bends, nachdem wir alle unsere Mit-Arbeiter fort- geschickt, die Kirch-Thüren alle verschlossen, uns bey- de aber selbst eingeschlossen hatten, in ein enges Be- hältniß des neu gebaueten Orgel-Gehäuses ein, all- wo wir sehr unbequem sitzen, und kaum unsere mit hinein genommene Wein-Bouteille nebst dem Zwiebacke zum Munde führen konten. Jedoch wenn um damahlige Jahrs-Zeit sehr warme Näch- te waren, kam uns dergleichen Nacht-Wache nicht eben allzu beschwerlich an, nur dieses machte mir bange, daß wenn wir in diesem Gehäuse betroffen würden, uns vielleicht ein grösseres Verbrechen, nemlich die Kirchen-Räuberey schuld gegeben wer- den könte, über dieses war mir um die Mitter- nachts-Zeit ziemlich bange vor Gespenstern und Bethörungen, jedoch alle dergleichen fürchterliche Gedancken verschwanden, da gegen morgen das gantze Orgel-Chor von musicalischen Nonnen an- gefüllet wurde, denn es war eben das Fest der Heim- suchung Mariä zu feyern. Zeit Lebens hatte ich kei- ne angenehmere Music gehört als diese, welche von alten und jungen Nonnen gemacht wurde, jedoch ich glaube, daß die Einbildung auch sehr viel bey der Sache gethan hat. Sie spieleten nicht allein aller- hand Arten von Instrumenten, sondern die Vocal- Music war dermassen bestellet, daß ich vor Vergnü- gen immer in einen Klumpen zu sincken vermeinete, jedoch die Vernunfft raffelte sich endlich zusammen, da eine alte sehr runtzelige Nonne, mit der pene- trantesten Bass-Stimme eine Arie solo sunge, so bald aber eine andere, welche als Capell-Meisterin den Tact führete, mit einer, der allervortrefflichsten
Nach-
y 4
bends, nachdem wir alle unſere Mit-Arbeiter fort- geſchickt, die Kirch-Thuͤren alle verſchloſſen, uns bey- de aber ſelbſt eingeſchloſſen hatten, in ein enges Be- haͤltniß des neu gebaueten Orgel-Gehaͤuſes ein, all- wo wir ſehr unbequem ſitzen, und kaum unſere mit hinein genommene Wein-Bouteille nebſt dem Zwiebacke zum Munde fuͤhren konten. Jedoch wenn um damahlige Jahrs-Zeit ſehr warme Naͤch- te waren, kam uns dergleichen Nacht-Wache nicht eben allzu beſchwerlich an, nur dieſes machte mir bange, daß wenn wir in dieſem Gehaͤuſe betroffen wuͤrden, uns vielleicht ein groͤſſeres Verbrechen, nemlich die Kirchen-Raͤuberey ſchuld gegeben wer- den koͤnte, uͤber dieſes war mir um die Mitter- nachts-Zeit ziemlich bange vor Geſpenſtern und Bethoͤrungen, jedoch alle dergleichen fuͤrchterliche Gedancken verſchwanden, da gegen morgen das gantze Orgel-Chor von muſicaliſchen Nonnen an- gefuͤllet wurde, denn es war eben das Feſt der Heim- ſuchung Mariaͤ zu feyern. Zeit Lebens hatte ich kei- ne angenehmere Muſic gehoͤrt als dieſe, welche von alten und jungen Nonnen gemacht wurde, jedoch ich glaube, daß die Einbildung auch ſehr viel bey der Sache gethan hat. Sie ſpieleten nicht allein aller- hand Arten von Inſtrumenten, ſondern die Vocal- Muſic war dermaſſen beſtellet, daß ich vor Vergnuͤ- gen immer in einen Klumpen zu ſincken vermeinete, jedoch die Vernunfft raffelte ſich endlich zuſammen, da eine alte ſehr runtzelige Nonne, mit der pene- tranteſten Baſſ-Stimme eine Arie ſolo ſunge, ſo bald aber eine andere, welche als Capell-Meiſterin den Tact fuͤhrete, mit einer, der allervortrefflichſten
Nach-
y 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0357"n="343"/>
bends, nachdem wir alle unſere Mit-Arbeiter fort-<lb/>
geſchickt, die Kirch-Thuͤren alle verſchloſſen, uns bey-<lb/>
de aber ſelbſt eingeſchloſſen hatten, in ein enges Be-<lb/>
haͤltniß des neu gebaueten Orgel-Gehaͤuſes ein, all-<lb/>
wo wir ſehr unbequem ſitzen, und kaum unſere mit<lb/>
