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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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meinem Stief-Vater verursachten Todes, diese
Sorgfalt, mich fest zu halten, angewendet, fieng ich
aufs erbärmlichste zu seuffzen und zu klagen an,
und bat die Anwesenden mit Thränen, mir die Hän-
de und Füsse nur auf eine eintzige Stunde frey zu
lassen, damit ich so lange Zeit ein wenig auf der Sei-
te liegen könte, denn mein Rücken war fast lauter
roh Fleisch, und brennete dermassen schmertzlich,
als ob lauter glüende Kohlen unter mir gelegen hät-
ten. Allein, man trauete mir nicht, sondern ich muste
die Marter noch lange erdulden, biß des Morgens
früh noch etliche starcke Leute ankamen, um meiner
Gewalt auf den Noth-Fall desto besser zu widerste-
hen. Aber die guten Leute hätten dergleichen Furcht
nicht nöthig gehabt, denn ich war nunmehro weit
unkräfftiger als eine Fliege, und gab die vernünff-
tigsten und besten Worte, erfuhr immittelst zu eini-
ger Beruhigung, daß ich keines Verbrechens, son-
dern nur meiner Raserey wegen geschlossen worden.
Man legte mich auf die Seite, weßwegen ich in et-
was Ruhe und Linderung empfand, bald darauf
aber folgende Gedancken bekam: Du gerechter
GOtt! wie lang und grausam schmertzlich ist mir
nicht die vergangene halbe Nacht vorgekommen, da
ich mich doch nur auf dem Rücken etwas durchgele-
gen habe? was ist dieses kurtze Stück der Zeit gegen
die unendliche Ewigkeit, und was sind diese Schmer-
tzen gegen die unaussprechliche Pein zu rechnen, die
allen Gottlosen, ja allen solchen, die noch wohl
1000. mahl weniger Sünde als ich begangen haben,
bereitet ist. Nun fiel mir auf einmahl wieder ein,
was ich in meiner Jugend von dem jüngsten Gerich-

te,

meinem Stief-Vater verurſachten Todes, dieſe
Sorgfalt, mich feſt zu halten, angewendet, fieng ich
aufs erbaͤrmlichſte zu ſeuffzen und zu klagen an,
und bat die Anweſenden mit Thraͤnen, mir die Haͤn-
de und Fuͤſſe nur auf eine eintzige Stunde frey zu
laſſen, damit ich ſo lange Zeit ein wenig auf der Sei-
te liegen koͤnte, denn mein Ruͤcken war faſt lauter
roh Fleiſch, und brennete dermaſſen ſchmertzlich,
als ob lauter gluͤende Kohlen unter mir gelegen haͤt-
ten. Allein, man trauete mir nicht, ſondern ich muſte
die Marter noch lange erdulden, biß des Morgens
fruͤh noch etliche ſtarcke Leute ankamen, um meiner
Gewalt auf den Noth-Fall deſto beſſer zu widerſte-
hen. Aber die guten Leute haͤtten dergleichen Furcht
nicht noͤthig gehabt, denn ich war nunmehro weit
unkraͤfftiger als eine Fliege, und gab die vernuͤnff-
tigſten und beſten Worte, erfuhr immittelſt zu eini-
ger Beruhigung, daß ich keines Verbrechens, ſon-
dern nur meiner Raſerey wegen geſchloſſen worden.
Man legte mich auf die Seite, weßwegen ich in et-
was Ruhe und Linderung empfand, bald darauf
aber folgende Gedancken bekam: Du gerechter
GOtt! wie lang und grauſam ſchmertzlich iſt mir
nicht die vergangene halbe Nacht vorgekommen, da
ich mich doch nur auf dem Ruͤcken etwas durchgele-
gen habe? was iſt dieſes kurtze Stuͤck der Zeit gegen
die unendliche Ewigkeit, und was ſind dieſe Schmer-
tzen gegen die unausſprechliche Pein zu rechnen, die
allen Gottloſen, ja allen ſolchen, die noch wohl
1000. mahl weniger Suͤnde als ich begangen haben,
bereitet iſt. Nun fiel mir auf einmahl wieder ein,
was ich in meiner Jugend von dem juͤngſten Gerich-

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[394/0408] meinem Stief-Vater verurſachten Todes, dieſe Sorgfalt, mich feſt zu halten, angewendet, fieng ich aufs erbaͤrmlichſte zu ſeuffzen und zu klagen an, und bat die Anweſenden mit Thraͤnen, mir die Haͤn- de und Fuͤſſe nur auf eine eintzige Stunde frey zu laſſen, damit ich ſo lange Zeit ein wenig auf der Sei- te liegen koͤnte, denn mein Ruͤcken war faſt lauter roh Fleiſch, und brennete dermaſſen ſchmertzlich, als ob lauter gluͤende Kohlen unter mir gelegen haͤt- ten. Allein, man trauete mir nicht, ſondern ich muſte die Marter noch lange erdulden, biß des Morgens fruͤh noch etliche ſtarcke Leute ankamen, um meiner Gewalt auf den Noth-Fall deſto beſſer zu widerſte- hen. Aber die guten Leute haͤtten dergleichen Furcht nicht noͤthig gehabt, denn ich war nunmehro weit unkraͤfftiger als eine Fliege, und gab die vernuͤnff- tigſten und beſten Worte, erfuhr immittelſt zu eini- ger Beruhigung, daß ich keines Verbrechens, ſon- dern nur meiner Raſerey wegen geſchloſſen worden. Man legte mich auf die Seite, weßwegen ich in et- was Ruhe und Linderung empfand, bald darauf aber folgende Gedancken bekam: Du gerechter GOtt! wie lang und grauſam ſchmertzlich iſt mir nicht die vergangene halbe Nacht vorgekommen, da ich mich doch nur auf dem Ruͤcken etwas durchgele- gen habe? was iſt dieſes kurtze Stuͤck der Zeit gegen die unendliche Ewigkeit, und was ſind dieſe Schmer- tzen gegen die unausſprechliche Pein zu rechnen, die allen Gottloſen, ja allen ſolchen, die noch wohl 1000. mahl weniger Suͤnde als ich begangen haben, bereitet iſt. Nun fiel mir auf einmahl wieder ein, was ich in meiner Jugend von dem juͤngſten Gerich- te,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/408>, abgerufen am 28.11.2024.