Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

ordentliche Appetit gleich vom Anfange dieses
Vogel-Zuges angekommenwar, dererselben einen
oder etliche zu schiessen, so ärgerte mich aber dabey
nur dieses, daß sie sich mir zu dem Schusse in der
Lufft nicht in etwas niedersencken, geschweige denn
sich gar auf den Erdboden niederlassen wolten,
vielmehr ihre Sicherheit in der ihnen, nach ihrem
Geruch und Geschmack temperirten Lufft fort und
fort suchten. Auser dem fanden sich einige Aber-
gläubige, die da gern läuten hören wollen, aber
noch nicht alle wusten, wo unsere Glocken hien-
gen, zumahlen die letztern neuen und sehr wohlge-
rathenen Glocken noch nicht einmahl alle aufge-
zogen, und an gehörigen Ort und Stelle gebracht
waren. Wie nun aber gemeiniglich ein Aber-
glaube den andern zu Hülffe rufft, die Geister der
Menschen zu verwirren, so wurde mir auch von
den Obern und Hn. Geistlichen sehr verübelt, wenn
ich den so genannten Frevel begehen, und nur einen
eintzigen von diesen fremden Vögeln zu schiessen,
mich unterfangen würde, indem dieses eine Sache
wäre, die uns allen zum allergrösten Schaden und
Verderben gereichen könte.

Was dieser Sache wegen, ob nemlich bey
solchen fürchterlichen Zeiten, so wohl dieser Art
Vögel, als Verkündiger göttlicher Straff-Ge-
richte vorsetzlicher und freveler Weise todt zu schies-
sen, billig, christlich und rathsam sey? unter uns
nachhero vor öfftere ordentlich so genannte Dis-
putationes
gehalten worden, will ich vorjetzo
nicht eben weitläufftig melden, sondern nur einen
jeden fragen: ob, wenn uns GOtt Heuschrecken,

Frösche,
(q) 2

ordentliche Appetit gleich vom Anfange dieſes
Vogel-Zuges angekommenwar, dererſelben einen
oder etliche zu ſchieſſen, ſo aͤrgerte mich aber dabey
nur dieſes, daß ſie ſich mir zu dem Schuſſe in der
Lufft nicht in etwas niederſencken, geſchweige denn
ſich gar auf den Erdboden niederlaſſen wolten,
vielmehr ihre Sicherheit in der ihnen, nach ihrem
Geruch und Geſchmack temperirten Lufft fort und
fort ſuchten. Auſer dem fanden ſich einige Aber-
glaͤubige, die da gern laͤuten hoͤren wollen, aber
noch nicht alle wuſten, wo unſere Glocken hien-
gen, zumahlen die letztern neuen und ſehr wohlge-
rathenen Glocken noch nicht einmahl alle aufge-
zogen, und an gehoͤrigen Ort und Stelle gebracht
waren. Wie nun aber gemeiniglich ein Aber-
glaube den andern zu Huͤlffe rufft, die Geiſter der
Menſchen zu verwirren, ſo wurde mir auch von
den Obern und Hn. Geiſtlichen ſehr veruͤbelt, wenn
ich den ſo genannten Frevel begehen, und nur einen
eintzigen von dieſen fremden Voͤgeln zu ſchieſſen,
mich unterfangen wuͤrde, indem dieſes eine Sache
waͤre, die uns allen zum allergroͤſten Schaden und
Verderben gereichen koͤnte.

Was dieſer Sache wegen, ob nemlich bey
ſolchen fuͤrchterlichen Zeiten, ſo wohl dieſer Art
Voͤgel, als Verkuͤndiger goͤttlicher Straff-Ge-
richte vorſetzlicher und freveler Weiſe todt zu ſchieſ-
ſen, billig, chriſtlich und rathſam ſey? unter uns
nachhero vor oͤfftere ordentlich ſo genannte Diſ-
putationes
gehalten worden, will ich vorjetzo
nicht eben weitlaͤufftig melden, ſondern nur einen
jeden fragen: ob, wenn uns GOtt Heuſchrecken,

