als der eigentliche Spiegel, in keine Consi- deration gezogen.
Könte es denn aber auch wohl möglich seyn, daß sich manche Leute in eingebildeter vollkommener Weißheit und Erkänntniß, von ihren schwermenden Affecten regieren liessen? Solte denn bey einem oder dem an- dern etwa der Pfahl gerüttelt seyn, der ihm im Fleische steckt? Man sagt zwar sonst: Wer gern tantzt, dem ist leicht ge- pfiffen. Wer ausserordentlich verliebt ist, findet leicht, was in seinen Krahm dienet. Wer gern stiehlt, macht sich die Gelegenheit auch auf den schlechtesten Wochen-Märck- ten zu Nutze. Aber was kan denn ein Ge- schichtschreiber davor, wenn lasterhaffte Leute sein vorgestecktes Ziel mit Fleiß ver- fehlen, andere hingegen alles zu Poltzen drehen wollen.
Es würde zwar eben keine Herculeische Arbeit kosten, diese Materie etwas deutli- cher, gründlicher und weitläufftiger auszu- führen, jedoch, weil ich eben itzo bald Mit- tags-Ruhe zu halten gesonnen bin, auch ausserdem den geneigten Leser nicht mit ei- ner solchen Vorrede aufhalten mag, wel-
che
als der eigentliche Spiegel, in keine Conſi- deration gezogen.
Koͤnte es denn aber auch wohl moͤglich ſeyn, daß ſich manche Leute in eingebildeter vollkommener Weißheit und Erkaͤnntniß, von ihren ſchwermenden Affecten regieren lieſſen? Solte denn bey einem oder dem an- dern etwa der Pfahl geruͤttelt ſeyn, der ihm im Fleiſche ſteckt? Man ſagt zwar ſonſt: Wer gern tantzt, dem iſt leicht ge- pfiffen. Wer auſſerordentlich verliebt iſt, findet leicht, was in ſeinen Krahm dienet. Wer gern ſtiehlt, macht ſich die Gelegenheit auch auf den ſchlechteſten Wochen-Maͤrck- ten zu Nutze. Aber was kan denn ein Ge- ſchichtſchreiber davor, wenn laſterhaffte Leute ſein vorgeſtecktes Ziel mit Fleiß ver- fehlen, andere hingegen alles zu Poltzen drehen wollen.
Es wuͤrde zwar eben keine Herculeiſche Arbeit koſten, dieſe Materie etwas deutli- cher, gruͤndlicher und weitlaͤufftiger auszu- fuͤhren, jedoch, weil ich eben itzo bald Mit- tags-Ruhe zu halten geſonnen bin, auch auſſerdem den geneigten Leſer nicht mit ei- ner ſolchen Vorrede aufhalten mag, wel-
che
<TEI><text><body><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0008"/>
als der eigentliche Spiegel, in keine <hirendition="#aq">Conſi-<lb/>
deration</hi> gezogen.</p><lb/><p>Koͤnte es denn aber auch wohl moͤglich<lb/>ſeyn, daß ſich manche Leute in eingebildeter<lb/>
vollkommener Weißheit und Erkaͤnntniß,<lb/>
von ihren ſchwermenden <hirendition="#aq">Affect</hi>en regieren<lb/>
lieſſen? Solte denn bey einem oder dem an-<lb/>
dern etwa der Pfahl geruͤttelt ſeyn, der<lb/>
ihm im Fleiſche ſteckt? Man ſagt zwar<lb/>ſonſt: Wer gern tantzt, dem iſt leicht ge-<lb/>
pfiffen. Wer auſſerordentlich verliebt iſt,<lb/>
findet leicht, was in ſeinen Krahm dienet.<lb/>
Wer gern ſtiehlt, macht ſich die Gelegenheit<lb/>
auch auf den ſchlechteſten Wochen-Maͤrck-<lb/>
ten zu Nutze. Aber was kan denn ein Ge-<lb/>ſchichtſchreiber davor, wenn laſterhaffte<lb/>
Leute ſein vorgeſtecktes Ziel mit Fleiß ver-<lb/>
fehlen, andere hingegen alles zu Poltzen<lb/>
drehen wollen.</p><lb/><p>Es wuͤrde zwar eben keine <hirendition="#aq">Herculei</hi>ſche<lb/>
Arbeit koſten, dieſe <hirendition="#aq">Materie</hi> etwas deutli-<lb/>
cher, gruͤndlicher und weitlaͤufftiger auszu-<lb/>
fuͤhren, jedoch, weil ich eben itzo bald Mit-<lb/>
tags-Ruhe zu halten geſonnen bin, auch<lb/>
auſſerdem den geneigten Leſer nicht mit ei-<lb/>
ner ſolchen Vorrede aufhalten mag, wel-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">che</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[0008]
als der eigentliche Spiegel, in keine Conſi-
deration gezogen.
Koͤnte es denn aber auch wohl moͤglich
ſeyn, daß ſich manche Leute in eingebildeter
vollkommener Weißheit und Erkaͤnntniß,
von ihren ſchwermenden Affecten regieren
lieſſen? Solte denn bey einem oder dem an-
dern etwa der Pfahl geruͤttelt ſeyn, der
ihm im Fleiſche ſteckt? Man ſagt zwar
ſonſt: Wer gern tantzt, dem iſt leicht ge-
pfiffen. Wer auſſerordentlich verliebt iſt,
findet leicht, was in ſeinen Krahm dienet.
Wer gern ſtiehlt, macht ſich die Gelegenheit
auch auf den ſchlechteſten Wochen-Maͤrck-
ten zu Nutze. Aber was kan denn ein Ge-
ſchichtſchreiber davor, wenn laſterhaffte
Leute ſein vorgeſtecktes Ziel mit Fleiß ver-
fehlen, andere hingegen alles zu Poltzen
drehen wollen.
Es wuͤrde zwar eben keine Herculeiſche
Arbeit koſten, dieſe Materie etwas deutli-
cher, gruͤndlicher und weitlaͤufftiger auszu-
fuͤhren, jedoch, weil ich eben itzo bald Mit-
tags-Ruhe zu halten geſonnen bin, auch
auſſerdem den geneigten Leſer nicht mit ei-
ner ſolchen Vorrede aufhalten mag, wel-
che
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/8>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.