Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Klange und Laute nach wohl einiger Maassen den
Kitzel in Ohren erregen sollten, allein ich trauete
dem Land-Frieden so gar sehr eben nicht, weiln
mir das immerwährende Gegitzschere und die be-
ständigen Ohrenbläsereyen verdächtig vorkamen,
und endlich wurde ich nach einer etlich tägigen un-
passionirten Aufführung durch ein Schlüsselloch
gewahr, daß mein lieber Bruder in einem wohl
darzu zubereiteten Zimmer bey angezündeten
Wachs-Kertzen, vor einen kleinen Altar nieder-
kniete, und seiner bißhero gehabten Religion in
optima forma,
und zwar in Gegenwart verschie-
dener Personen beyderley Geschlechts abschwur,
hergegen die Römisch-Catholische Religion an-
nahm, und sich darüber einsegnen ließ.

Nichts hat mich Zeit meines Lebens ärger
verdrossen, als daß er diese seine Sachen so heim-
lich tractirt, da ich doch in keinem Stücke seinen
Willen zu zwingen mir schon längstens vorgesetzt
hatte, wie nun aber dieses geschehen, so konte ich
leichtlich daraus schliessen, daß er alle andern Pun-
cte müsse eingegangen seyn, die ihm von dem Gou-
verneur
und seiner Gemahlin vorgelegt worden.
Jedoch, da er mir von seiner Religions-Verän-
derung nicht das geringste meldete, ließ ich mich
auch gar nichts mercken, daß ich etwas davon
wüste, inzwischen aber war mir auf einmahl alle
Lust vergangen, länger auf dieser Jnsul und bey
diesen gefährlichen Leuten zu bleiben, derowegen
schrieb ich an meinen Lieutenant folgendes Bil-
let:

Mon

Klange und Laute nach wohl einiger Maaſſen den
Kitzel in Ohren erregen ſollten, allein ich trauete
dem Land-Frieden ſo gar ſehr eben nicht, weiln
mir das immerwaͤhrende Gegitzſchere und die be-
ſtaͤndigen Ohrenblaͤſereyen verdaͤchtig vorkamen,
und endlich wurde ich nach einer etlich taͤgigen un-
paſſionirten Auffuͤhrung durch ein Schluͤſſelloch
gewahr, daß mein lieber Bruder in einem wohl
darzu zubereiteten Zimmer bey angezuͤndeten
Wachs-Kertzen, vor einen kleinen Altar nieder-
kniete, und ſeiner bißhero gehabten Religion in
optima forma,
und zwar in Gegenwart verſchie-
dener Perſonen beyderley Geſchlechts abſchwur,
hergegen die Roͤmiſch-Catholiſche Religion an-
nahm, und ſich daruͤber einſegnen ließ.

Nichts hat mich Zeit meines Lebens aͤrger
verdroſſen, als daß er dieſe ſeine Sachen ſo heim-
lich tractirt, da ich doch in keinem Stuͤcke ſeinen
Willen zu zwingen mir ſchon laͤngſtens vorgeſetzt
hatte, wie nun aber dieſes geſchehen, ſo konte ich
leichtlich daraus ſchlieſſen, daß er alle andern Pun-
cte muͤſſe eingegangen ſeyn, die ihm von dem Gou-
verneur
und ſeiner Gemahlin vorgelegt worden.
Jedoch, da er mir von ſeiner Religions-Veraͤn-
derung nicht das geringſte meldete, ließ ich mich
auch gar nichts mercken, daß ich etwas davon
wuͤſte, inzwiſchen aber war mir auf einmahl alle
Luſt vergangen, laͤnger auf dieſer Jnſul und bey
dieſen gefaͤhrlichen Leuten zu bleiben, derowegen
ſchrieb ich an meinen Lieutenant folgendes Bil-
let:

