meine Mutter angereitzt, gleich nach ihrer Vereh- ligung verschiedene Reisen mit demselben in ein und anderes Europäisches Reich zu thun, auf der Rück-Reise von Norwegen aber biß Holland paßirt ihr dieser Streich, daß sie Antwerpen, allwo wir unser Wohn-Haus hatten, nicht erreichen kan, sondern ihr Wochen-Bette mit mir im Schiffe aufschlagen muß; und eben dieserwegen kan ich mich keines Menschen Lands-Mann, wohl aber See-Mann nennen. Mit alle dem kommen doch, so wohl meine Mutter als ich, glücklich und gesund in Antwerpen an, und werden von meiner Groß-Mutter, die annoch lebte, wohl empfan- gen und gepfleget. Mein Vater hatte sich nach wenig Tagen wieder zu Schiffe begeben müssen, und zwar nicht nur dieses mahl ein halbes Jahr, sondern nachhero zum öfftern 8. 10. ja wohl biß 18. Monathe aussen geblieben, und dennoch hatte er niemahls einen rechtschaffenen Profit mit nach Hause gebracht, sondern mehrentheils grössere Summen mit auf die Reise genommen; woran es gelegen gewesen, weiß ich nicht, und meine Mutter, weil sie ihn hertzlich liebte, zur selbigen Zeit auch noch ihr gutes Auskommen wuste, hatte ihn in al- len nach seinem Belieben schalten und walten lassen. Jch blieb nicht alleine, sondern bekam immer mehr und mehr Geschwister, so, daß in meinem 14ten Jahre schon unserer 9. waren, indem sich un- ter uns 2. paar Zwillinge befanden. Meine Mut- ter sparete keinen Fleiß, uns sämmtlich wohl zu er- ziehen, und sonderlich mich, als ihren erstgebohr- nen und liebsten Sohn, in den behörigen Wisser-
schafften
meine Mutter angereitzt, gleich nach ihrer Vereh- ligung verſchiedene Reiſen mit demſelben in ein und anderes Europaͤiſches Reich zu thun, auf der Ruͤck-Reiſe von Norwegen aber biß Holland paßirt ihr dieſer Streich, daß ſie Antwerpen, allwo wir unſer Wohn-Haus hatten, nicht erreichen kan, ſondern ihr Wochen-Bette mit mir im Schiffe aufſchlagen muß; und eben dieſerwegen kan ich mich keines Menſchen Lands-Mann, wohl aber See-Mann nennen. Mit alle dem kommen doch, ſo wohl meine Mutter als ich, gluͤcklich und geſund in Antwerpen an, und werden von meiner Groß-Mutter, die annoch lebte, wohl empfan- gen und gepfleget. Mein Vater hatte ſich nach wenig Tagen wieder zu Schiffe begeben muͤſſen, und zwar nicht nur dieſes mahl ein halbes Jahr, ſondern nachhero zum oͤfftern 8. 10. ja wohl biß 18. Monathe auſſen geblieben, und dennoch hatte er niemahls einen rechtſchaffenen Profit mit nach Hauſe gebracht, ſondern mehrentheils groͤſſere Summen mit auf die Reiſe genommen; woran es gelegen geweſen, weiß ich nicht, und meine Mutter, weil ſie ihn hertzlich liebte, zur ſelbigen Zeit auch noch ihr gutes Auskommen wuſte, hatte ihn in al- len nach ſeinem Belieben ſchalten und walten laſſen. Jch blieb nicht alleine, ſondern bekam immer mehr und mehr Geſchwiſter, ſo, daß in meinem 14ten Jahre ſchon unſerer 9. waren, indem ſich un- ter uns 2. paar Zwillinge befanden. Meine Mut- ter ſparete keinen Fleiß, uns ſaͤmmtlich wohl zu er- ziehen, und ſonderlich mich, als ihren erſtgebohr- nen und liebſten Sohn, in den behoͤrigen Wiſſer-
ſchafften
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0101"n="93"/>
meine Mutter angereitzt, gleich nach ihrer Vereh-<lb/>
ligung verſchiedene Reiſen mit demſelben in ein und<lb/>
anderes Europaͤiſches Reich zu thun, auf der<lb/>
