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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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noch Menschen, biß wir um die Clause herum gien-
gen, und einen Mann mit einem grossen weissen
Barte (der ihm fast biß an die Gürtel-Stätte reich-
te) antraffen, welcher beschäfftigt war, mit einer
Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde
zu machen.

Wir beteten zu GOtt, creutzigten und seegne-
ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuste auf
den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er
es sich so sauer werden liesse, ein solches tieffes Loch
in die Erde zu graben, indem wir wohl sähen, daß
er sehr bey solcher Arbeit schwitzte, dieser Berg aber
vielleicht wohl zu hoch sey, um etwa einen Brunnen
zum Wasser-Schöpffen darauf auszugraben.

Hierauf öffnete der alte Greiß seinen Mund,
und sagte zu mir: Liebe Schwester in Christo,
dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal-
len, und wische mir den Schweiß von mei-
nem Angesichte ab, sodann will ich ferner
mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß
deine Gefährdin die Printzeßin
Mirzamanda
von Candabar, und du ihre Pflege-Mutter
bist.

Jch erstaunete ziemlicher Maassen über die
Worte dieses Mannes, jedoch, da er den Nahmen
Christi nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch
vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und
anderer Götzen; machte mir derowegen kein Ge-
wissen, ihm den Schweiß aus seinem Angesichte
mit einem reinen weissen Tüchlein abzuwischen;
Mirzamanda aber gieng inzwischen etwas auf die
Seite, kam jedoch bald wieder zurück, da sich denn

der

noch Menſchen, biß wir um die Clauſe herum gien-
gen, und einen Mann mit einem groſſen weiſſen
Barte (der ihm faſt biß an die Guͤrtel-Staͤtte reich-
te) antraffen, welcher beſchaͤfftigt war, mit einer
Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde
zu machen.

Wir beteten zu GOtt, creutzigten und ſeegne-
ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuſte auf
den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er
es ſich ſo ſauer werden lieſſe, ein ſolches tieffes Loch
in die Erde zu graben, indem wir wohl ſaͤhen, daß
er ſehr bey ſolcher Arbeit ſchwitzte, dieſer Berg aber
vielleicht wohl zu hoch ſey, um etwa einen Brunnen
zum Waſſer-Schoͤpffen darauf auszugraben.

Hierauf oͤffnete der alte Greiß ſeinen Mund,
und ſagte zu mir: Liebe Schweſter in Chriſto,
dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal-
len, und wiſche mir den Schweiß von mei-
nem Angeſichte ab, ſodann will ich ferner
mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß
deine Gefaͤhrdin die Printzeßin
Mirzamanda
von Candabar, und du ihre Pflege-Mutter
biſt.

Jch erſtaunete ziemlicher Maaſſen uͤber die
Worte dieſes Mannes, jedoch, da er den Nahmen
Chriſti nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch
vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und
anderer Goͤtzen; machte mir derowegen kein Ge-
wiſſen, ihm den Schweiß aus ſeinem Angeſichte
mit einem reinen weiſſen Tuͤchlein abzuwiſchen;
Mirzamanda aber gieng inzwiſchen etwas auf die
Seite, kam jedoch bald wieder zuruͤck, da ſich denn

der
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[490/0500] noch Menſchen, biß wir um die Clauſe herum gien- gen, und einen Mann mit einem groſſen weiſſen Barte (der ihm faſt biß an die Guͤrtel-Staͤtte reich- te) antraffen, welcher beſchaͤfftigt war, mit einer Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde zu machen. Wir beteten zu GOtt, creutzigten und ſeegne- ten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuſte auf den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er es ſich ſo ſauer werden lieſſe, ein ſolches tieffes Loch in die Erde zu graben, indem wir wohl ſaͤhen, daß er ſehr bey ſolcher Arbeit ſchwitzte, dieſer Berg aber vielleicht wohl zu hoch ſey, um etwa einen Brunnen zum Waſſer-Schoͤpffen darauf auszugraben. Hierauf oͤffnete der alte Greiß ſeinen Mund, und ſagte zu mir: Liebe Schweſter in Chriſto, dem Welt-Heylande, erzeige mir den Gefal- len, und wiſche mir den Schweiß von mei- nem Angeſichte ab, ſodann will ich ferner mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß deine Gefaͤhrdin die Printzeßin Mirzamanda von Candabar, und du ihre Pflege-Mutter biſt. Jch erſtaunete ziemlicher Maaſſen uͤber die Worte dieſes Mannes, jedoch, da er den Nahmen Chriſti nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch vor keinen Heyden oder Anbether des Feuers und anderer Goͤtzen; machte mir derowegen kein Ge- wiſſen, ihm den Schweiß aus ſeinem Angeſichte mit einem reinen weiſſen Tuͤchlein abzuwiſchen; Mirzamanda aber gieng inzwiſchen etwas auf die Seite, kam jedoch bald wieder zuruͤck, da ſich denn der

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/500>, abgerufen am 22.11.2024.