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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Hierüber fieng mein Bruder überlaut an zu
lachen, und sagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder!
daß heute der 1. April oder ein dergleichen Fest-
Tag ist, jedoch ihr wisset, daß ich gern mit mir
schertzen lasse, derowegen so saget mir doch in aller
brüderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieselbe
durch meine gottlose und unbillige Aufführung
und Gewissen-loses Verfahren gegen euch nicht
gäntzlich verschertzt habe, ohne Zeit-Verlust, was
vor ein Geist euch heute zu mir führet, und euch be-
geistert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich
zu führen?

Ehe wir aber weiter reden, so will mir erst-
lich eine Bouteille Canari-Sect langen lassen,
damit ich euch desto besser vernehmen kan, denn ich
kan nicht läugnen, daß mich ungemein dürstet.
So bald die Bouteille angekommen war, und wir
ein paar Becher daraus getruncken, eröffnete ich
ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver-
neur
anvertraut hatte, auf Treu und Glauben,
ließ auch vorerst lieber davon etwas aussen, als
daß ich etwas hinzugesetzt hätte. Jhm kamen
dennoch alle diese Dinge nicht anders, als ge-
wisse Dörffer vor, so, daß ich ihm nicht verüblen
konte, wenn er etwa bey diesem und jenem einigen
Zweiffel hegte.

Endlich aber machte er mir, so zu sagen, eine
und andere Difficultäten, bey diesem oder jenem
Puncte, sonderlich in puncto Religionis, indem
er, wie er das mahl sagte, um eines Weibes, ja,
um aller Welt Güter willen sich nicht überwinden
könte, seine Religion, darinnen er von Jugend

auf

Hieruͤber fieng mein Bruder uͤberlaut an zu
lachen, und ſagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder!
daß heute der 1. April oder ein dergleichen Feſt-
Tag iſt, jedoch ihr wiſſet, daß ich gern mit mir
ſchertzen laſſe, derowegen ſo ſaget mir doch in aller
bruͤderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieſelbe
durch meine gottloſe und unbillige Auffuͤhrung
und Gewiſſen-loſes Verfahren gegen euch nicht
gaͤntzlich verſchertzt habe, ohne Zeit-Verluſt, was
vor ein Geiſt euch heute zu mir fuͤhret, und euch be-
geiſtert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich
zu fuͤhren?

Ehe wir aber weiter reden, ſo will mir erſt-
lich eine Bouteille Canari-Sect langen laſſen,
damit ich euch deſto beſſer vernehmen kan, denn ich
kan nicht laͤugnen, daß mich ungemein duͤrſtet.
So bald die Bouteille angekommen war, und wir
ein paar Becher daraus getruncken, eroͤffnete ich
ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver-
neur
anvertraut hatte, auf Treu und Glauben,
ließ auch vorerſt lieber davon etwas auſſen, als
daß ich etwas hinzugeſetzt haͤtte. Jhm kamen
dennoch alle dieſe Dinge nicht anders, als ge-
wiſſe Doͤrffer vor, ſo, daß ich ihm nicht veruͤblen
konte, wenn er etwa bey dieſem und jenem einigen
Zweiffel hegte.

Endlich aber machte er mir, ſo zu ſagen, eine
und andere Difficultaͤten, bey dieſem oder jenem
Puncte, ſonderlich in puncto Religionis, indem
er, wie er das mahl ſagte, um eines Weibes, ja,
um aller Welt Guͤter willen ſich nicht uͤberwinden
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[173/0183] Hieruͤber fieng mein Bruder uͤberlaut an zu lachen, und ſagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder! daß heute der 1. April oder ein dergleichen Feſt- Tag iſt, jedoch ihr wiſſet, daß ich gern mit mir ſchertzen laſſe, derowegen ſo ſaget mir doch in aller bruͤderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieſelbe durch meine gottloſe und unbillige Auffuͤhrung und Gewiſſen-loſes Verfahren gegen euch nicht gaͤntzlich verſchertzt habe, ohne Zeit-Verluſt, was vor ein Geiſt euch heute zu mir fuͤhret, und euch be- geiſtert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich zu fuͤhren? Ehe wir aber weiter reden, ſo will mir erſt- lich eine Bouteille Canari-Sect langen laſſen, damit ich euch deſto beſſer vernehmen kan, denn ich kan nicht laͤugnen, daß mich ungemein duͤrſtet. So bald die Bouteille angekommen war, und wir ein paar Becher daraus getruncken, eroͤffnete ich ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver- neur anvertraut hatte, auf Treu und Glauben, ließ auch vorerſt lieber davon etwas auſſen, als daß ich etwas hinzugeſetzt haͤtte. Jhm kamen dennoch alle dieſe Dinge nicht anders, als ge- wiſſe Doͤrffer vor, ſo, daß ich ihm nicht veruͤblen konte, wenn er etwa bey dieſem und jenem einigen Zweiffel hegte. Endlich aber machte er mir, ſo zu ſagen, eine und andere Difficultaͤten, bey dieſem oder jenem Puncte, ſonderlich in puncto Religionis, indem er, wie er das mahl ſagte, um eines Weibes, ja, um aller Welt Guͤter willen ſich nicht uͤberwinden koͤnte, ſeine Religion, darinnen er von Jugend auf

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/183>, abgerufen am 21.11.2024.