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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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lichen Tugenden war, abspenstig gemacht, und an
einen andern verheyrathet wurde. Jch war schon
gewisser massen mit derselben würcklich verspro-
chen, that derowegen einen Einspruch, konte aber
nichts erhalten, weil sich die Eltern aufs leugnen
legten, und die Tochter, welche es doch im Her-
tzen treulich mit mir meinen mochte, ebenfalls
zum Lügen verführeten. Da nun vollends bey
der letztern vermerckte, daß sie ihren Bräutigam
gezwungener weise annehmen müsse, trieb mich
die Eyfersucht fo weit, daß ich denselben Nachts
vor der Hochzeit erstechen wolte, allein, GOTT
verhütete dieses Unglück solchergestalt, daß ich
ihn nur durch das dicke Bein stach, mich nach-
hero auf die Flucht begab, und vieles von meinem
Handwercks-Geräthe zurück ließ. Jedoch hatte
die Vorsicht gebraucht, alles mein Geld zu mir zu
nehmen, und die besten Sachen, bey meinen Ad-
vocat
en in Verwahrung zu geben, denn der Re-
ctor,
mein Pflege-Vater, war nur vor wenig
Wochen im hohen Alter verstorben. Der Advo-
cat
war dennoch so ehrlich, mir die Sachen auf der
Post bis Braunschweig nach zuschicken, nebst einer
schrifftlichen Erinnerung, daß ich in GOttes Nah-
men, mein Glück in einer andern Stadt suchen
möchte, weil es im Vaterlande nicht zu blühen,
sondern wegen der letztern Affaire vollends gäntz-
lich verderbt zu seyn, schiene. Jch ging nachhero
auf Bremen zu, allwo ich bey dem Meister, der
mir von etlichen Jahren sehr gewogen gewesen, eine
junge, schöne und reiche Tochter wußte, die ich ihm
abzuverdienen gedachte. Der schlaue Fuchs merckte

mein

lichen Tugenden war, abſpenſtig gemacht, und an
einen andern verheyrathet wurde. Jch war ſchon
gewiſſer maſſen mit derſelben wuͤrcklich verſpro-
chen, that derowegen einen Einſpruch, konte aber
nichts erhalten, weil ſich die Eltern aufs leugnen
legten, und die Tochter, welche es doch im Her-
tzen treulich mit mir meinen mochte, ebenfalls
zum Luͤgen verfuͤhreten. Da nun vollends bey
der letztern vermerckte, daß ſie ihren Braͤutigam
gezwungener weiſe annehmen muͤſſe, trieb mich
die Eyferſucht fo weit, daß ich denſelben Nachts
vor der Hochzeit erſtechen wolte, allein, GOTT
verhuͤtete dieſes Ungluͤck ſolchergeſtalt, daß ich
ihn nur durch das dicke Bein ſtach, mich nach-
hero auf die Flucht begab, und vieles von meinem
Handwercks-Geraͤthe zuruͤck ließ. Jedoch hatte
die Vorſicht gebraucht, alles mein Geld zu mir zu
nehmen, und die beſten Sachen, bey meinen Ad-
vocat
en in Verwahrung zu geben, denn der Re-
ctor,
mein Pflege-Vater, war nur vor wenig
Wochen im hohen Alter verſtorben. Der Advo-
cat
war dennoch ſo ehrlich, mir die Sachen auf der
Poſt bis Braunſchweig nach zuſchicken, nebſt einer
ſchrifftlichen Erinnerung, daß ich in GOttes Nah-
men, mein Gluͤck in einer andern Stadt ſuchen
moͤchte, weil es im Vaterlande nicht zu bluͤhen,
ſondern wegen der letztern Affaire vollends gaͤntz-
lich verderbt zu ſeyn, ſchiene. Jch ging nachhero
auf Bremen zu, allwo ich bey dem Meiſter, der
mir von etlichen Jahren ſehr gewogen geweſen, eine
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abzuverdienen gedachte. Der ſchlaue Fuchs merckte

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[418/0432] lichen Tugenden war, abſpenſtig gemacht, und an einen andern verheyrathet wurde. Jch war ſchon gewiſſer maſſen mit derſelben wuͤrcklich verſpro- chen, that derowegen einen Einſpruch, konte aber nichts erhalten, weil ſich die Eltern aufs leugnen legten, und die Tochter, welche es doch im Her- tzen treulich mit mir meinen mochte, ebenfalls zum Luͤgen verfuͤhreten. Da nun vollends bey der letztern vermerckte, daß ſie ihren Braͤutigam gezwungener weiſe annehmen muͤſſe, trieb mich die Eyferſucht fo weit, daß ich denſelben Nachts vor der Hochzeit erſtechen wolte, allein, GOTT verhuͤtete dieſes Ungluͤck ſolchergeſtalt, daß ich ihn nur durch das dicke Bein ſtach, mich nach- hero auf die Flucht begab, und vieles von meinem Handwercks-Geraͤthe zuruͤck ließ. Jedoch hatte die Vorſicht gebraucht, alles mein Geld zu mir zu nehmen, und die beſten Sachen, bey meinen Ad- vocaten in Verwahrung zu geben, denn der Re- ctor, mein Pflege-Vater, war nur vor wenig Wochen im hohen Alter verſtorben. Der Advo- cat war dennoch ſo ehrlich, mir die Sachen auf der Poſt bis Braunſchweig nach zuſchicken, nebſt einer ſchrifftlichen Erinnerung, daß ich in GOttes Nah- men, mein Gluͤck in einer andern Stadt ſuchen moͤchte, weil es im Vaterlande nicht zu bluͤhen, ſondern wegen der letztern Affaire vollends gaͤntz- lich verderbt zu ſeyn, ſchiene. Jch ging nachhero auf Bremen zu, allwo ich bey dem Meiſter, der mir von etlichen Jahren ſehr gewogen geweſen, eine junge, ſchoͤne und reiche Tochter wußte, die ich ihm abzuverdienen gedachte. Der ſchlaue Fuchs merckte mein

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/432>, abgerufen am 15.06.2024.