solches noch nicht einmahl völlig geschehen, berichte- ten etliche dabey sitzende reisende Leute, daß ihnen schon gestern, ein solcher Mann, wie ich meinen Stief- Vater beschrieben hatte, nahe vor der Stadt Halle begegnet wäre. Wie nun auf mein ferneres Befra- gen, mit dem Steltz-Fusse und dem Deckel-Korbe, welchen er auf einem Holtz-Wagen sitzend neben sich stehen gehabt, alles sehr eigentlich zutraff, durffte ich keinen fernern Zweifel tragen, daß dieses mein un- getreuer Stief-Vater gewesen, der allem Ansehen nach, uns arme Kinder verlassen wolle.
Jedoch, ich fassete einen behertzten Schluß densel- ben zu verfolgen, reisete derowegen in Gesellschafft vieler andern Leute, noch diesen Tag auf Halle zu, konte aber die Stadt nicht völlig erreichen, sondern mußte in dem nächst gelegenen Dorffe bleiben. Am Oster heil. Abend frühe aber, kam ich nicht nur in die Htadt Halle, sondern erfuhr auch nach vielen her- um lauffen, von zweyen seit etlichen Jahren her wohl bekannten lahmen Bettel-Leuten, daß sie mei- nen Stief-Vater so wohl, als meine leibliche Mut- ter mit dem kleinen Kinde, in dieser Stadt Allmo- sen einsammlend, angetroffen, weil es aber schon ziemlich späte, und die Stadt mir allzuweitläufftig vorkam, versparete ich das fernere Aussuchen bis auf Morgen. Allein, ohngeacht ich am ersten und andern Oster-Feyertage, allen möglichen Fleiß an- wandte, meine Eltern anzutreffen, so war doch alles vergebens, weßwegen bey herein dringender Nacht in einer jenseitigen Vorstadt mein Nacht-Quartier suchen mußte. Jch hatte den Tag über nicht nur verschiedene mahl gute Leute angetroffen, welche
mich
g g 5
ſolches noch nicht einmahl voͤllig geſchehen, berichte- ten etliche dabey ſitzende reiſende Leute, daß ihnen ſchon geſtern, ein ſolcher Mann, wie ich meinen Stief- Vater beſchrieben hatte, nahe vor der Stadt Halle begegnet waͤre. Wie nun auf mein ferneres Befra- gen, mit dem Steltz-Fuſſe und dem Deckel-Korbe, welchen er auf einem Holtz-Wagen ſitzend neben ſich ſtehen gehabt, alles ſehr eigentlich zutraff, durffte ich keinen fernern Zweifel tragen, daß dieſes mein un- getreuer Stief-Vater geweſen, der allem Anſehen nach, uns arme Kinder verlaſſen wolle.
Jedoch, ich faſſete einen behertzten Schluß denſel- ben zu verfolgen, reiſete derowegen in Geſellſchafft vieler andern Leute, noch dieſen Tag auf Halle zu, konte aber die Stadt nicht voͤllig erreichen, ſondern mußte in dem naͤchſt gelegenen Dorffe bleiben. Am Oſter heil. Abend fruͤhe aber, kam ich nicht nur in die Htadt Halle, ſondern erfuhr auch nach vielen her- um lauffen, von zweyen ſeit etlichen Jahren her wohl bekannten lahmen Bettel-Leuten, daß ſie mei- nen Stief-Vater ſo wohl, als meine leibliche Mut- ter mit dem kleinen Kinde, in dieſer Stadt Allmo- ſen einſammlend, angetroffen, weil es aber ſchon ziemlich ſpaͤte, und die Stadt mir allzuweitlaͤufftig vorkam, verſparete ich das fernere Auſſuchen bis auf Morgen. Allein, ohngeacht ich am erſten und andern Oſter-Feyertage, allen moͤglichen Fleiß an- wandte, meine Eltern anzutreffen, ſo war doch alles vergebens, weßwegen bey herein dringender Nacht in einer jenſeitigen Vorſtadt mein Nacht-Quartier ſuchen mußte. Jch hatte den Tag uͤber nicht nur verſchiedene mahl gute Leute angetroffen, welche
mich
g g 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0489"n="473"/>ſolches noch nicht einmahl voͤllig geſchehen, berichte-<lb/>
ten etliche dabey ſitzende reiſende Leute, daß ihnen<lb/>ſchon geſtern, ein ſolcher Mann, wie ich meinen Stief-<lb/>
