Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

ich auf der Stelle bleiben, mein andächtiges Ge-
bet zu GOtt verrichten, und mich weiter vor nichts
fürchten solte. Derowegen fassete ich mir, vor mich
selbst allein, einen frischen Muth, gieng hin zu dem
so genannten Teufels-Banner, und sagte zu ihm:
Don Vincentio! wir haben noch nicht vollkom-
men satt gespeiset, wäre es nicht Sache, daß wir
um die Mitternachts-Stunden, nachdem wir das
Unserige genossen, wieder anhero kämen, und sä-
hen, was sodann passirte? Nein, meine Herrn!
(gab er zur Antwort) wenn sie sich nicht selber im
Lichten stehen wollen, so bleiben sie auf ihren Stel-
len sitzen: Wein und Confect ist genug da, ihren
Appetit zu vergnügen, wo sie aber weggehen, sind
nicht allein alle meine Anstalten vergeblich gemacht,
sondern so wohl sie, als alle Felsenburger können
darunter den allergrösten Schaden leiden, welchen
sie vorjetzo gar leichtlich verhüten können, wenn sie
nur da bleiben, und meiner Treu und Redlichkeit
trauen.

Endlich begunte doch bey meinen Herrn Ge-
fährden der Puls aufs frische zu schlagen anzufan-
gen, da sie, zumahlen bey allen Umständen, die sie
nachhero in etwas weiter überlegt, gantz vernünff-
tig schliessen konten, mir, ohngeachtet ich der Jüng-
ste unter ihnen war, vor dieses mahl zu folgen, und
bey mir zu bleiben; zumahlen, da sie zum öfftern
von dem Vincentio die Worte aussprechen hö-
reten, daß er uns allen kein theurer und kostbarer
Pfand entgegen stellen könte und wolte, als seinen
Leib und Seele, im Fall nur einem eintzigen von
uns die geringste Haare am Leibe gekrümmet oder
beleidiget würde.

Also

ich auf der Stelle bleiben, mein andaͤchtiges Ge-
bet zu GOtt verrichten, und mich weiter vor nichts
fuͤrchten ſolte. Derowegen faſſete ich mir, vor mich
ſelbſt allein, einen friſchen Muth, gieng hin zu dem
ſo genannten Teufels-Banner, und ſagte zu ihm:
Don Vincentio! wir haben noch nicht vollkom-
men ſatt geſpeiſet, waͤre es nicht Sache, daß wir
um die Mitternachts-Stunden, nachdem wir das
Unſerige genoſſen, wieder anhero kaͤmen, und ſaͤ-
hen, was ſodann paſſirte? Nein, meine Herrn!
(gab er zur Antwort) wenn ſie ſich nicht ſelber im
Lichten ſtehen wollen, ſo bleiben ſie auf ihren Stel-
len ſitzen: Wein und Confect iſt genug da, ihren
Appetit zu vergnuͤgen, wo ſie aber weggehen, ſind
nicht allein alle meine Anſtalten vergeblich gemacht,
ſondern ſo wohl ſie, als alle Felſenburger koͤnnen
darunter den allergroͤſten Schaden leiden, welchen
ſie vorjetzo gar leichtlich verhuͤten koͤnnen, wenn ſie
nur da bleiben, und meiner Treu und Redlichkeit
trauen.

Endlich begunte doch bey meinen Herrn Ge-
faͤhrden der Puls aufs friſche zu ſchlagen anzufan-
gen, da ſie, zumahlen bey allen Umſtaͤnden, die ſie
nachhero in etwas weiter uͤberlegt, gantz vernuͤnff-
tig ſchlieſſen konten, mir, ohngeachtet ich der Juͤng-
ſte unter ihnen war, vor dieſes mahl zu folgen, und
bey mir zu bleiben; zumahlen, da ſie zum oͤfftern
von dem Vincentio die Worte ausſprechen hoͤ-
reten, daß er uns allen kein theurer und koſtbarer
Pfand entgegen ſtellen koͤnte und wolte, als ſeinen
Leib und Seele, im Fall nur einem eintzigen von
uns die geringſte Haare am Leibe gekruͤmmet oder
beleidiget wuͤrde.

Alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="354"/>
ich auf der Stelle bleiben, mein anda&#x0364;chtiges Ge-<lb/>
bet zu GOtt verrichten, und mich weiter vor nichts<lb/>
fu&#x0364;rchten &#x017F;olte. Derowegen fa&#x017F;&#x017F;ete ich mir, vor mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t allein, einen fri&#x017F;chen Muth, gieng hin zu dem<lb/>
&#x017F;o genannten Teufels-Banner, und &#x017F;agte zu ihm:<lb/><hi rendition="#aq">Don Vincentio!</hi> wir haben noch nicht vollkom-<lb/>
men &#x017F;att ge&#x017F;pei&#x017F;et, wa&#x0364;re es nicht Sache, daß wir<lb/>
um die Mitternachts-Stunden, nachdem wir das<lb/>
Un&#x017F;erige geno&#x017F;&#x017F;en, wieder anhero ka&#x0364;men, und &#x017F;a&#x0364;-<lb/>
hen, was &#x017F;odann <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;ir</hi>te? Nein, meine Herrn!<lb/>
(gab er zur Antwort) wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;elber im<lb/>
Lichten &#x017F;tehen wollen, &#x017F;o bleiben &#x017F;ie auf ihren Stel-<lb/>
len &#x017F;itzen: Wein und <hi rendition="#aq">Confect</hi> i&#x017F;t genug da, ihren<lb/><hi rendition="#aq">Appetit</hi> zu vergnu&#x0364;gen, wo &#x017F;ie aber weggehen, &#x017F;ind<lb/>
nicht allein alle meine An&#x017F;talten vergeblich gemacht,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;o wohl &#x017F;ie, als alle Fel&#x017F;enburger ko&#x0364;nnen<lb/>
darunter den allergro&#x0364;&#x017F;ten Schaden leiden, welchen<lb/>
&#x017F;ie vorjetzo gar leichtlich verhu&#x0364;ten ko&#x0364;nnen, wenn &#x017F;ie<lb/>
nur da bleiben, und meiner Treu und Redlichkeit<lb/>
trauen.</p><lb/>
        <p>Endlich begunte doch bey meinen Herrn Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrden der Puls aufs fri&#x017F;che zu &#x017F;chlagen anzufan-<lb/>
gen, da &#x017F;ie, zumahlen bey allen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, die &#x017F;ie<lb/>
nachhero in etwas weiter u&#x0364;berlegt, gantz vernu&#x0364;nff-<lb/>
tig &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en konten, mir, ohngeachtet ich der Ju&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;te unter ihnen war, vor die&#x017F;es mahl zu folgen, und<lb/>
bey mir zu bleiben; zumahlen, da &#x017F;ie zum o&#x0364;fftern<lb/>
von dem <hi rendition="#aq">Vincentio</hi> die Worte aus&#x017F;prechen ho&#x0364;-<lb/>
reten, daß er uns allen kein theurer und ko&#x017F;tbarer<lb/>
Pfand entgegen &#x017F;tellen ko&#x0364;nte und wolte, als &#x017F;einen<lb/>
Leib und Seele, im Fall nur einem eintzigen von<lb/>
uns die gering&#x017F;te Haare am Leibe gekru&#x0364;mmet oder<lb/>
beleidiget wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0364] ich auf der Stelle bleiben, mein andaͤchtiges Ge- bet zu GOtt verrichten, und mich weiter vor nichts fuͤrchten ſolte. Derowegen faſſete ich mir, vor mich ſelbſt allein, einen friſchen Muth, gieng hin zu dem ſo genannten Teufels-Banner, und ſagte zu ihm: Don Vincentio! wir haben noch nicht vollkom- men ſatt geſpeiſet, waͤre es nicht Sache, daß wir um die Mitternachts-Stunden, nachdem wir das Unſerige genoſſen, wieder anhero kaͤmen, und ſaͤ- hen, was ſodann paſſirte? Nein, meine Herrn! (gab er zur Antwort) wenn ſie ſich nicht ſelber im Lichten ſtehen wollen, ſo bleiben ſie auf ihren Stel- len ſitzen: Wein und Confect iſt genug da, ihren Appetit zu vergnuͤgen, wo ſie aber weggehen, ſind nicht allein alle meine Anſtalten vergeblich gemacht, ſondern ſo wohl ſie, als alle Felſenburger koͤnnen darunter den allergroͤſten Schaden leiden, welchen ſie vorjetzo gar leichtlich verhuͤten koͤnnen, wenn ſie nur da bleiben, und meiner Treu und Redlichkeit trauen. Endlich begunte doch bey meinen Herrn Ge- faͤhrden der Puls aufs friſche zu ſchlagen anzufan- gen, da ſie, zumahlen bey allen Umſtaͤnden, die ſie nachhero in etwas weiter uͤberlegt, gantz vernuͤnff- tig ſchlieſſen konten, mir, ohngeachtet ich der Juͤng- ſte unter ihnen war, vor dieſes mahl zu folgen, und bey mir zu bleiben; zumahlen, da ſie zum oͤfftern von dem Vincentio die Worte ausſprechen hoͤ- reten, daß er uns allen kein theurer und koſtbarer Pfand entgegen ſtellen koͤnte und wolte, als ſeinen Leib und Seele, im Fall nur einem eintzigen von uns die geringſte Haare am Leibe gekruͤmmet oder beleidiget wuͤrde. Alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/364
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/364>, abgerufen am 21.11.2024.