des Lapidis war unmoͤglich wieder
auszuſinnen. Derowegen brachte meine Zeit in
tiefſter Traurigkeit des Geiſtes zu, ja ich hatte die

aller-
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[271/0285] mehr am Leben ſey, ihn aber habe der Himmel durch die Kraͤffte und Tugenden ſeiner univerſal- Medicin, ſtets geſund, friſch und ſtarck erhalten, ſo daß er ſich uͤber dieſes Wunder, ſelbſt niemahls genug verwundern koͤnte. Jch weiß, ſprach er hierauf, aus einer himmli- ſchen Offenbarung gewiß, daß ſich mein Leben noch etwas uͤber 120. Jahr erſtrecken wird. Der Vorrath von meinem koſtbaren Schatze iſt zwar annoch ſo groß, daß ich mehr als vor 200000. Thlr. Gold aus bloſen Bley machen kan, allein erſchrecket nicht mein Sohn, wenn ich euch offen- hertzig geſtehe, daß mir nunmehro bey nahe ſeit ze- hen Jahren her, nicht ein eintzigmahl moͤglich ge- weſen den Lapidem ſo rite zu præpariren als vor dem. Hoͤret, was ich euch ſage: Ach leyder! ich bin vor faſt zehen Jahren, in eine gantz beſondere Suͤnde gefallen, die niemand leichtlich errathen wird, derowegen ſtrafte mich der Himmel auf fri- ſcher That, dergeſtalt, daß mir, ſo zu ſagen, nur ein kleiner Funcke von meinem ſonſt ſo vortreffli- chen Gedaͤchtniſſe uͤbrig blieb. Dem Himmel ſey 1000. mahl gedanckt, daß ich dieſen kleinen Funcken nur noch darzu anwenden koͤnnen, mich in der ſtren- geſten Buſſe und Caſteyung des Leibes vor dem Himmel zu demuͤthigen, und eine neue heilige Le- bens-Art anzufangen, denn nachhero, erlangete ich zwar binnen zweyen Jahren, meinen ziemli- chen Verſtand und Gedaͤchtniß wieder, allein, die Præparation des Lapidis war unmoͤglich wieder auszuſinnen. Derowegen brachte meine Zeit in tiefſter Traurigkeit des Geiſtes zu, ja ich hatte die aller-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/285>, abgerufen am 22.11.2024.