Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

allen ihren Gesichts-Zügen und gantzem Wesen so-
gleich urtheilen konte, daß sie von hoher Her-
kunfft seyn müsse, so muste man sich dennoch auch
über ihre Gelassenheit, Sanfftmuth und stilles
Wesen, welches sich bey verschiedenen Begeben-
heiten zeigte, ungemein verwundern; jedoch bey
lustigen Begebenheiten wuste sie ihre Rolle auch
zu spielen, und sich nicht etwa mürrisch, sauertöpf-
fisch oder einfältig aufzuführen, so wie viele schwar-
tzen, braunen und weissen Frauenzimmer, sonder-
lich in Deutschland sich zu vielen mahlen Bela-
chens-würdig und häßlich vergalloppiren, wenn
ihnen nicht alles sogleich nach ihren Köpffen gehet,
eben, als wenn an einer Person allein so gar allzu
viel gelegen wäre etc.

Allein, wie gesagt, in allen diesen Stücken
zeigte Mirzamanda eine gantz andere Aufführung,
die ich wohl mit Recht fürstlich nennen kan, und
hiermit erwarb sie sich in der Geschwindigkeit die
Liebe aller Jnsulaner, vom Grösten biß zum Klei-
nesten, beyderley Geschlechts, zumahlen, da man sa-
he, daß der Regente, als ein dem hunderten Jah-
re
entgegen reisender Mann, diese Printzeßin
in besondern Ehren hielt, da dieselbe an seiner
Taffel ihm allezeit zur rechten Hand sitzen muste,
zu seiner lincken aber saß mehrentheils die Frau
Mag. Schmeltzerin Sen. jedoch in diesem Stücke,
um eine die andere etwa nicht verdrießlich zu ma-
chen, wechselten die lieben Weibergen gar öffters
mit einander um.

Von nun an aber war die Haupt-Sache
diese, daß so wohl die Mirzamanda, als ihre Anna

zum

allen ihren Geſichts-Zuͤgen und gantzem Weſen ſo-
gleich urtheilen konte, daß ſie von hoher Her-
kunfft ſeyn muͤſſe, ſo muſte man ſich dennoch auch
uͤber ihre Gelaſſenheit, Sanfftmuth und ſtilles
Weſen, welches ſich bey verſchiedenen Begeben-
heiten zeigte, ungemein verwundern; jedoch bey
luſtigen Begebenheiten wuſte ſie ihre Rolle auch
zu ſpielen, und ſich nicht etwa muͤrriſch, ſauertoͤpf-
fiſch oder einfaͤltig aufzufuͤhren, ſo wie viele ſchwar-
tzen, braunen und weiſſen Frauenzimmer, ſonder-
lich in Deutſchland ſich zu vielen mahlen Bela-
chens-wuͤrdig und haͤßlich vergalloppiren, wenn
ihnen nicht alles ſogleich nach ihren Koͤpffen gehet,
eben, als wenn an einer Perſon allein ſo gar allzu
viel gelegen waͤre ꝛc.

Allein, wie geſagt, in allen dieſen Stuͤcken
zeigte Mirzamanda eine gantz andere Auffuͤhrung,
die ich wohl mit Recht fuͤrſtlich nennen kan, und
hiermit erwarb ſie ſich in der Geſchwindigkeit die
Liebe aller Jnſulaner, vom Groͤſten biß zum Klei-
neſten, beyderley Geſchlechts, zumahlen, da man ſa-
he, daß der Regente, als ein dem hunderten Jah-
re
entgegen reiſender Mann, dieſe Printzeßin
in beſondern Ehren hielt, da dieſelbe an ſeiner
Taffel ihm allezeit zur rechten Hand ſitzen muſte,
zu ſeiner lincken aber ſaß mehrentheils die Frau
Mag. Schmeltzerin Sen. jedoch in dieſem Stuͤcke,
um eine die andere etwa nicht verdrießlich zu ma-
chen, wechſelten die lieben Weibergen gar oͤffters
mit einander um.

Von nun an aber war die Haupt-Sache
dieſe, daß ſo wohl die Mirzamanda, als ihre Anna