Mon
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0186" n="176"/>
Klange und Laute nach wohl einiger Maa&#x017F;&#x017F;en den<lb/>
Kitzel in Ohren erregen &#x017F;ollten, allein ich trauete<lb/>
dem Land-Frieden &#x017F;o gar &#x017F;ehr eben nicht, weiln<lb/>
mir das immerwa&#x0364;hrende Gegitz&#x017F;chere und die be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ohrenbla&#x0364;&#x017F;ereyen verda&#x0364;chtig vorkamen,<lb/>
und endlich wurde ich nach einer etlich ta&#x0364;gigen un-<lb/><hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;ionir</hi>ten Auffu&#x0364;hrung durch ein Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;elloch<lb/>
gewahr, daß mein lieber Bruder in einem wohl<lb/>
darzu zubereiteten Zimmer bey angezu&#x0364;ndeten<lb/>
Wachs-Kertzen, vor einen kleinen Altar nieder-<lb/>
kniete, und &#x017F;einer bißhero gehabten <hi rendition="#aq">Religi</hi>on <hi rendition="#aq">in<lb/>
optima forma,</hi> und zwar in Gegenwart ver&#x017F;chie-<lb/>
dener Per&#x017F;onen beyderley Ge&#x017F;chlechts ab&#x017F;chwur,<lb/>
hergegen die Ro&#x0364;mi&#x017F;ch-Catholi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Religi</hi>on an-<lb/>
nahm, und &#x017F;ich daru&#x0364;ber ein&#x017F;egnen ließ.</p><lb/>
        <p>Nichts hat mich Zeit meines Lebens a&#x0364;rger<lb/>
verdro&#x017F;&#x017F;en, als daß er die&#x017F;e &#x017F;eine Sachen &#x017F;o heim-<lb/>
lich <hi rendition="#aq">tracti</hi>rt, da ich doch in keinem Stu&#x0364;cke &#x017F;einen<lb/>
Willen zu zwingen mir &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;tens vorge&#x017F;etzt<lb/>
hatte, wie nun aber die&#x017F;es ge&#x017F;chehen, &#x017F;o konte ich<lb/>
leichtlich daraus &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß er alle andern Pun-<lb/>
cte mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eingegangen &#x017F;eyn, die ihm von dem <hi rendition="#aq">Gou-<lb/>
verneur</hi> und &#x017F;einer Gemahlin vorgelegt worden.<lb/>
Jedoch, da er mir von &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Religi</hi>ons-Vera&#x0364;n-<lb/>
derung nicht das gering&#x017F;te meldete, ließ ich mich<lb/>
auch gar nichts mercken, daß ich etwas davon<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;te, inzwi&#x017F;chen aber war mir auf einmahl alle<lb/>
Lu&#x017F;t vergangen, la&#x0364;nger auf die&#x017F;er Jn&#x017F;ul und bey<lb/>
die&#x017F;en gefa&#x0364;hrlichen Leuten zu bleiben, derowegen<lb/>
&#x017F;chrieb ich an meinen <hi rendition="#aq">Lieutenant</hi> folgendes <hi rendition="#aq">Bil-<lb/>
let:</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mon</hi> </hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] Klange und Laute nach wohl einiger Maaſſen den Kitzel in Ohren erregen ſollten, allein ich trauete dem Land-Frieden ſo gar ſehr eben nicht, weiln mir das immerwaͤhrende Gegitzſchere und die be- ſtaͤndigen Ohrenblaͤſereyen verdaͤchtig vorkamen, und endlich wurde ich nach einer etlich taͤgigen un- paſſionirten Auffuͤhrung durch ein Schluͤſſelloch gewahr, daß mein lieber Bruder in einem wohl darzu zubereiteten Zimmer bey angezuͤndeten Wachs-Kertzen, vor einen kleinen Altar nieder- kniete, und ſeiner bißhero gehabten Religion in optima forma, und zwar in Gegenwart verſchie- dener Perſonen beyderley Geſchlechts abſchwur, hergegen die Roͤmiſch-Catholiſche Religion an- nahm, und ſich daruͤber einſegnen ließ. Nichts hat mich Zeit meines Lebens aͤrger verdroſſen, als daß er dieſe ſeine Sachen ſo heim- lich tractirt, da ich doch in keinem Stuͤcke ſeinen Willen zu zwingen mir ſchon laͤngſtens vorgeſetzt hatte, wie nun aber dieſes geſchehen, ſo konte ich leichtlich daraus ſchlieſſen, daß er alle andern Pun- cte muͤſſe eingegangen ſeyn, die ihm von dem Gou- verneur und ſeiner Gemahlin vorgelegt worden. Jedoch, da er mir von ſeiner Religions-Veraͤn- derung nicht das geringſte meldete, ließ ich mich auch gar nichts mercken, daß ich etwas davon wuͤſte, inzwiſchen aber war mir auf einmahl alle Luſt vergangen, laͤnger auf dieſer Jnſul und bey dieſen gefaͤhrlichen Leuten zu bleiben, derowegen ſchrieb ich an meinen Lieutenant folgendes Bil- let: Mon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/186
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/186>, abgerufen am 21.11.2024.