Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893. Max. Wir haben oft genug davon gesprochen. Anatol. Auch jener junge Mensch war dort, von dem ich sicher weiß, daß er die Jugendliebe meiner Braut war. Max. Ach, der junge Ralmen. Anatol. Ja -- so eine Art Dichter glaub' ich. Einer von denen, die dazu bestimmt scheinen, zwar die erste Liebe von so Mancher, doch von Keiner die letzte zu bedeuten. Max. Ich zöge vor, Du kämest zur Sache. Anatol. Er war mir eigentlich ganz gleichgiltig; im Grunde lächelte ich über ihn... Um Mitternacht ging die Gesellschaft auseinander. Ich nahm von meiner Braut mit einem Kusse Abschied. Auch sie küßte mich .. kalt.. Wäh- rend ich die Stiege hinunterschritt, fröstelte mich. Max. Aha .. Anatol. Beim Thore gratulirte mir noch der und jener. Onkel Eduard war betrunken und umarmte mich. Ein Doctor der Rechte sang ein Studentenlied. Die Jugendliebe, der Dichter mein' ich, verschwand mit aufgesteck- tem Kragen in einer Seitengasse. Einer neckte mich! ich würde nun gewiß vor den Fenstern der Geliebten den Rest der Nacht spazieren wandeln. Ich lächelte höhnisch... Es hatte zu schneien begonnen. Die Leute zerstreuten sich all- mählich ... ich stand allein... Max (bedauernd). Hm... Anatol (wärmer). Ja; stand allein auf der Straße -- in der kalten Winternacht, während der Schnee in großen Flocken um mich wirbelte. Es war gewissermaßen ... schauerlich. Max. Wir haben oft genug davon geſprochen. Anatol. Auch jener junge Menſch war dort, von dem ich ſicher weiß, daß er die Jugendliebe meiner Braut war. Max. Ach, der junge Ralmen. Anatol. Ja — ſo eine Art Dichter glaub’ ich. Einer von denen, die dazu beſtimmt ſcheinen, zwar die erſte Liebe von ſo Mancher, doch von Keiner die letzte zu bedeuten. Max. Ich zöge vor, Du kämeſt zur Sache. Anatol. Er war mir eigentlich ganz gleichgiltig; im Grunde lächelte ich über ihn… Um Mitternacht ging die Geſellſchaft auseinander. Ich nahm von meiner Braut mit einem Kuſſe Abſchied. Auch ſie küßte mich .. kalt.. Wäh- rend ich die Stiege hinunterſchritt, fröſtelte mich. Max. Aha .. Anatol. Beim Thore gratulirte mir noch der und jener. Onkel Eduard war betrunken und umarmte mich. Ein Doctor der Rechte ſang ein Studentenlied. Die Jugendliebe, der Dichter mein’ ich, verſchwand mit aufgeſteck- tem Kragen in einer Seitengaſſe. Einer neckte mich! ich würde nun gewiß vor den Fenſtern der Geliebten den Reſt der Nacht ſpazieren wandeln. Ich lächelte höhniſch… Es hatte zu ſchneien begonnen. Die Leute zerſtreuten ſich all- mählich … ich ſtand allein… Max (bedauernd). Hm… Anatol (wärmer). Ja; ſtand allein auf der Straße — in der kalten Winternacht, während der Schnee in großen Flocken um mich wirbelte. Es war gewiſſermaßen … ſchauerlich. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0129" n="119"/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Wir haben oft genug davon geſprochen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Auch jener junge Menſch war dort, von dem<lb/> ich ſicher weiß, daß er die Jugendliebe meiner Braut war.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Ach, der junge Ralmen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Ja — ſo eine Art Dichter glaub’ ich. 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Max. Wir haben oft genug davon geſprochen.
Anatol. Auch jener junge Menſch war dort, von dem
ich ſicher weiß, daß er die Jugendliebe meiner Braut war.
Max. Ach, der junge Ralmen.
Anatol. Ja — ſo eine Art Dichter glaub’ ich. Einer
von denen, die dazu beſtimmt ſcheinen, zwar die erſte Liebe
von ſo Mancher, doch von Keiner die letzte zu bedeuten.
Max. Ich zöge vor, Du kämeſt zur Sache.
Anatol. Er war mir eigentlich ganz gleichgiltig; im
Grunde lächelte ich über ihn… Um Mitternacht ging die
Geſellſchaft auseinander. Ich nahm von meiner Braut mit
einem Kuſſe Abſchied. Auch ſie küßte mich .. kalt.. Wäh-
rend ich die Stiege hinunterſchritt, fröſtelte mich.
Max. Aha ..
Anatol. Beim Thore gratulirte mir noch der und
jener. Onkel Eduard war betrunken und umarmte mich.
Ein Doctor der Rechte ſang ein Studentenlied. Die
Jugendliebe, der Dichter mein’ ich, verſchwand mit aufgeſteck-
tem Kragen in einer Seitengaſſe. Einer neckte mich! ich
würde nun gewiß vor den Fenſtern der Geliebten den Reſt
der Nacht ſpazieren wandeln. Ich lächelte höhniſch… Es
hatte zu ſchneien begonnen. Die Leute zerſtreuten ſich all-
mählich … ich ſtand allein…
Max (bedauernd). Hm…
Anatol (wärmer). Ja; ſtand allein auf der Straße —
in der kalten Winternacht, während der Schnee in großen
Flocken um mich wirbelte. Es war gewiſſermaßen …
ſchauerlich.
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