hinein genommene Wein-<hirendition="#aq">Bouteille</hi> nebſt dem<lb/>
Zwiebacke zum Munde fuͤhren konten. Jedoch<lb/>
wenn um damahlige Jahrs-Zeit ſehr warme Naͤch-<lb/>
te waren, kam uns dergleichen Nacht-Wache nicht<lb/>
eben allzu beſchwerlich an, nur dieſes machte mir<lb/>
bange, daß wenn wir in dieſem Gehaͤuſe betroffen<lb/>
wuͤrden, uns vielleicht ein groͤſſeres Verbrechen,<lb/>
nemlich die Kirchen-Raͤuberey ſchuld gegeben wer-<lb/>
den koͤnte, uͤber dieſes war mir um die Mitter-<lb/>
nachts-Zeit ziemlich bange vor Geſpenſtern und<lb/>
Bethoͤrungen, jedoch alle dergleichen fuͤrchterliche<lb/>
Gedancken verſchwanden, da gegen morgen das<lb/>
gantze Orgel-Chor von <hirendition="#aq">muſicali</hi>ſchen Nonnen an-<lb/>
gefuͤllet wurde, denn es war eben das Feſt der Heim-<lb/>ſuchung Mariaͤ zu feyern. Zeit Lebens hatte ich kei-<lb/>
ne angenehmere <hirendition="#aq">Muſic</hi> gehoͤrt als dieſe, welche von<lb/>
alten und jungen Nonnen gemacht wurde, jedoch ich<lb/>
glaube, daß die Einbildung auch ſehr viel bey der<lb/>
Sache gethan hat. Sie ſpieleten nicht allein aller-<lb/>
hand Arten von <hirendition="#aq">Inſtrument</hi>en, ſondern die <hirendition="#aq">Vocal-<lb/>
Muſic</hi> war dermaſſen beſtellet, daß ich vor Vergnuͤ-<lb/>
gen immer in einen Klumpen zu ſincken vermeinete,<lb/>
jedoch die Vernunfft raffelte ſich endlich zuſammen,<lb/>
da eine alte ſehr runtzelige Nonne, mit der <hirendition="#aq">pene-<lb/>
tranteſt</hi>en <hirendition="#aq">Baſſ-</hi>Stimme eine <hirendition="#aq">Arie ſolo</hi>ſunge, ſo<lb/>
bald aber eine andere, welche als <hirendition="#aq">Capell-</hi>Meiſterin<lb/>
den <hirendition="#aq">Tact</hi> fuͤhrete, mit einer, der allervortrefflichſten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">y 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nach-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[343/0357]
bends, nachdem wir alle unſere Mit-Arbeiter fort-
geſchickt, die Kirch-Thuͤren alle verſchloſſen, uns bey-
de aber ſelbſt eingeſchloſſen hatten, in ein enges Be-
haͤltniß des neu gebaueten Orgel-Gehaͤuſes ein, all-
wo wir ſehr unbequem ſitzen, und kaum unſere mit
hinein genommene Wein-Bouteille nebſt dem
Zwiebacke zum Munde fuͤhren konten. Jedoch
wenn um damahlige Jahrs-Zeit ſehr warme Naͤch-
te waren, kam uns dergleichen Nacht-Wache nicht
eben allzu beſchwerlich an, nur dieſes machte mir
bange, daß wenn wir in dieſem Gehaͤuſe betroffen
wuͤrden, uns vielleicht ein groͤſſeres Verbrechen,
nemlich die Kirchen-Raͤuberey ſchuld gegeben wer-
den koͤnte, uͤber dieſes war mir um die Mitter-
nachts-Zeit ziemlich bange vor Geſpenſtern und
Bethoͤrungen, jedoch alle dergleichen fuͤrchterliche
Gedancken verſchwanden, da gegen morgen das
gantze Orgel-Chor von muſicaliſchen Nonnen an-
gefuͤllet wurde, denn es war eben das Feſt der Heim-
ſuchung Mariaͤ zu feyern. Zeit Lebens hatte ich kei-
ne angenehmere Muſic gehoͤrt als dieſe, welche von
alten und jungen Nonnen gemacht wurde, jedoch ich
glaube, daß die Einbildung auch ſehr viel bey der
Sache gethan hat. Sie ſpieleten nicht allein aller-
hand Arten von Inſtrumenten, ſondern die Vocal-
Muſic war dermaſſen beſtellet, daß ich vor Vergnuͤ-
gen immer in einen Klumpen zu ſincken vermeinete,
jedoch die Vernunfft raffelte ſich endlich zuſammen,
da eine alte ſehr runtzelige Nonne, mit der pene-
tranteſten Baſſ-Stimme eine Arie ſolo ſunge, ſo
bald aber eine andere, welche als Capell-Meiſterin
den Tact fuͤhrete, mit einer, der allervortrefflichſten
Nach-
y 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/357>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.