noch Menschen, biß wir um die Clause herum gien- gen, und einen Mann mit einem grossen weissen Barte (der ihm fast biß an die Gürtel-Stätte reich- te) antraffen, welcher beschäfftigt war, mit einer Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde zu machen.
Wir beteten zu GOtt, creutzigten und seegne- ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuste auf den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er es sich so sauer werden liesse, ein solches tieffes Loch in die Erde zu graben, indem wir wohl sähen, daß er sehr bey solcher Arbeit schwitzte, dieser Berg aber vielleicht wohl zu hoch sey, um etwa einen Brunnen zum Wasser-Schöpffen darauf auszugraben.
Hierauf öffnete der alte Greiß seinen Mund, und sagte zu mir: Liebe Schwester in Christo, dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal- len, und wische mir den Schweiß von mei- nem Angesichte ab, sodann will ich ferner mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß deine Gefährdin die PrintzeßinMirzamanda vonCandabar,und du ihre Pflege-Mutter bist.
Jch erstaunete ziemlicher Maassen über die Worte dieses Mannes, jedoch, da er den Nahmen Christi nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und anderer Götzen; machte mir derowegen kein Ge- wissen, ihm den Schweiß aus seinem Angesichte mit einem reinen weissen Tüchlein abzuwischen; Mirzamanda aber gieng inzwischen etwas auf die Seite, kam jedoch bald wieder zurück, da sich denn
der
noch Menſchen, biß wir um die Clauſe herum gien- gen, und einen Mann mit einem groſſen weiſſen Barte (der ihm faſt biß an die Guͤrtel-Staͤtte reich- te) antraffen, welcher beſchaͤfftigt war, mit einer Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde zu machen.
Wir beteten zu GOtt, creutzigten und ſeegne- ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuſte auf den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er es ſich ſo ſauer werden lieſſe, ein ſolches tieffes Loch in die Erde zu graben, indem wir wohl ſaͤhen, daß er ſehr bey ſolcher Arbeit ſchwitzte, dieſer Berg aber vielleicht wohl zu hoch ſey, um etwa einen Brunnen zum Waſſer-Schoͤpffen darauf auszugraben.
Hierauf oͤffnete der alte Greiß ſeinen Mund, und ſagte zu mir: Liebe Schweſter in Chriſto, dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal- len, und wiſche mir den Schweiß von mei- nem Angeſichte ab, ſodann will ich ferner mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß deine Gefaͤhrdin die PrintzeßinMirzamanda vonCandabar,und du ihre Pflege-Mutter biſt.
Jch erſtaunete ziemlicher Maaſſen uͤber die Worte dieſes Mannes, jedoch, da er den Nahmen Chriſti nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und anderer Goͤtzen; machte mir derowegen kein Ge- wiſſen, ihm den Schweiß aus ſeinem Angeſichte mit einem reinen weiſſen Tuͤchlein abzuwiſchen; Mirzamanda aber gieng inzwiſchen etwas auf die Seite, kam jedoch bald wieder zuruͤck, da ſich denn
der
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><div><p><pbfacs="#f0500"n="490"/>
noch Menſchen, biß wir um die Clauſe herum gien-<lb/>
gen, und einen Mann mit einem groſſen weiſſen<lb/>
Barte (der ihm faſt biß an die Guͤrtel-Staͤtte reich-<lb/>
te) antraffen, welcher beſchaͤfftigt war, mit einer<lb/>
Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde<lb/>
zu machen.</p><lb/><p>Wir beteten zu GOtt, creutzigten und ſeegne-<lb/>
ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuſte auf<lb/>
den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er<lb/>
es ſich ſo ſauer werden lieſſe, ein ſolches tieffes Loch<lb/>
in die Erde zu graben, indem wir wohl ſaͤhen, daß<lb/>
er ſehr bey ſolcher Arbeit ſchwitzte, dieſer Berg aber<lb/>
vielleicht wohl zu hoch ſey, um etwa einen Brunnen<lb/>
zum Waſſer-Schoͤpffen darauf auszugraben.</p><lb/><p>Hierauf oͤffnete der alte Greiß ſeinen Mund,<lb/>
und ſagte zu mir: <hirendition="#fr">Liebe Schweſter in Chriſto,<lb/>
dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal-<lb/>
len, und wiſche mir den Schweiß von mei-<lb/>
nem Angeſichte ab, ſodann will ich ferner<lb/>
mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß<lb/>
deine Gefaͤhrdin die Printzeßin</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Mirzamanda</hi></hi><lb/><hirendition="#fr">von</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Candabar,</hi></hi><hirendition="#fr">und du ihre Pflege-Mutter<lb/>
biſt.</hi></p><lb/><p>Jch erſtaunete ziemlicher Maaſſen uͤber die<lb/>
Worte dieſes Mannes, jedoch, da er den Nahmen<lb/>
Chriſti nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch<lb/>
vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und<lb/>
anderer Goͤtzen; machte mir derowegen kein Ge-<lb/>
wiſſen, ihm den Schweiß aus ſeinem Angeſichte<lb/>
mit einem reinen weiſſen Tuͤchlein abzuwiſchen;<lb/><hirendition="#aq">Mirzamanda</hi> aber gieng inzwiſchen etwas auf die<lb/>
Seite, kam jedoch bald wieder zuruͤck, da ſich denn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[490/0500]
noch Menſchen, biß wir um die Clauſe herum gien-
gen, und einen Mann mit einem groſſen weiſſen
Barte (der ihm faſt biß an die Guͤrtel-Staͤtte reich-
te) antraffen, welcher beſchaͤfftigt war, mit einer
Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde
zu machen.
Wir beteten zu GOtt, creutzigten und ſeegne-
ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuſte auf
den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er
es ſich ſo ſauer werden lieſſe, ein ſolches tieffes Loch
in die Erde zu graben, indem wir wohl ſaͤhen, daß
er ſehr bey ſolcher Arbeit ſchwitzte, dieſer Berg aber
vielleicht wohl zu hoch ſey, um etwa einen Brunnen
zum Waſſer-Schoͤpffen darauf auszugraben.
Hierauf oͤffnete der alte Greiß ſeinen Mund,
und ſagte zu mir: Liebe Schweſter in Chriſto,
dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal-
len, und wiſche mir den Schweiß von mei-
nem Angeſichte ab, ſodann will ich ferner
mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß
deine Gefaͤhrdin die Printzeßin Mirzamanda
von Candabar, und du ihre Pflege-Mutter
biſt.
Jch erſtaunete ziemlicher Maaſſen uͤber die
Worte dieſes Mannes, jedoch, da er den Nahmen
Chriſti nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch
vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und
anderer Goͤtzen; machte mir derowegen kein Ge-
wiſſen, ihm den Schweiß aus ſeinem Angeſichte
mit einem reinen weiſſen Tuͤchlein abzuwiſchen;
Mirzamanda aber gieng inzwiſchen etwas auf die
Seite, kam jedoch bald wieder zuruͤck, da ſich denn
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/500>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.