Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

selbige so wohl als der Stief-Vater, weder diesen
noch folgenden Tag einstellen. Wir schliefen am
Char-Freytage, bis fast gegen Mittag, da ich mich
aber endlich befürchtete, der Vater oder Mutter
möchten mir bey ihrem plötzlichen Eintritt in die kal-
te Stube, einen üblen guten Morgen bieten, er-
huben sich die ausgeruheten Glieder aus dem, nicht
mit Schwans-sondern Schweins-Federn ausge-
stopften Bette, wornach ich mich bemühete eine tüch-
tige warme Stube zu machen, jedoch, weil ich ein
wenig gar zu viel dürres Reiß-Holtz und Späne in
den Ofen mochte gesteckt haben, schlug die Flamme
dergestalt plötzlich zum Ofen heraus, daß ich mich
genöthiget sahe, vor Angst und Schrecken, Feuer zu
schreyen. Mein jüngerer Bruder lieff im blosen
Hemde zum Hause heraus in eine andere Woh-
nung, mir aber, der ich schon etwas Wasser in den
Ofen gegossen, kamen noch andere Leute, und zwar
eben zu rechter Zeit zu Hülffe, denn das Feuer hatte
schon oben zwey oder drey Balcken angezündet, je-
dennoch wurde in der Geschwindigkeit alles völlig
gelöschet. Dem ohngeacht kam fast alles Volck
aus dem Dorffe zusammen gelauffen, ihrer etliche
schryen: Werffet die Mord-Brenner ins Feuer;
andete: Lasset uns die Bettel-Bagage ins - - -
Nahmen verbrennen; Wieder andere, die mich von
ferne, als einen Koch, der den Brey verdorben, mit
niedergeschlagenen Kopfe stehen sahen, riefen:
Haschet, haschet doch jenen größten Schelm, haltet
ihn fest, daß er nicht entlauffe.

Bey so gestalten Sachen, hielte ich, meiner da-
mahligen grossen Einfalt ohngeacht, dennoch dar-

vor
g g 4

ſelbige ſo wohl als der Stief-Vater, weder dieſen
noch folgenden Tag einſtellen. Wir ſchliefen am
Char-Freytage, bis faſt gegen Mittag, da ich mich
aber endlich befuͤrchtete, der Vater oder Mutter
moͤchten mir bey ihrem ploͤtzlichen Eintritt in die kal-
te Stube, einen uͤblen guten Morgen bieten, er-
huben ſich die ausgeruheten Glieder aus dem, nicht
mit Schwans-ſondern Schweins-Federn ausge-
ſtopften Bette, wornach ich mich bemuͤhete eine tuͤch-
tige warme Stube zu machen, jedoch, weil ich ein
wenig gar zu viel duͤrres Reiß-Holtz und Spaͤne in
den Ofen mochte geſteckt haben, ſchlug die Flamme
dergeſtalt ploͤtzlich zum Ofen heraus, daß ich mich
genoͤthiget ſahe, vor Angſt und Schrecken, Feuer zu
ſchreyen. Mein juͤngerer Bruder lieff im bloſen
Hemde zum Hauſe heraus in eine andere Woh-
nung, mir aber, der ich ſchon etwas Waſſer in den
Ofen gegoſſen, kamen noch andere Leute, und zwar
eben zu rechter Zeit zu Huͤlffe, denn das Feuer hatte
ſchon oben zwey oder drey Balcken angezuͤndet, je-
dennoch wurde in der Geſchwindigkeit alles voͤllig
geloͤſchet. Dem ohngeacht kam faſt alles Volck
aus dem Dorffe zuſammen gelauffen, ihrer etliche
ſchryen: Werffet die Mord-Brenner ins Feuer;
andete: Laſſet uns die Bettel-Bagage ins ‒ ‒ ‒
Nahmen verbrennen; Wieder andere, die mich von
ferne, als einen Koch, der den Brey verdorben, mit
niedergeſchlagenen Kopfe ſtehen ſahen, riefen:
Haſchet, haſchet doch jenen groͤßten Schelm, haltet
ihn feſt, daß er nicht entlauffe.

Bey ſo geſtalten Sachen, hielte ich, meiner da-
mahligen groſſen Einfalt ohngeacht, dennoch dar-

