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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Steen, von Jugend auf mit der Helena ein gehei-
mes Liebes-Verständniß, und zwar dergestalt ge-
habt, daß beyden ohnmöglich gewesen, von einan-
der zu lassen, ohngeacht sich beyde nachhero mit an-
dern Personen verheyrathen musten.

Dem van Steen hielt es die gantze Welt vor übel,
daß er, ohngeacht er an euch eine weit schönere, tu-
gendhafftere und Liebens-würdigere Frau bekom-
men, als die Helena war, er dennoch diese weit
höher als euch schätzte. Von seinen Ausschweiffun-
gen und gefährlichen Unternehmungen werdet ihr
zwar wohl vieles, aber doch wohl nicht so viel, als ich,
wissen. Allein, davon will ich vorjetzo nichts mehr
gedencken sondern nur so viel sagen, daß die aller-
meisten Lente, so um den gantzen Handel gewust,
glauben, er habe euch, als seine Frau, auf Anstifften
der Helenae, gutwillig unter die Barbarn verkaufft,
und sich nur pro forma mit gefangen nehmen lassen,
weil zu seiner baldigen Wieder-Erlösung schon vor-
hero gute Anstalten gemacht gewesen. Jhr waret
mit euren Manne kaum etliche Monat hinweg, als
euer Unglück in Leuwarden schon Stadt-kundig
wurde, cures Mannes Compagnon reisete also
nach, um so wohl ihn als euch loß zu kauffen, und
dieser war kaum wenig Wochen hinweg, als der
Helenae Mann, da er eines | Tages sehr früh eine
Reise angetreten, unterwegs vom Pferde gefallen,
und gleich auf der Stelle Todt geblieben war. Es
wurde zwar ausgestreuet, als ob ihn ein plötzlicher
und hefftiger Schlag- Fluß gerühret hätte, allein
die Klügsten glaubten, und zwar nicht ohne Grund,
daß ihm Helena selbst ein subtiles Gifft beyge-

bracht,

Steen, von Jugend auf mit der Helena ein gehei-
mes Liebes-Verſtaͤndniß, und zwar dergeſtalt ge-
habt, daß beyden ohnmoͤglich geweſen, von einan-
der zu laſſen, ohngeacht ſich beyde nachhero mit an-
dern Perſonen verheyrathen muſten.

Dem van Steen hielt es die gantze Welt vor uͤbel,
daß er, ohngeacht er an euch eine weit ſchoͤnere, tu-
gendhafftere und Liebens-wuͤrdigere Frau bekom-
men, als die Helena war, er dennoch dieſe weit
hoͤher als euch ſchaͤtzte. Von ſeinen Ausſchweiffun-
gen und gefaͤhrlichen Unternehmungen werdet ihr
zwar wohl vieles, aber doch wohl nicht ſo viel, als ich,
wiſſen. Allein, davon will ich vorjetzo nichts mehr
gedencken ſondern nur ſo viel ſagen, daß die aller-
meiſten Lente, ſo um den gantzen Handel gewuſt,
glauben, er habe euch, als ſeine Frau, auf Anſtifften
der Helenæ, gutwillig unter die Barbarn verkaufft,
und ſich nur pro forma mit gefangen nehmen laſſen,
weil zu ſeiner baldigen Wieder-Erloͤſung ſchon vor-
hero gute Anſtalten gemacht geweſen. Jhr waret
mit euren Manne kaum etliche Monat hinweg, als
euer Ungluͤck in Leuwarden ſchon Stadt-kundig
wurde, cures Mannes Compagnon reiſete alſo
nach, um ſo wohl ihn als euch loß zu kauffen, und
dieſer war kaum wenig Wochen hinweg, als der
Helenæ Mann, da er eines | Tages ſehr fruͤh eine
Reiſe angetreten, unterwegs vom Pferde gefallen,
und gleich auf der Stelle Todt geblieben war. Es
wurde zwar ausgeſtreuet, als ob ihn ein ploͤtzlicher
und hefftiger Schlag- Fluß geruͤhret haͤtte, allein
die Kluͤgſten glaubten, und zwar nicht ohne Grund,
daß ihm Helena ſelbſt ein ſubtiles Gifft beyge-

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[172/0180] Steen, von Jugend auf mit der Helena ein gehei- mes Liebes-Verſtaͤndniß, und zwar dergeſtalt ge- habt, daß beyden ohnmoͤglich geweſen, von einan- der zu laſſen, ohngeacht ſich beyde nachhero mit an- dern Perſonen verheyrathen muſten. Dem van Steen hielt es die gantze Welt vor uͤbel, daß er, ohngeacht er an euch eine weit ſchoͤnere, tu- gendhafftere und Liebens-wuͤrdigere Frau bekom- men, als die Helena war, er dennoch dieſe weit hoͤher als euch ſchaͤtzte. Von ſeinen Ausſchweiffun- gen und gefaͤhrlichen Unternehmungen werdet ihr zwar wohl vieles, aber doch wohl nicht ſo viel, als ich, wiſſen. Allein, davon will ich vorjetzo nichts mehr gedencken ſondern nur ſo viel ſagen, daß die aller- meiſten Lente, ſo um den gantzen Handel gewuſt, glauben, er habe euch, als ſeine Frau, auf Anſtifften der Helenæ, gutwillig unter die Barbarn verkaufft, und ſich nur pro forma mit gefangen nehmen laſſen, weil zu ſeiner baldigen Wieder-Erloͤſung ſchon vor- hero gute Anſtalten gemacht geweſen. Jhr waret mit euren Manne kaum etliche Monat hinweg, als euer Ungluͤck in Leuwarden ſchon Stadt-kundig wurde, cures Mannes Compagnon reiſete alſo nach, um ſo wohl ihn als euch loß zu kauffen, und dieſer war kaum wenig Wochen hinweg, als der Helenæ Mann, da er eines | Tages ſehr fruͤh eine Reiſe angetreten, unterwegs vom Pferde gefallen, und gleich auf der Stelle Todt geblieben war. Es wurde zwar ausgeſtreuet, als ob ihn ein ploͤtzlicher und hefftiger Schlag- Fluß geruͤhret haͤtte, allein die Kluͤgſten glaubten, und zwar nicht ohne Grund, daß ihm Helena ſelbſt ein ſubtiles Gifft beyge- bracht,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/180>, abgerufen am 24.11.2024.