Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach dem wir nun solcher gestalt 7. gantzer Tage
die Reise ziemlich hurtig fortgesetzt hatten, wurden
endlich in einem gantz grossen Closter zwey Tage
zum Ausruhen angewendet, ich aber befand mich in
einer festen Cammer eingesperret, durch deren wohl
verwahrte Fenster eine grosse See, wohlbestelltes
Feld, weit darvon aber ein grosser Wald zu betrach-
ten war. Nachts, wenig Stunden vor unserm wie-
der Abreisen, sagte einer von den jungen Jesuiten zu
mir: Nun Ketzer-Hund! Nun hast du hohe Zeit dich
zu bekehren, widrigenfalls wirst du, ehe noch 3. Ta-
ge vergehen, an einen solchen Ort gebracht werden,
wo allerhand schmertzliche Plagen deiner warten.
Jch überlasse mich, war meine Antwort, der Fügung
des Höchsten, der mir nicht mehr Trübsal auflegen
wird, als ich werde ertragen können, ja es ist ihm ein
geringes, mich unschuldige Creatur aus den Händen
meiner Pemiger, wo nicht auf andere Art, jedoch
durch einen sel. Tod zu erlösen. Wie kan sich doch,
versetzte der Bube hierauf, so eine verfluchte Ketzer-
Seele der Hülffe des Höchsten getrösten? Unter
diesen Worten aber schlug er mich mit der Hand
dergestalt ins Angesicht, daß mir das helle Blut aus
Mund und Nase lieff. Hierüber riß mein Gedult-
Faden plötzlich entzwey, also nahm ich den frechen
Buben beym Halse, riß ihn zu Boden und klopfte
seine Nase mit der vollen Faust so lange, bis sein Ge-
sicht, ebenfalls über und über mit Blut gefärbet war.
Jedoch ich hatte bald hernach Ursach genug, meine
Unbesonnenheit und jachzornige Ubereilung zu be-
reuen, denn als sein Camerad nebst den beyden Pa-
tribus
herzu kam, und ihnen mein Feind berichtete,

daß

Nach dem wir nun ſolcher geſtalt 7. gantzer Tage
die Reiſe ziemlich hurtig fortgeſetzt hatten, wurden
endlich in einem gantz groſſen Cloſter zwey Tage
zum Ausruhen angewendet, ich aber befand mich in
einer feſten Cammer eingeſperret, durch deren wohl
verwahrte Fenſter eine groſſe See, wohlbeſtelltes
Feld, weit darvon aber ein groſſer Wald zu betrach-
ten war. Nachts, wenig Stunden vor unſerm wie-
der Abreiſen, ſagte einer von den jungen Jeſuiten zu
mir: Nun Ketzer-Hund! Nun haſt du hohe Zeit dich
zu bekehren, widrigenfalls wirſt du, ehe noch 3. Ta-
ge vergehen, an einen ſolchen Ort gebracht werden,
wo allerhand ſchmertzliche Plagen deiner warten.
Jch uͤberlaſſe mich, war meine Antwort, der Fuͤgung
des Hoͤchſten, der mir nicht mehr Truͤbſal auflegen
wird, als ich werde ertragen koͤnnen, ja es iſt ihm ein
geringes, mich unſchuldige Creatur aus den Haͤnden
meiner Pemiger, wo nicht auf andere Art, jedoch
durch einen ſel. Tod zu erloͤſen. Wie kan ſich doch,
verſetzte der Bube hierauf, ſo eine verfluchte Ketzer-
Seele der Huͤlffe des Hoͤchſten getroͤſten? Unter
dieſen Worten aber ſchlug er mich mit der Hand
dergeſtalt ins Angeſicht, daß mir das helle Blut aus
Mund und Naſe lieff. Hieruͤber riß mein Gedult-
Faden ploͤtzlich entzwey, alſo nahm ich den frechen
Buben beym Halſe, riß ihn zu Boden und klopfte
ſeine Naſe mit der vollen Fauſt ſo lange, bis ſein Ge-
ſicht, ebenfalls uͤber und uͤber mit Blut gefaͤrbet war.