Vater beſchrieben hatte, nahe vor der Stadt Halle<lb/>
begegnet waͤre. Wie nun auf mein ferneres Befra-<lb/>
gen, mit dem Steltz-Fuſſe und dem Deckel-Korbe,<lb/>
welchen er auf einem Holtz-Wagen ſitzend neben ſich<lb/>ſtehen gehabt, alles ſehr eigentlich zutraff, durffte ich<lb/>
keinen fernern Zweifel tragen, daß dieſes mein un-<lb/>
getreuer Stief-Vater geweſen, der allem Anſehen<lb/>
nach, uns arme Kinder verlaſſen wolle.</p><lb/><p>Jedoch, ich faſſete einen behertzten Schluß denſel-<lb/>
ben zu verfolgen, reiſete derowegen in Geſellſchafft<lb/>
vieler andern Leute, noch dieſen Tag auf Halle zu,<lb/>
konte aber die Stadt nicht voͤllig erreichen, ſondern<lb/>
mußte in dem naͤchſt gelegenen Dorffe bleiben. Am<lb/>
Oſter heil. Abend fruͤhe aber, kam ich nicht nur in die<lb/>
Htadt Halle, ſondern erfuhr auch nach vielen her-<lb/>
um lauffen, von zweyen ſeit etlichen Jahren her<lb/>
wohl bekannten lahmen Bettel-Leuten, daß ſie mei-<lb/>
nen Stief-Vater ſo wohl, als meine leibliche Mut-<lb/>
ter mit dem kleinen Kinde, in dieſer Stadt Allmo-<lb/>ſen einſammlend, angetroffen, weil es aber ſchon<lb/>
ziemlich ſpaͤte, und die Stadt mir allzuweitlaͤufftig<lb/>
vorkam, verſparete ich das fernere Auſſuchen bis<lb/>
auf Morgen. Allein, ohngeacht ich am erſten und<lb/>
andern Oſter-Feyertage, allen moͤglichen Fleiß an-<lb/>
wandte, meine Eltern anzutreffen, ſo war doch alles<lb/>
vergebens, weßwegen bey herein dringender Nacht<lb/>
in einer jenſeitigen Vorſtadt mein Nacht-Quartier<lb/>ſuchen mußte. Jch hatte den Tag uͤber nicht nur<lb/>
verſchiedene mahl gute Leute angetroffen, welche<lb/><fwplace="bottom"type="sig">g g 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">mich</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[473/0489]
ſolches noch nicht einmahl voͤllig geſchehen, berichte-
ten etliche dabey ſitzende reiſende Leute, daß ihnen
ſchon geſtern, ein ſolcher Mann, wie ich meinen Stief-
Vater beſchrieben hatte, nahe vor der Stadt Halle
begegnet waͤre. Wie nun auf mein ferneres Befra-
gen, mit dem Steltz-Fuſſe und dem Deckel-Korbe,
welchen er auf einem Holtz-Wagen ſitzend neben ſich
ſtehen gehabt, alles ſehr eigentlich zutraff, durffte ich
keinen fernern Zweifel tragen, daß dieſes mein un-
getreuer Stief-Vater geweſen, der allem Anſehen
nach, uns arme Kinder verlaſſen wolle.
Jedoch, ich faſſete einen behertzten Schluß denſel-
ben zu verfolgen, reiſete derowegen in Geſellſchafft
vieler andern Leute, noch dieſen Tag auf Halle zu,
konte aber die Stadt nicht voͤllig erreichen, ſondern
mußte in dem naͤchſt gelegenen Dorffe bleiben. Am
Oſter heil. Abend fruͤhe aber, kam ich nicht nur in die
Htadt Halle, ſondern erfuhr auch nach vielen her-
um lauffen, von zweyen ſeit etlichen Jahren her
wohl bekannten lahmen Bettel-Leuten, daß ſie mei-
nen Stief-Vater ſo wohl, als meine leibliche Mut-
ter mit dem kleinen Kinde, in dieſer Stadt Allmo-
ſen einſammlend, angetroffen, weil es aber ſchon
ziemlich ſpaͤte, und die Stadt mir allzuweitlaͤufftig
vorkam, verſparete ich das fernere Auſſuchen bis
auf Morgen. Allein, ohngeacht ich am erſten und
andern Oſter-Feyertage, allen moͤglichen Fleiß an-
wandte, meine Eltern anzutreffen, ſo war doch alles
vergebens, weßwegen bey herein dringender Nacht
in einer jenſeitigen Vorſtadt mein Nacht-Quartier
ſuchen mußte. Jch hatte den Tag uͤber nicht nur
verſchiedene mahl gute Leute angetroffen, welche
mich
g g 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/489>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.