Ruͤck-Reiſe von Norwegen aber biß Holland<lb/>
paßirt ihr dieſer Streich, daß ſie Antwerpen, allwo<lb/>
wir unſer Wohn-Haus hatten, nicht erreichen kan,<lb/>ſondern ihr Wochen-Bette mit mir im Schiffe<lb/>
aufſchlagen muß; und eben dieſerwegen kan ich<lb/>
mich keines Menſchen <hirendition="#fr">Lands-Mann,</hi> wohl aber<lb/><hirendition="#fr">See-Mann</hi> nennen. Mit alle dem kommen<lb/>
doch, ſo wohl meine Mutter als ich, gluͤcklich und<lb/>
geſund in Antwerpen an, und werden von meiner<lb/>
Groß-Mutter, die annoch lebte, wohl empfan-<lb/>
gen und gepfleget. Mein Vater hatte ſich nach<lb/>
wenig Tagen wieder zu Schiffe begeben muͤſſen,<lb/>
und zwar nicht nur dieſes mahl ein halbes Jahr,<lb/>ſondern nachhero zum oͤfftern 8. 10. ja wohl biß<lb/>
18. Monathe auſſen geblieben, und dennoch hatte<lb/>
er niemahls einen rechtſchaffenen Profit mit nach<lb/>
Hauſe gebracht, ſondern mehrentheils groͤſſere<lb/>
Summen mit auf die Reiſe genommen; woran es<lb/>
gelegen geweſen, weiß ich nicht, und meine Mutter,<lb/>
weil ſie ihn hertzlich liebte, zur ſelbigen Zeit auch<lb/>
noch ihr gutes Auskommen wuſte, hatte ihn in al-<lb/>
len nach ſeinem Belieben ſchalten und walten laſſen.<lb/>
Jch blieb nicht alleine, ſondern bekam immer<lb/>
mehr und mehr Geſchwiſter, ſo, daß in meinem<lb/>
14ten Jahre ſchon unſerer 9. waren, indem ſich un-<lb/>
ter uns 2. paar Zwillinge befanden. Meine Mut-<lb/>
ter ſparete keinen Fleiß, uns ſaͤmmtlich wohl zu er-<lb/>
ziehen, und ſonderlich mich, als ihren erſtgebohr-<lb/>
nen und liebſten Sohn, in den behoͤrigen Wiſſer-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchafften</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0101]
meine Mutter angereitzt, gleich nach ihrer Vereh-
ligung verſchiedene Reiſen mit demſelben in ein und
anderes Europaͤiſches Reich zu thun, auf der
Ruͤck-Reiſe von Norwegen aber biß Holland
paßirt ihr dieſer Streich, daß ſie Antwerpen, allwo
wir unſer Wohn-Haus hatten, nicht erreichen kan,
ſondern ihr Wochen-Bette mit mir im Schiffe
aufſchlagen muß; und eben dieſerwegen kan ich
mich keines Menſchen Lands-Mann, wohl aber
See-Mann nennen. Mit alle dem kommen
doch, ſo wohl meine Mutter als ich, gluͤcklich und
geſund in Antwerpen an, und werden von meiner
Groß-Mutter, die annoch lebte, wohl empfan-
gen und gepfleget. Mein Vater hatte ſich nach
wenig Tagen wieder zu Schiffe begeben muͤſſen,
und zwar nicht nur dieſes mahl ein halbes Jahr,
ſondern nachhero zum oͤfftern 8. 10. ja wohl biß
18. Monathe auſſen geblieben, und dennoch hatte
er niemahls einen rechtſchaffenen Profit mit nach
Hauſe gebracht, ſondern mehrentheils groͤſſere
Summen mit auf die Reiſe genommen; woran es
gelegen geweſen, weiß ich nicht, und meine Mutter,
weil ſie ihn hertzlich liebte, zur ſelbigen Zeit auch
noch ihr gutes Auskommen wuſte, hatte ihn in al-
len nach ſeinem Belieben ſchalten und walten laſſen.
Jch blieb nicht alleine, ſondern bekam immer
mehr und mehr Geſchwiſter, ſo, daß in meinem
14ten Jahre ſchon unſerer 9. waren, indem ſich un-
ter uns 2. paar Zwillinge befanden. Meine Mut-
ter ſparete keinen Fleiß, uns ſaͤmmtlich wohl zu er-
ziehen, und ſonderlich mich, als ihren erſtgebohr-
nen und liebſten Sohn, in den behoͤrigen Wiſſer-
ſchafften
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/101>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.