Schneider-Meister in der Stadt war, in die Lehre zu treten, ohngeacht mein gantzes Hertze, ich weiß nicht warum, einen hefftigen Eckel vor diesem Hand- wercke hatte.
Es verdroß mich hefftig, daß ich nunmehro erst- lich gantz von neuen anfangen, und einen Schnei- der Jungen abgeben solte, allein, die Lehre wäh- rete nicht viel über 6. Wochen, denn so bald sich mein hochtrabender Herr Schwager ein wenig zu mausig machen, und mich, der ich schon vor Geselle arbeiten, auch zur Noth ein Kleid zuschneiden kon- te, allzu Jungenhafft tractiren wolte, warff ich ihm eines Tages die Scheere nach dem Kopfe, und lieff zu meinem andern Schwager dem Leinweber. Dieser mißbilligte des Schneiders hochtrabendes Verfahren, und beredete mich, bey ihm als Leinwe- ber in die Lehre zu treten, mit dem Versprechen, mich täglich noch ein paar Stunden im Schreiben, Rech- nen und Latein informiren zu lassen, damit ich mit der Zeit etwa die Hand nach einem Ehren-Amte ausstrecken könte. Uber dieses ließ er mich, aus sei- nun alten blauen Mantel, von Fuß auf neue kleiden, und diese, Manu mea, gemachte Montur, stund mir in meinen eigenen Augen dermassen wohl an, daß ich nicht geringe Ursache zu haben vermeinete, mir etwas rechts einzubilden.
Jmmittelst schien es doch, als ob es mir bey diesem Schwager besser gefallen wolte als bey dem ersten, denn ich durffte nur nach Belieben, so viel als ich wolte, arbeiten, und weil er etliche Gesellen sitzen hatte, die die schönsten Arten von Damasken
und
Schneider-Meiſter in der Stadt war, in die Lehre zu treten, ohngeacht mein gantzes Hertze, ich weiß nicht warum, einen hefftigen Eckel vor dieſem Hand- wercke hatte.
Es verdroß mich hefftig, daß ich nunmehro erſt- lich gantz von neuen anfangen, und einen Schnei- der Jungen abgeben ſolte, allein, die Lehre waͤh- rete nicht viel uͤber 6. Wochen, denn ſo bald ſich mein hochtrabender Herr Schwager ein wenig zu mauſig machen, und mich, der ich ſchon vor Geſelle arbeiten, auch zur Noth ein Kleid zuſchneiden kon- te, allzu Jungenhafft tractiren wolte, warff ich ihm eines Tages die Scheere nach dem Kopfe, und lieff zu meinem andern Schwager dem Leinweber. Dieſer mißbilligte des Schneiders hochtrabendes Verfahren, und beredete mich, bey ihm als Leinwe- ber in die Lehre zu treten, mit dem Verſprechen, mich taͤglich noch ein paar Stunden im Schreiben, Rech- nen und Latein informiren zu laſſen, damit ich mit der Zeit etwa die Hand nach einem Ehren-Amte ausſtrecken koͤnte. Uber dieſes ließ er mich, aus ſei- nun alten blauen Mantel, von Fuß auf neue kleiden, und dieſe, Manu mea, gemachte Montur, ſtund mir in meinen eigenen Augen dermaſſen wohl an, daß ich nicht geringe Urſache zu haben vermeinete, mir etwas rechts einzubilden.
Jmmittelſt ſchien es doch, als ob es mir bey dieſem Schwager beſſer gefallen wolte als bey dem erſten, denn ich durffte nur nach Belieben, ſo viel als ich wolte, arbeiten, und weil er etliche Geſellen ſitzen hatte, die die ſchoͤnſten Arten von Damasken
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Schneider-Meiſter in der Stadt war, in die Lehre
zu treten, ohngeacht mein gantzes Hertze, ich weiß
nicht warum, einen hefftigen Eckel vor dieſem Hand-
wercke hatte.
Es verdroß mich hefftig, daß ich nunmehro erſt-
lich gantz von neuen anfangen, und einen Schnei-
der Jungen abgeben ſolte, allein, die Lehre waͤh-
rete nicht viel uͤber 6. Wochen, denn ſo bald ſich
mein hochtrabender Herr Schwager ein wenig zu
mauſig machen, und mich, der ich ſchon vor Geſelle
arbeiten, auch zur Noth ein Kleid zuſchneiden kon-
te, allzu Jungenhafft tractiren wolte, warff ich
ihm eines Tages die Scheere nach dem Kopfe, und
lieff zu meinem andern Schwager dem Leinweber.
Dieſer mißbilligte des Schneiders hochtrabendes
Verfahren, und beredete mich, bey ihm als Leinwe-
ber in die Lehre zu treten, mit dem Verſprechen, mich
taͤglich noch ein paar Stunden im Schreiben, Rech-
nen und Latein informiren zu laſſen, damit ich mit
der Zeit etwa die Hand nach einem Ehren-Amte
ausſtrecken koͤnte. Uber dieſes ließ er mich, aus ſei-
nun alten blauen Mantel, von Fuß auf neue kleiden,
und dieſe, Manu mea, gemachte Montur, ſtund mir
in meinen eigenen Augen dermaſſen wohl an, daß ich
nicht geringe Urſache zu haben vermeinete, mir etwas
rechts einzubilden.
Jmmittelſt ſchien es doch, als ob es mir bey
dieſem Schwager beſſer gefallen wolte als bey dem
erſten, denn ich durffte nur nach Belieben, ſo viel
als ich wolte, arbeiten, und weil er etliche Geſellen
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/442>, abgerufen am 27.11.2024.
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