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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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ten stehen oder sitzen können. Jch erwählete mir
dieses gemeldte steinerne Bette zu meinem Grabe,
und war gesonnen, so bald ich vom Hunger und
Durst ermattet wäre, mich dahinein zulegen, und
mein Ende abzuwarten; allein, da ich mich Nach-
mittags wieder herunter an den Fuß des Felsens be-
gab, fand ich nicht allein verschiedene Kästen und
Pack-Fässer, sondern auch 4. todte männliche Cör-
per, welche die See dahin getrieben, zwey von die-
sen Todten hatten etwas Brod, Böckel-Fleisch
und Käse in ihren Schubsäcken, ob es nun gleich
ziemlich Eckelhafft war, so legte ich doch alles mit
Fleiß an die Sonne, suchte weiter, und fand bey
den andern ein Horn mit Schieß-Pulver, ingleichen
ihr Tobacks- und Feuer-Zeug. Meine erste Be-
mühung war also, daß ich das Pulver und zum
Feuer machen gehörige, an der Sonne trocknete, um
nur Feuer und Rauch anmachen zu können, damit,
wenn etwa ein Schiff vorbey paßirte, es doch an
diesen Zeichen, verunglückte Menschen bemercken
und dieselbe retten könte. Demnach schlug ich auch
etliche Faß-Böden und andere Splitter mit spitzen
Steinen von einander, und war so glücklich, daß
ich, noch ehe es Nacht wurde, ein grosses Feuer an-
machen konte. Selbige Nacht schlief ich auf den
Kleidern der 4. ertrunckenen Menschen sehr geruhig,
und kan in Wahrheit sagen, daß ich damahls we-
der Eckel noch Furcht bey mir gespüret. Früh
Morgens, so bald die Sonne aufgegangen war,
ging ich wieder hinunter an den Fuß des Felsens,
und befand, daß derselbe viel breiter, indem die
See sehr gewichen war, auch sahe ich, daß noch

unge-
(R 3)

ten ſtehen oder ſitzen koͤnnen. Jch erwaͤhlete mir
dieſes gemeldte ſteinerne Bette zu meinem Grabe,
und war geſonnen, ſo bald ich vom Hunger und
Durſt ermattet waͤre, mich dahinein zulegen, und
mein Ende abzuwarten; allein, da ich mich Nach-
mittags wieder herunter an den Fuß des Felſens be-
gab, fand ich nicht allein verſchiedene Kaͤſten und
Pack-Faͤſſer, ſondern auch 4. todte maͤnnliche Coͤr-
per, welche die See dahin getrieben, zwey von die-
ſen Todten hatten etwas Brod, Boͤckel-Fleiſch
und Kaͤſe in ihren Schubſaͤcken, ob es nun gleich
ziemlich Eckelhafft war, ſo legte ich doch alles mit
Fleiß an die Sonne, ſuchte weiter, und fand bey
den andern ein Horn mit Schieß-Pulver, ingleichen
ihr Tobacks- und Feuer-Zeug. Meine erſte Be-
muͤhung war alſo, daß ich das Pulver und zum
Feuer machen gehoͤrige, an der Sonne trocknete, um
nur Feuer und Rauch anmachen zu koͤnnen, damit,
wenn etwa ein Schiff vorbey paßirte, es doch an
dieſen Zeichen, verungluͤckte Menſchen bemercken
und dieſelbe retten koͤnte. Demnach ſchlug ich auch
etliche Faß-Boͤden und andere Splitter mit ſpitzen
Steinen von einander, und war ſo gluͤcklich, daß
ich, noch ehe es Nacht wurde, ein groſſes Feuer an-
machen konte. Selbige Nacht ſchlief ich auf den
Kleidern der 4. ertrunckenen Menſchen ſehr geruhig,
und kan in Wahrheit ſagen, daß ich damahls we-
der Eckel noch Furcht bey mir geſpuͤret. Fruͤh
Morgens, ſo bald die Sonne aufgegangen war,
ging ich wieder hinunter an den Fuß des Felſens,
und befand, daß derſelbe viel breiter, indem die
See ſehr gewichen war, auch ſahe ich, daß noch

unge-
(R 3)
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[261/0269] ten ſtehen oder ſitzen koͤnnen. Jch erwaͤhlete mir dieſes gemeldte ſteinerne Bette zu meinem Grabe, und war geſonnen, ſo bald ich vom Hunger und Durſt ermattet waͤre, mich dahinein zulegen, und mein Ende abzuwarten; allein, da ich mich Nach- mittags wieder herunter an den Fuß des Felſens be- gab, fand ich nicht allein verſchiedene Kaͤſten und Pack-Faͤſſer, ſondern auch 4. todte maͤnnliche Coͤr- per, welche die See dahin getrieben, zwey von die- ſen Todten hatten etwas Brod, Boͤckel-Fleiſch und Kaͤſe in ihren Schubſaͤcken, ob es nun gleich ziemlich Eckelhafft war, ſo legte ich doch alles mit Fleiß an die Sonne, ſuchte weiter, und fand bey den andern ein Horn mit Schieß-Pulver, ingleichen ihr Tobacks- und Feuer-Zeug. Meine erſte Be- muͤhung war alſo, daß ich das Pulver und zum Feuer machen gehoͤrige, an der Sonne trocknete, um nur Feuer und Rauch anmachen zu koͤnnen, damit, wenn etwa ein Schiff vorbey paßirte, es doch an dieſen Zeichen, verungluͤckte Menſchen bemercken und dieſelbe retten koͤnte. Demnach ſchlug ich auch etliche Faß-Boͤden und andere Splitter mit ſpitzen Steinen von einander, und war ſo gluͤcklich, daß ich, noch ehe es Nacht wurde, ein groſſes Feuer an- machen konte. Selbige Nacht ſchlief ich auf den Kleidern der 4. ertrunckenen Menſchen ſehr geruhig, und kan in Wahrheit ſagen, daß ich damahls we- der Eckel noch Furcht bey mir geſpuͤret. Fruͤh Morgens, ſo bald die Sonne aufgegangen war, ging ich wieder hinunter an den Fuß des Felſens, und befand, daß derſelbe viel breiter, indem die See ſehr gewichen war, auch ſahe ich, daß noch unge- (R 3)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/269>, abgerufen am 17.06.2024.