zum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0412" n="402"/>
allen ihren Ge&#x017F;ichts-Zu&#x0364;gen und gantzem We&#x017F;en &#x017F;o-<lb/>
gleich urtheilen konte, daß &#x017F;ie von hoher Her-<lb/>
kunfft &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o mu&#x017F;te man &#x017F;ich dennoch auch<lb/>
u&#x0364;ber ihre Gela&#x017F;&#x017F;enheit, Sanfftmuth und &#x017F;tilles<lb/>
We&#x017F;en, welches &#x017F;ich bey ver&#x017F;chiedenen Begeben-<lb/>
heiten zeigte, ungemein verwundern; jedoch bey<lb/>
lu&#x017F;tigen Begebenheiten wu&#x017F;te &#x017F;ie ihre Rolle auch<lb/>
zu &#x017F;pielen, und &#x017F;ich nicht etwa mu&#x0364;rri&#x017F;ch, &#x017F;auerto&#x0364;pf-<lb/>
fi&#x017F;ch oder einfa&#x0364;ltig aufzufu&#x0364;hren, &#x017F;o wie viele &#x017F;chwar-<lb/>
tzen, braunen und wei&#x017F;&#x017F;en Frauenzimmer, &#x017F;onder-<lb/>
lich in Deut&#x017F;chland &#x017F;ich zu vielen mahlen Bela-<lb/>
chens-wu&#x0364;rdig und ha&#x0364;ßlich vergalloppiren, wenn<lb/>
ihnen nicht alles &#x017F;ogleich nach ihren Ko&#x0364;pffen gehet,<lb/>
eben, als wenn an einer Per&#x017F;on allein &#x017F;o gar allzu<lb/>
viel gelegen wa&#x0364;re &#xA75B;c.</p><lb/>
        <p>Allein, wie ge&#x017F;agt, in allen die&#x017F;en Stu&#x0364;cken<lb/>
zeigte <hi rendition="#aq">Mirzamanda</hi> eine gantz andere Auffu&#x0364;hrung,<lb/>
die ich wohl mit Recht fu&#x0364;r&#x017F;tlich nennen kan, und<lb/>
hiermit erwarb &#x017F;ie &#x017F;ich in der Ge&#x017F;chwindigkeit die<lb/>
Liebe aller Jn&#x017F;ulaner, vom Gro&#x0364;&#x017F;ten biß zum Klei-<lb/>
ne&#x017F;ten, beyderley Ge&#x017F;chlechts, zumahlen, da man &#x017F;a-<lb/>
he, daß der <hi rendition="#aq">Regent</hi>e, als ein dem <hi rendition="#fr">hunderten Jah-<lb/>
re</hi> entgegen rei&#x017F;ender Mann, die&#x017F;e Printzeßin<lb/>
in be&#x017F;ondern Ehren hielt, da die&#x017F;elbe an &#x017F;einer<lb/>
Taffel ihm allezeit zur rechten Hand &#x017F;itzen mu&#x017F;te,<lb/>
zu &#x017F;einer lincken aber &#x017F;aß mehrentheils die Frau<lb/><hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzerin <hi rendition="#aq">Sen.</hi> jedoch in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke,<lb/>
um eine die andere etwa nicht verdrießlich zu ma-<lb/>
chen, wech&#x017F;elten die lieben Weibergen gar o&#x0364;ffters<lb/>
mit einander um.</p><lb/>
        <p>Von nun an aber war die Haupt-Sache<lb/>
die&#x017F;e, daß &#x017F;o wohl die <hi rendition="#aq">Mirzamanda,</hi> als ihre <hi rendition="#aq">Anna</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zum</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0412] allen ihren Geſichts-Zuͤgen und gantzem Weſen ſo- gleich urtheilen konte, daß ſie von hoher Her- kunfft ſeyn muͤſſe, ſo muſte man ſich dennoch auch uͤber ihre Gelaſſenheit, Sanfftmuth und ſtilles Weſen, welches ſich bey verſchiedenen Begeben- heiten zeigte, ungemein verwundern; jedoch bey luſtigen Begebenheiten wuſte ſie ihre Rolle auch zu ſpielen, und ſich nicht etwa muͤrriſch, ſauertoͤpf- fiſch oder einfaͤltig aufzufuͤhren, ſo wie viele ſchwar- tzen, braunen und weiſſen Frauenzimmer, ſonder- lich in Deutſchland ſich zu vielen mahlen Bela- chens-wuͤrdig und haͤßlich vergalloppiren, wenn ihnen nicht alles ſogleich nach ihren Koͤpffen gehet, eben, als wenn an einer Perſon allein ſo gar allzu viel gelegen waͤre ꝛc. Allein, wie geſagt, in allen dieſen Stuͤcken zeigte Mirzamanda eine gantz andere Auffuͤhrung, die ich wohl mit Recht fuͤrſtlich nennen kan, und hiermit erwarb ſie ſich in der Geſchwindigkeit die Liebe aller Jnſulaner, vom Groͤſten biß zum Klei- neſten, beyderley Geſchlechts, zumahlen, da man ſa- he, daß der Regente, als ein dem hunderten Jah- re entgegen reiſender Mann, dieſe Printzeßin in beſondern Ehren hielt, da dieſelbe an ſeiner Taffel ihm allezeit zur rechten Hand ſitzen muſte, zu ſeiner lincken aber ſaß mehrentheils die Frau Mag. Schmeltzerin Sen. jedoch in dieſem Stuͤcke, um eine die andere etwa nicht verdrießlich zu ma- chen, wechſelten die lieben Weibergen gar oͤffters mit einander um. Von nun an aber war die Haupt-Sache dieſe, daß ſo wohl die Mirzamanda, als ihre Anna zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/412
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/412>, abgerufen am 21.11.2024.