Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893.
"Anatol, ich bin eine Verlorene, aber ich liebe Dich ...!" Keine von den dummen Ausflüchten, die die Andern im Munde führen, kam über meine Lippen -- Nein, ich sprach es aus: Anatol, ich habe das Wohlleben geliebt, Anatol, ich war lüstern, heißblütig -- ich habe mich verkauft, verschenkt -- ich bin Deiner Liebe nicht werth ... Erinnerst Du Dich auch, daß ich Dir das sagte, bevor Du mir das erste Mal die Hand küßtest? ... Ja, ich wollte Dich fliehen, weil ich Dich liebte, und Du verfolgtest mich ... Du hast um meine Liebe ge- bettelt ... und ich wollte Dich nicht, weil ich mich den Mann nicht zu beflecken getraute, den ich mehr, den ich anders, -- ach, den ersten Mann, den ich liebte ...! Und da hast Du mich genommen und ich war Dein! ... Wie hab ich ge- schauert ... gebebt ... geweint ... Und Du hast mich so hoch gehoben, hast mir Alles wieder zurückgegeben, Stück für Stück, was sie mir genommen hatten ... ich ward in Deinen wilden Armen, was ich nie gewesen: rein ... und glücklich ... Du warst so groß, ... Du konntest verzeihen ... Und jetzt ... Anatol. ... Und jetzt ...? Emilie. Und jetzt jagst Du mich eben wieder davon, weil ich doch nur bin wie die Andern -- Anatol. Nein, ... nein, das bist Du nicht. Emilie. (mild): Was willst Du also ...? Soll ich ihn wegwerfen ... den Rubin . .? Anatol. Ich bin nicht groß, ach nein. ... sehr, sehr kleinlich ... wirf ihn weg diesen Rubin ... (er betrachtet ihn) Er ist aus dem Medaillon gefallen ... er lag im Grase --
„Anatol, ich bin eine Verlorene, aber ich liebe Dich …!“ Keine von den dummen Ausflüchten, die die Andern im Munde führen, kam über meine Lippen — Nein, ich ſprach es aus: Anatol, ich habe das Wohlleben geliebt, Anatol, ich war lüſtern, heißblütig — ich habe mich verkauft, verſchenkt — ich bin Deiner Liebe nicht werth … Erinnerſt Du Dich auch, daß ich Dir das ſagte, bevor Du mir das erſte Mal die Hand küßteſt? … Ja, ich wollte Dich fliehen, weil ich Dich liebte, und Du verfolgteſt mich … Du haſt um meine Liebe ge- bettelt … und ich wollte Dich nicht, weil ich mich den Mann nicht zu beflecken getraute, den ich mehr, den ich anders, — ach, den erſten Mann, den ich liebte …! Und da haſt Du mich genommen und ich war Dein! … Wie hab ich ge- ſchauert … gebebt … geweint … Und Du haſt mich ſo hoch gehoben, haſt mir Alles wieder zurückgegeben, Stück für Stück, was ſie mir genommen hatten … ich ward in Deinen wilden Armen, was ich nie geweſen: rein … und glücklich … Du warſt ſo groß, … Du konnteſt verzeihen … Und jetzt … Anatol. … Und jetzt …? Emilie. Und jetzt jagſt Du mich eben wieder davon, weil ich doch nur bin wie die Andern — Anatol. Nein, … nein, das biſt Du nicht. Emilie. (mild): Was willſt Du alſo …? Soll ich ihn wegwerfen … den Rubin . .? Anatol. Ich bin nicht groß, ach nein. … ſehr, ſehr kleinlich … wirf ihn weg dieſen Rubin … (er betrachtet ihn) Er iſt aus dem Medaillon gefallen … er lag im Graſe — <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp who="#EMI"> <p><pb facs="#f0083" n="73"/> „Anatol, ich bin eine Verlorene, aber ich liebe Dich …!