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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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einem Ufer, welches nur 18. Schritt breit und etliche
40. Schritt lang war. Hier schien es, als ob die-
se Felsen mit aller Gewalt von dem grossen Klum-
pen abgerissen wären, und vor uns auf dem Fuß-
Boden fanden wir einen Riß oder Schlufft, etwa
10. biß 12. Ellen breit. Es stunden einem, wenn
man da hinunter in die Tieffe und dicke Finsterniß
sahe, die Haare zu Berge, über dieses machte das,
in diesem Abgrunde wallende Wasser, ein recht
wunderlich und fürchterliches Getöse, weßwegen
niemand grosse Lust bezeigte, sich lange bey diesem
terriblen Schlunde aufzuhalten. Auf der andern
Seite aber sahen wir ebenfalls wieder einen Riß
oder Spalte von oben herunter in dem grossen Ber-
ge, zu welchem eine ordentliche Treppe von mehr als
30. Stuffen hinauf ging, welche wir schwerlich von
Natur also, sondern von Menschen Händen ausge-
hauen und gemacht zu seyn, beurtheileten. O! wenn
wir doch über den schändlichen Abgrund hinüber
wären, sagte Monsieur van Blac, denn ich mercke
schon, diese Treppe führet an einen Ort, wo sich
Curiositäten befinden. Allein, sein und unser aller
Wünschen war vergebens, denn, weder zur rechten
noch zur lincken Hand, konten wir den Anfang noch
das Ende, wegen der steilen Felsen erforschen, und
auf jener Seite war es eben so schlimm, auch nir-
gends aufzusteigen, als auf der ausgehauenen Trep-
pe.

Dem ohngeacht stunden wir noch fast eine
gantze Stunde daselbst, um alles desto genauer zu
mercken, kehreten endlich durch den vorigen Weg
zurücke, und kamen sehr ermüdet auf dem grünen

Platze

einem Ufer, welches nur 18. Schritt breit und etliche
40. Schritt lang war. Hier ſchien es, als ob die-
ſe Felſen mit aller Gewalt von dem groſſen Klum-
pen abgeriſſen waͤren, und vor uns auf dem Fuß-
Boden fanden wir einen Riß oder Schlufft, etwa
10. biß 12. Ellen breit. Es ſtunden einem, wenn
man da hinunter in die Tieffe und dicke Finſterniß
ſahe, die Haare zu Berge, uͤber dieſes machte das,
in dieſem Abgrunde wallende Waſſer, ein recht
wunderlich und fuͤrchterliches Getoͤſe, weßwegen
niemand groſſe Luſt bezeigte, ſich lange bey dieſem
terriblen Schlunde aufzuhalten. Auf der andern
Seite aber ſahen wir ebenfalls wieder einen Riß
oder Spalte von oben herunter in dem groſſen Ber-
ge, zu welchem eine ordentliche Treppe von mehr als
30. Stuffen hinauf ging, welche wir ſchwerlich von
Natur alſo, ſondern von Menſchen Haͤnden ausge-
hauen und gemacht zu ſeyn, beurtheileten. O! wenn
wir doch uͤber den ſchaͤndlichen Abgrund hinuͤber
waͤren, ſagte Monsieur van Blac, denn ich mercke
ſchon, dieſe Treppe fuͤhret an einen Ort, wo ſich
Curiositaͤten befinden. Allein, ſein und unſer aller
Wuͤnſchen war vergebens, denn, weder zur rechten
noch zur lincken Hand, konten wir den Anfang noch
das Ende, wegen der ſteilen Felſen erforſchen, und
auf jener Seite war es eben ſo ſchlimm, auch nir-
gends aufzuſteigen, als auf der ausgehauenen Trep-
pe.

Dem ohngeacht ſtunden wir noch faſt eine
gantze Stunde daſelbſt, um alles deſto genauer zu
mercken, kehreten endlich durch den vorigen Weg
zuruͤcke, und kamen ſehr ermuͤdet auf dem gruͤnen

Platze
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[306/0314] einem Ufer, welches nur 18. Schritt breit und etliche 40. Schritt lang war. Hier ſchien es, als ob die- ſe Felſen mit aller Gewalt von dem groſſen Klum- pen abgeriſſen waͤren, und vor uns auf dem Fuß- Boden fanden wir einen Riß oder Schlufft, etwa 10. biß 12. Ellen breit. Es ſtunden einem, wenn man da hinunter in die Tieffe und dicke Finſterniß ſahe, die Haare zu Berge, uͤber dieſes machte das, in dieſem Abgrunde wallende Waſſer, ein recht wunderlich und fuͤrchterliches Getoͤſe, weßwegen niemand groſſe Luſt bezeigte, ſich lange bey dieſem terriblen Schlunde aufzuhalten. Auf der andern Seite aber ſahen wir ebenfalls wieder einen Riß oder Spalte von oben herunter in dem groſſen Ber- ge, zu welchem eine ordentliche Treppe von mehr als 30. Stuffen hinauf ging, welche wir ſchwerlich von Natur alſo, ſondern von Menſchen Haͤnden ausge- hauen und gemacht zu ſeyn, beurtheileten. O! wenn wir doch uͤber den ſchaͤndlichen Abgrund hinuͤber waͤren, ſagte Monsieur van Blac, denn ich mercke ſchon, dieſe Treppe fuͤhret an einen Ort, wo ſich Curiositaͤten befinden. Allein, ſein und unſer aller Wuͤnſchen war vergebens, denn, weder zur rechten noch zur lincken Hand, konten wir den Anfang noch das Ende, wegen der ſteilen Felſen erforſchen, und auf jener Seite war es eben ſo ſchlimm, auch nir- gends aufzuſteigen, als auf der ausgehauenen Trep- pe. Dem ohngeacht ſtunden wir noch faſt eine gantze Stunde daſelbſt, um alles deſto genauer zu mercken, kehreten endlich durch den vorigen Weg zuruͤcke, und kamen ſehr ermuͤdet auf dem gruͤnen Platze

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/314>, abgerufen am 22.11.2024.