vor
g g 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0487" n="471"/>
&#x017F;elbige &#x017F;o wohl als der Stief-Vater, weder die&#x017F;en<lb/>
noch folgenden Tag ein&#x017F;tellen. Wir &#x017F;chliefen am<lb/>
Char-Freytage, bis fa&#x017F;t gegen Mittag, da ich mich<lb/>
aber endlich befu&#x0364;rchtete, der Vater oder Mutter<lb/>
mo&#x0364;chten mir bey ihrem plo&#x0364;tzlichen Eintritt in die kal-<lb/>
te Stube, einen u&#x0364;blen guten Morgen bieten, er-<lb/>
huben &#x017F;ich die ausgeruheten Glieder aus dem, nicht<lb/>
mit Schwans-&#x017F;ondern Schweins-Federn ausge-<lb/>
&#x017F;topften Bette, wornach ich mich bemu&#x0364;hete eine tu&#x0364;ch-<lb/>
tige warme Stube zu machen, jedoch, weil ich ein<lb/>
wenig gar zu viel du&#x0364;rres Reiß-Holtz und Spa&#x0364;ne in<lb/>
den Ofen mochte ge&#x017F;teckt haben, &#x017F;chlug die Flamme<lb/>
derge&#x017F;talt plo&#x0364;tzlich zum Ofen heraus, daß ich mich<lb/>
geno&#x0364;thiget &#x017F;ahe, vor Ang&#x017F;t und Schrecken, Feuer zu<lb/>
&#x017F;chreyen. Mein ju&#x0364;ngerer Bruder lieff im blo&#x017F;en<lb/>
Hemde zum Hau&#x017F;e heraus in eine andere Woh-<lb/>
nung, mir aber, der ich &#x017F;chon etwas Wa&#x017F;&#x017F;er in den<lb/>
Ofen gego&#x017F;&#x017F;en, kamen noch andere Leute, und zwar<lb/>
eben zu rechter Zeit zu Hu&#x0364;lffe, denn das Feuer hatte<lb/>
&#x017F;chon oben zwey oder drey Balcken angezu&#x0364;ndet, je-<lb/>
dennoch wurde in der Ge&#x017F;chwindigkeit alles vo&#x0364;llig<lb/>
gelo&#x0364;&#x017F;chet. Dem ohngeacht kam fa&#x017F;t alles Volck<lb/>
aus dem Dorffe zu&#x017F;ammen gelauffen, ihrer etliche<lb/>
&#x017F;chryen: Werffet die Mord-Brenner ins Feuer;<lb/>
andete: La&#x017F;&#x017F;et uns die Bettel-<hi rendition="#aq">Bagage</hi> ins &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Nahmen verbrennen; Wieder andere, die mich von<lb/>
ferne, als einen Koch, der den Brey verdorben, mit<lb/>
niederge&#x017F;chlagenen Kopfe &#x017F;tehen &#x017F;ahen, riefen:<lb/>
Ha&#x017F;chet, ha&#x017F;chet doch jenen gro&#x0364;ßten Schelm, haltet<lb/>
ihn fe&#x017F;t, daß er nicht entlauffe.</p><lb/>
            <p>Bey &#x017F;o ge&#x017F;talten Sachen, hielte ich, meiner da-<lb/>
mahligen gro&#x017F;&#x017F;en Einfalt ohngeacht, dennoch dar-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">g g 4</fw><fw place="bottom" type="catch">vor</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0487] ſelbige ſo wohl als der Stief-Vater, weder dieſen noch folgenden Tag einſtellen. Wir ſchliefen am Char-Freytage, bis faſt gegen Mittag, da ich mich aber endlich befuͤrchtete, der Vater oder Mutter moͤchten mir bey ihrem ploͤtzlichen Eintritt in die kal- te Stube, einen uͤblen guten Morgen bieten, er- huben ſich die ausgeruheten Glieder aus dem, nicht mit Schwans-ſondern Schweins-Federn ausge- ſtopften Bette, wornach ich mich bemuͤhete eine tuͤch- tige warme Stube zu machen, jedoch, weil ich ein wenig gar zu viel duͤrres Reiß-Holtz und Spaͤne in den Ofen mochte geſteckt haben, ſchlug die Flamme dergeſtalt ploͤtzlich zum Ofen heraus, daß ich mich genoͤthiget ſahe, vor Angſt und Schrecken, Feuer zu ſchreyen. Mein juͤngerer Bruder lieff im bloſen Hemde zum Hauſe heraus in eine andere Woh- nung, mir aber, der ich ſchon etwas Waſſer in den Ofen gegoſſen, kamen noch andere Leute, und zwar eben zu rechter Zeit zu Huͤlffe, denn das Feuer hatte ſchon oben zwey oder drey Balcken angezuͤndet, je- dennoch wurde in der Geſchwindigkeit alles voͤllig geloͤſchet. Dem ohngeacht kam faſt alles Volck aus dem Dorffe zuſammen gelauffen, ihrer etliche ſchryen: Werffet die Mord-Brenner ins Feuer; andete: Laſſet uns die Bettel-Bagage ins ‒ ‒ ‒ Nahmen verbrennen; Wieder andere, die mich von ferne, als einen Koch, der den Brey verdorben, mit niedergeſchlagenen Kopfe ſtehen ſahen, riefen: Haſchet, haſchet doch jenen groͤßten Schelm, haltet ihn feſt, daß er nicht entlauffe. Bey ſo geſtalten Sachen, hielte ich, meiner da- mahligen groſſen Einfalt ohngeacht, dennoch dar- vor g g 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/487
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/487>, abgerufen am 22.11.2024.