“<lb/> Keine von den dummen Ausflüchten, die die Andern im Munde<lb/> führen, kam über meine Lippen — Nein, ich ſprach es aus:<lb/> Anatol, ich habe das Wohlleben geliebt, Anatol, ich war lüſtern,<lb/> heißblütig — ich habe mich verkauft, verſchenkt — ich bin<lb/> Deiner Liebe nicht werth … Erinnerſt Du Dich auch,<lb/> daß ich Dir das ſagte, bevor Du mir das erſte Mal die Hand<lb/> küßteſt? … Ja, ich wollte Dich fliehen, weil ich Dich liebte,<lb/> und Du verfolgteſt mich … Du haſt um meine Liebe ge-<lb/> bettelt … und ich wollte Dich nicht, weil ich mich den Mann<lb/> nicht zu beflecken getraute, den ich mehr, den ich anders, —<lb/> ach, den erſten Mann, den ich liebte …! Und da haſt Du<lb/> mich genommen und ich war Dein! … Wie hab ich ge-<lb/> ſchauert … gebebt … geweint … Und Du haſt mich<lb/> ſo hoch gehoben, haſt mir Alles wieder zurückgegeben, Stück<lb/> für Stück, was ſie mir genommen hatten … ich ward in<lb/> Deinen wilden Armen, was ich nie geweſen: rein … und<lb/> glücklich … Du warſt ſo groß, … Du konnteſt verzeihen …<lb/> Und jetzt …</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>… Und jetzt …?</p> </sp><lb/> <sp who="#EMI"> <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker> <p>Und jetzt jagſt Du mich eben wieder davon,<lb/> weil ich doch nur bin wie die Andern —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Nein, … nein, das biſt Du nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#EMI"> <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker> <stage>(mild):</stage> <p>Was willſt Du alſo …? Soll ich ihn<lb/> wegwerfen … den Rubin . .?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Ich bin nicht groß, ach nein. … ſehr, ſehr<lb/> kleinlich … wirf ihn weg dieſen Rubin …<stage>(er betrachtet ihn)</stage><lb/> Er iſt aus dem Medaillon gefallen … er lag im Graſe —<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0083]
„Anatol, ich bin eine Verlorene, aber ich liebe Dich …!“
Keine von den dummen Ausflüchten, die die Andern im Munde
führen, kam über meine Lippen — Nein, ich ſprach es aus:
Anatol, ich habe das Wohlleben geliebt, Anatol, ich war lüſtern,
heißblütig — ich habe mich verkauft, verſchenkt — ich bin
Deiner Liebe nicht werth … Erinnerſt Du Dich auch,
daß ich Dir das ſagte, bevor Du mir das erſte Mal die Hand
küßteſt? … Ja, ich wollte Dich fliehen, weil ich Dich liebte,
und Du verfolgteſt mich … Du haſt um meine Liebe ge-
bettelt … und ich wollte Dich nicht, weil ich mich den Mann
nicht zu beflecken getraute, den ich mehr, den ich anders, —
ach, den erſten Mann, den ich liebte …! Und da haſt Du
mich genommen und ich war Dein! … Wie hab ich ge-
ſchauert … gebebt … geweint … Und Du haſt mich
ſo hoch gehoben, haſt mir Alles wieder zurückgegeben, Stück
für Stück, was ſie mir genommen hatten … ich ward in
Deinen wilden Armen, was ich nie geweſen: rein … und
glücklich … Du warſt ſo groß, … Du konnteſt verzeihen …
Und jetzt …
Anatol. … Und jetzt …?
Emilie. Und jetzt jagſt Du mich eben wieder davon,
weil ich doch nur bin wie die Andern —
Anatol. Nein, … nein, das biſt Du nicht.
Emilie. (mild): Was willſt Du alſo …? Soll ich ihn
wegwerfen … den Rubin . .?
Anatol. Ich bin nicht groß, ach nein. … ſehr, ſehr
kleinlich … wirf ihn weg dieſen Rubin …(er betrachtet ihn)
Er iſt aus dem Medaillon gefallen … er lag im Graſe —
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