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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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eines Geschirres nicht kochen, derowegen steckte selbi-
ges an ein spitz gemachtes Holtz, begoß es öffters mit
Wasser, und ließ es am Feuer so lange braten, biß
es kauen und geniessen konte. Mein Feuer ließ ich
Tag und Nacht brennen, und meine tägliche Arbeit
war Holtz aufzufischen, und selbiges zu spalten, wor-
bey mir ein breites Seiten-Gewehr, das einer von
den ertrunckenen an sich hatte, ungemein nützlich
war.

Kurtz zu sagen/ ich wendete allen Fleiß an, mein
Leben so lange als möglich zu erhalten, um nicht
aus Nachläßigkeit, als eine Selbst-Mörderin in
des Himmels Straffe zu verfallen, und mich um die
ewige Seligkeit zu bringen. Da ich aber den Uber-
schlag gemacht, daß ich nunmehro binnen 14. Tagen
an Holtze und Lebens-Mitteln (ausgenommen das
süsse Wasser, welches so lange nicht reichen oder sich
halten dürffte,) so viel Vorrath hätte, mich länger
als 3. Monat damit zu behelffen, nahm ich mir vor
etliche Tage auszuruhen, doch waren meine Au-
gen beständig nach der See gerichtet, um zu se-
hen, ob nicht ein Schiff vorbey seegelte, weßwegen
ich denn auch bey Tage viel naß Holtz und Mooß
auf das Feuer warff, damit ein desto stärckerer
Rauch aufsteigen solte, allein, es wolte sich keines
erblicken lassen, derowegen hielt ich meinem Ver-
hängnisse stille, beklagte den muthmaßlichen Tod
meines lieben Ehe-Mannes van Blac mit bittern
Thränen und Seuffzern so wohl, als mein gantzes
übriges Schicksal, jedoch kam mir fast alle Nacht
im Traume vor, als ob ich disseit eines Flusses, mein
Blac aber mit vielen schwartz und weiß gekleideten

Leu-
(R 4)

eines Geſchirres nicht kochen, derowegen ſteckte ſelbi-
ges an ein ſpitz gemachtes Holtz, begoß es oͤffters mit
Waſſer, und ließ es am Feuer ſo lange braten, biß
es kauen und genieſſen konte. Mein Feuer ließ ich
Tag und Nacht brennen, und meine taͤgliche Arbeit
war Holtz aufzufiſchen, und ſelbiges zu ſpalten, wor-
bey mir ein breites Seiten-Gewehr, das einer von
den ertrunckenen an ſich hatte, ungemein nuͤtzlich
war.

Kurtz zu ſagen/ ich wendete allen Fleiß an, mein
Leben ſo lange als moͤglich zu erhalten, um nicht
aus Nachlaͤßigkeit, als eine Selbſt-Moͤrderin in
des Himmels Straffe zu verfallen, und mich um die
ewige Seligkeit zu bringen. Da ich aber den Uber-
ſchlag gemacht, daß ich nunmehro binnen 14. Tagen
an Holtze und Lebens-Mitteln (ausgenommen das
ſuͤſſe Waſſer, welches ſo lange nicht reichen oder ſich
halten duͤrffte,) ſo viel Vorrath haͤtte, mich laͤnger
als 3. Monat damit zu behelffen, nahm ich mir vor
etliche Tage auszuruhen, doch waren meine Au-
gen beſtaͤndig nach der See gerichtet, um zu ſe-
hen, ob nicht ein Schiff vorbey ſeegelte, weßwegen
ich denn auch bey Tage viel naß Holtz und Mooß
auf das Feuer warff, damit ein deſto ſtaͤrckerer
Rauch aufſteigen ſolte, allein, es wolte ſich keines
erblicken laſſen, derowegen hielt ich meinem Ver-
haͤngniſſe ſtille, beklagte den muthmaßlichen Tod
meines lieben Ehe-Mannes van Blac mit bittern
Thraͤnen und Seuffzern ſo wohl, als mein gantzes
uͤbriges Schickſal, jedoch kam mir faſt alle Nacht
im Traume vor, als ob ich diſſeit eines Fluſſes, mein
Blac aber mit vielen ſchwartz und weiß gekleideten

Leu-
(R 4)
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[263/0271] eines Geſchirres nicht kochen, derowegen ſteckte ſelbi- ges an ein ſpitz gemachtes Holtz, begoß es oͤffters mit Waſſer, und ließ es am Feuer ſo lange braten, biß es kauen und genieſſen konte. Mein Feuer ließ ich Tag und Nacht brennen, und meine taͤgliche Arbeit war Holtz aufzufiſchen, und ſelbiges zu ſpalten, wor- bey mir ein breites Seiten-Gewehr, das einer von den ertrunckenen an ſich hatte, ungemein nuͤtzlich war. Kurtz zu ſagen/ ich wendete allen Fleiß an, mein Leben ſo lange als moͤglich zu erhalten, um nicht aus Nachlaͤßigkeit, als eine Selbſt-Moͤrderin in des Himmels Straffe zu verfallen, und mich um die ewige Seligkeit zu bringen. Da ich aber den Uber- ſchlag gemacht, daß ich nunmehro binnen 14. Tagen an Holtze und Lebens-Mitteln (ausgenommen das ſuͤſſe Waſſer, welches ſo lange nicht reichen oder ſich halten duͤrffte,) ſo viel Vorrath haͤtte, mich laͤnger als 3. Monat damit zu behelffen, nahm ich mir vor etliche Tage auszuruhen, doch waren meine Au- gen beſtaͤndig nach der See gerichtet, um zu ſe- hen, ob nicht ein Schiff vorbey ſeegelte, weßwegen ich denn auch bey Tage viel naß Holtz und Mooß auf das Feuer warff, damit ein deſto ſtaͤrckerer Rauch aufſteigen ſolte, allein, es wolte ſich keines erblicken laſſen, derowegen hielt ich meinem Ver- haͤngniſſe ſtille, beklagte den muthmaßlichen Tod meines lieben Ehe-Mannes van Blac mit bittern Thraͤnen und Seuffzern ſo wohl, als mein gantzes uͤbriges Schickſal, jedoch kam mir faſt alle Nacht im Traume vor, als ob ich diſſeit eines Fluſſes, mein Blac aber mit vielen ſchwartz und weiß gekleideten Leu- (R 4)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/271>, abgerufen am 17.06.2024.