Froͤſche,
(q) 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="243"/>
ordentliche <hi rendition="#aq">Appetit</hi> gleich vom Anfange die&#x017F;es<lb/>
Vogel-Zuges angekommenwar, derer&#x017F;elben einen<lb/>
oder etliche zu &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o a&#x0364;rgerte mich aber dabey<lb/>
nur die&#x017F;es, daß &#x017F;ie &#x017F;ich mir zu dem Schu&#x017F;&#x017F;e in der<lb/>
Lufft nicht in etwas nieder&#x017F;encken, ge&#x017F;chweige denn<lb/>
&#x017F;ich gar auf den Erdboden niederla&#x017F;&#x017F;en wolten,<lb/>
vielmehr ihre Sicherheit in der ihnen, nach ihrem<lb/>
Geruch und Ge&#x017F;chmack <hi rendition="#aq">temperirt</hi>en Lufft fort und<lb/>
fort &#x017F;uchten. Au&#x017F;er dem fanden &#x017F;ich einige Aber-<lb/>
gla&#x0364;ubige, die da gern la&#x0364;uten ho&#x0364;ren wollen, aber<lb/>
noch nicht alle wu&#x017F;ten, wo un&#x017F;ere Glocken hien-<lb/>
gen, zumahlen die letztern neuen und &#x017F;ehr wohlge-<lb/>
rathenen Glocken noch nicht einmahl alle aufge-<lb/>
zogen, und an geho&#x0364;rigen Ort und Stelle gebracht<lb/>
waren. Wie nun aber gemeiniglich ein Aber-<lb/>
glaube den andern zu Hu&#x0364;lffe rufft, die Gei&#x017F;ter der<lb/>
Men&#x017F;chen zu verwirren, &#x017F;o wurde mir auch von<lb/>
den Obern und Hn. Gei&#x017F;tlichen &#x017F;ehr veru&#x0364;belt, wenn<lb/>
ich den &#x017F;o genannten Frevel begehen, und nur einen<lb/>
eintzigen von die&#x017F;en fremden Vo&#x0364;geln zu &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
mich unterfangen wu&#x0364;rde, indem die&#x017F;es eine Sache<lb/>
wa&#x0364;re, die uns allen zum allergro&#x0364;&#x017F;ten Schaden und<lb/>
Verderben gereichen ko&#x0364;nte.</p><lb/>
        <p>Was die&#x017F;er Sache wegen, ob nemlich bey<lb/>
&#x017F;olchen fu&#x0364;rchterlichen Zeiten, &#x017F;o wohl die&#x017F;er Art<lb/>
Vo&#x0364;gel, als Verku&#x0364;ndiger go&#x0364;ttlicher Straff-Ge-<lb/>
richte vor&#x017F;etzlicher und freveler Wei&#x017F;e todt zu &#x017F;chie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, billig, chri&#x017F;tlich und rath&#x017F;am &#x017F;ey? unter uns<lb/>
nachhero vor o&#x0364;fftere ordentlich &#x017F;o genannte <hi rendition="#aq">Di&#x017F;-<lb/>
putationes</hi> gehalten worden, will ich vorjetzo<lb/>
nicht eben weitla&#x0364;ufftig melden, &#x017F;ondern nur einen<lb/>
jeden fragen: ob, wenn uns GOtt Heu&#x017F;chrecken,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(q) 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Fro&#x0364;&#x017F;che,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0253] ordentliche Appetit gleich vom Anfange dieſes Vogel-Zuges angekommenwar, dererſelben einen oder etliche zu ſchieſſen, ſo aͤrgerte mich aber dabey nur dieſes, daß ſie ſich mir zu dem Schuſſe in der Lufft nicht in etwas niederſencken, geſchweige denn ſich gar auf den Erdboden niederlaſſen wolten, vielmehr ihre Sicherheit in der ihnen, nach ihrem Geruch und Geſchmack temperirten Lufft fort und fort ſuchten. Auſer dem fanden ſich einige Aber- glaͤubige, die da gern laͤuten hoͤren wollen, aber noch nicht alle wuſten, wo unſere Glocken hien- gen, zumahlen die letztern neuen und ſehr wohlge- rathenen Glocken noch nicht einmahl alle aufge- zogen, und an gehoͤrigen Ort und Stelle gebracht waren. Wie nun aber gemeiniglich ein Aber- glaube den andern zu Huͤlffe rufft, die Geiſter der Menſchen zu verwirren, ſo wurde mir auch von den Obern und Hn. Geiſtlichen ſehr veruͤbelt, wenn ich den ſo genannten Frevel begehen, und nur einen eintzigen von dieſen fremden Voͤgeln zu ſchieſſen, mich unterfangen wuͤrde, indem dieſes eine Sache waͤre, die uns allen zum allergroͤſten Schaden und Verderben gereichen koͤnte. Was dieſer Sache wegen, ob nemlich bey ſolchen fuͤrchterlichen Zeiten, ſo wohl dieſer Art Voͤgel, als Verkuͤndiger goͤttlicher Straff-Ge- richte vorſetzlicher und freveler Weiſe todt zu ſchieſ- ſen, billig, chriſtlich und rathſam ſey? unter uns nachhero vor oͤfftere ordentlich ſo genannte Diſ- putationes gehalten worden, will ich vorjetzo nicht eben weitlaͤufftig melden, ſondern nur einen jeden fragen: ob, wenn uns GOtt Heuſchrecken, Froͤſche, (q) 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/253
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/253>, abgerufen am 21.11.2024.