Jedoch ich hatte bald hernach Urſach genug, meine
Unbeſonnenheit und jachzornige Ubereilung zu be-
reuen, denn als ſein Camerad nebſt den beyden Pa-
tribus
herzu kam, und ihnen mein Feind berichtete,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0040" n="26"/>
          <p>Nach dem wir nun &#x017F;olcher ge&#x017F;talt 7. gantzer Tage<lb/>
die Rei&#x017F;e ziemlich hurtig fortge&#x017F;etzt hatten, wurden<lb/>
endlich in einem gantz gro&#x017F;&#x017F;en Clo&#x017F;ter zwey Tage<lb/>
zum Ausruhen angewendet, ich aber befand mich in<lb/>
einer fe&#x017F;ten Cammer einge&#x017F;perret, durch deren wohl<lb/>
verwahrte Fen&#x017F;ter eine gro&#x017F;&#x017F;e See, wohlbe&#x017F;telltes<lb/>
Feld, weit darvon aber ein gro&#x017F;&#x017F;er Wald zu betrach-<lb/>
ten war. Nachts, wenig Stunden vor un&#x017F;erm wie-<lb/>
der Abrei&#x017F;en, &#x017F;agte einer von den jungen <hi rendition="#aq">Je&#x017F;uit</hi>en zu<lb/>
mir: Nun Ketzer-Hund! Nun ha&#x017F;t du hohe Zeit dich<lb/>
zu bekehren, widrigenfalls wir&#x017F;t du, ehe noch 3. Ta-<lb/>
ge vergehen, an einen &#x017F;olchen Ort gebracht werden,<lb/>
wo allerhand &#x017F;chmertzliche Plagen deiner warten.<lb/>
Jch u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e mich, war meine Antwort, der Fu&#x0364;gung<lb/>
des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten, der mir nicht mehr Tru&#x0364;b&#x017F;al auflegen<lb/>
wird, als ich werde ertragen ko&#x0364;nnen, ja es i&#x017F;t ihm ein<lb/>
geringes, mich un&#x017F;chuldige Creatur aus den Ha&#x0364;nden<lb/>
meiner Pemiger, wo nicht auf andere Art, jedoch<lb/>
durch einen &#x017F;el. Tod zu erlo&#x0364;&#x017F;en. Wie kan &#x017F;ich doch,<lb/>
ver&#x017F;etzte der Bube hierauf, &#x017F;o eine verfluchte Ketzer-<lb/>
Seele der Hu&#x0364;lffe des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten getro&#x0364;&#x017F;ten? Unter<lb/>
die&#x017F;en Worten aber &#x017F;chlug er mich mit der Hand<lb/>
derge&#x017F;talt ins Ange&#x017F;icht, daß mir das helle Blut aus<lb/>
Mund und Na&#x017F;e lieff. Hieru&#x0364;ber riß mein Gedult-<lb/>
Faden plo&#x0364;tzlich entzwey, al&#x017F;o nahm ich den frechen<lb/>
Buben beym Hal&#x017F;e, riß ihn zu Boden und klopfte<lb/>
&#x017F;eine Na&#x017F;e mit der vollen Fau&#x017F;t &#x017F;o lange, bis &#x017F;ein Ge-<lb/>
&#x017F;icht, ebenfalls u&#x0364;ber und u&#x0364;ber mit Blut gefa&#x0364;rbet war.<lb/>
Jedoch ich hatte bald hernach Ur&#x017F;ach genug, meine<lb/>
Unbe&#x017F;onnenheit und jachzornige Ubereilung zu be-<lb/>
reuen, denn als &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Camerad</hi> neb&#x017F;t den beyden <hi rendition="#aq">Pa-<lb/>
tribus</hi> herzu kam, und ihnen mein Feind berichtete,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0040] Nach dem wir nun ſolcher geſtalt 7. gantzer Tage die Reiſe ziemlich hurtig fortgeſetzt hatten, wurden endlich in einem gantz groſſen Cloſter zwey Tage zum Ausruhen angewendet, ich aber befand mich in einer feſten Cammer eingeſperret, durch deren wohl verwahrte Fenſter eine groſſe See, wohlbeſtelltes Feld, weit darvon aber ein groſſer Wald zu betrach- ten war. Nachts, wenig Stunden vor unſerm wie- der Abreiſen, ſagte einer von den jungen Jeſuiten zu mir: Nun Ketzer-Hund! Nun haſt du hohe Zeit dich zu bekehren, widrigenfalls wirſt du, ehe noch 3. Ta- ge vergehen, an einen ſolchen Ort gebracht werden, wo allerhand ſchmertzliche Plagen deiner warten. Jch uͤberlaſſe mich, war meine Antwort, der Fuͤgung des Hoͤchſten, der mir nicht mehr Truͤbſal auflegen wird, als ich werde ertragen koͤnnen, ja es iſt ihm ein geringes, mich unſchuldige Creatur aus den Haͤnden meiner Pemiger, wo nicht auf andere Art, jedoch durch einen ſel. Tod zu erloͤſen. Wie kan ſich doch, verſetzte der Bube hierauf, ſo eine verfluchte Ketzer- Seele der Huͤlffe des Hoͤchſten getroͤſten? Unter dieſen Worten aber ſchlug er mich mit der Hand dergeſtalt ins Angeſicht, daß mir das helle Blut aus Mund und Naſe lieff. Hieruͤber riß mein Gedult- Faden ploͤtzlich entzwey, alſo nahm ich den frechen Buben beym Halſe, riß ihn zu Boden und klopfte ſeine Naſe mit der vollen Fauſt ſo lange, bis ſein Ge- ſicht, ebenfalls uͤber und uͤber mit Blut gefaͤrbet war. Jedoch ich hatte bald hernach Urſach genug, meine Unbeſonnenheit und jachzornige Ubereilung zu be- reuen, denn als ſein Camerad nebſt den beyden Pa- tribus herzu kam, und ihnen mein Feind berichtete, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/40
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/40>, abgerufen am 21.11.2024.