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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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gewohnt gewesen, sein Gebet auf diesem Berge zu
verrichten, worauf er eines Tages lebendig gen
Himmel gefahren, oder von den Göttern hinauf
gezogen worden. Bey solcher Aufziehung nun
habe er diese Fußstapffen zu seinem Angedencken
zurück gelassen. Der Christen Glaube bey dieser
Geschichte ist aber gantz anders beschaffen, welche
davor halten, und aus alten Uhrkunden versichern
wollen: es habe der Teufel diesen Bourdau, als
einen Ertz-verfluchten Götzen-Knecht, leibhafftiger
Weise gehohlet, und von der allerhöchsteu Felsen-
Klippe herunter gestürtzt, da denn seine Camera-
d
en, nemlich die andern Götzen-Knechte und Prie-
ster, gar leicht eine solche Fußstapffen einarbeiten,
nachhero aber dem einfältigen Volcke vorschwa-
tzen können, als ob Bourdau lebendig gen Him-
mel gefahren wäre, und dieses Wahrzeichen zu-
rück gelassen hätte, denn die Ceylonier sind, mei-
nes Erachtens, ein sehr tummes Volck, sonderlich
aber in Glaubens-Sachen.

Unterdessen aber sind sie doch von ihren Gö-
tzen-Priestern noch ferner in so weit verführet oder
verblendet worden, daß sie gewiß glauben: dieser
gen Himmel gefahrne Bourdau wolle und könne
auch ihre Seelen in den Himmel nach sich ziehen,
und dieselben zur ewigen Seeligkeit bringen. Ja!
sie beten ihn mit der grösten Andacht an, und hal-
ten diesen Teufels-Braten recht vor ihren Halb-
Gott; wie denn ihm zu Ehren alljährlich, nach
der Christen Zeit-Rechnung, den 9. Tag des Mo-
naths Aprilis ein grosses Fest, bey welchem sie zu-
gleich ihr neues Jahr anfangen, angestellet wird,

welches

gewohnt geweſen, ſein Gebet auf dieſem Berge zu
verrichten, worauf er eines Tages lebendig gen
Himmel gefahren, oder von den Goͤttern hinauf
gezogen worden. Bey ſolcher Aufziehung nun
habe er dieſe Fußſtapffen zu ſeinem Angedencken
zuruͤck gelaſſen. Der Chriſten Glaube bey dieſer
Geſchichte iſt aber gantz anders beſchaffen, welche
davor halten, und aus alten Uhrkunden verſichern
wollen: es habe der Teufel dieſen Bourdau, als
einen Ertz-verfluchten Goͤtzen-Knecht, leibhafftiger
Weiſe gehohlet, und von der allerhoͤchſteu Felſen-
Klippe herunter geſtuͤrtzt, da denn ſeine Camera-
d
en, nemlich die andern Goͤtzen-Knechte und Prie-
ſter, gar leicht eine ſolche Fußſtapffen einarbeiten,
nachhero aber dem einfaͤltigen Volcke vorſchwa-
tzen koͤnnen, als ob Bourdau lebendig gen Him-
mel gefahren waͤre, und dieſes Wahrzeichen zu-
ruͤck gelaſſen haͤtte, denn die Ceylonier ſind, mei-
nes Erachtens, ein ſehr tummes Volck, ſonderlich
aber in Glaubens-Sachen.

Unterdeſſen aber ſind ſie doch von ihren Goͤ-
tzen-Prieſtern noch ferner in ſo weit verfuͤhret oder
verblendet worden, daß ſie gewiß glauben: dieſer
gen Himmel gefahrne Bourdau wolle und koͤnne
auch ihre Seelen in den Himmel nach ſich ziehen,
und dieſelben zur ewigen Seeligkeit bringen. Ja!
ſie beten ihn mit der groͤſten Andacht an, und hal-
ten dieſen Teufels-Braten recht vor ihren Halb-
Gott; wie denn ihm zu Ehren alljaͤhrlich, nach
der Chriſten Zeit-Rechnung, den 9. Tag des Mo-
naths Aprilis ein groſſes Feſt, bey welchem ſie zu-
gleich ihr neues Jahr anfangen, angeſtellet wird,

welches
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[511/0521] gewohnt geweſen, ſein Gebet auf dieſem Berge zu verrichten, worauf er eines Tages lebendig gen Himmel gefahren, oder von den Goͤttern hinauf gezogen worden. Bey ſolcher Aufziehung nun habe er dieſe Fußſtapffen zu ſeinem Angedencken zuruͤck gelaſſen. Der Chriſten Glaube bey dieſer Geſchichte iſt aber gantz anders beſchaffen, welche davor halten, und aus alten Uhrkunden verſichern wollen: es habe der Teufel dieſen Bourdau, als einen Ertz-verfluchten Goͤtzen-Knecht, leibhafftiger Weiſe gehohlet, und von der allerhoͤchſteu Felſen- Klippe herunter geſtuͤrtzt, da denn ſeine Camera- den, nemlich die andern Goͤtzen-Knechte und Prie- ſter, gar leicht eine ſolche Fußſtapffen einarbeiten, nachhero aber dem einfaͤltigen Volcke vorſchwa- tzen koͤnnen, als ob Bourdau lebendig gen Him- mel gefahren waͤre, und dieſes Wahrzeichen zu- ruͤck gelaſſen haͤtte, denn die Ceylonier ſind, mei- nes Erachtens, ein ſehr tummes Volck, ſonderlich aber in Glaubens-Sachen. Unterdeſſen aber ſind ſie doch von ihren Goͤ- tzen-Prieſtern noch ferner in ſo weit verfuͤhret oder verblendet worden, daß ſie gewiß glauben: dieſer gen Himmel gefahrne Bourdau wolle und koͤnne auch ihre Seelen in den Himmel nach ſich ziehen, und dieſelben zur ewigen Seeligkeit bringen. Ja! ſie beten ihn mit der groͤſten Andacht an, und hal- ten dieſen Teufels-Braten recht vor ihren Halb- Gott; wie denn ihm zu Ehren alljaͤhrlich, nach der Chriſten Zeit-Rechnung, den 9. Tag des Mo- naths Aprilis ein groſſes Feſt, bey welchem ſie zu- gleich ihr neues Jahr anfangen, angeſtellet wird, welches

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/521>, abgerufen am 21.11.2024.