Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Br
Ein neuer Prometheus bestiehlt den Himmel
wieder;
Zieht Blitz und Stral aus Staub; und macht
dem Donner Brüder. Haller, 37 S.

Hat das Prometheus gethan? Jch glaube, ein
Ast ist nicht Staub. Oder gehet das auf die
Electricität? So wußte sie Prometheus auch
schon? Dächte man doch nicht! Allein das ist eine
Synecdoche. Antilongin. 72 S. Noch eine
Figur: der Reimzwang! Würde man sonst
Scheffel und Lasten a. St. Schocke erndten
lassen? Zu Lasten Korn gehöret auch ein sehr
groß Stück Land, dem Meere zu entreissen. Wie
könnte man aber so geschwind ein berühmter Poet
werden, wenn man den grammatikalischen Gril-
lenfängern folgen wollte! Jch will einmal Gift
und Gegengift neben einander setzen. Der Leser
wähle!

Das Meer wird selbst verdrängt; sein altes Ziel
entfernt;
Und wo manch Schiff verging, itzt Lasten
Korn geerndt. Haller.

Wer weiß, was diesen Berg, der itzt ein Auge
schröckt,
Den Fels, der ewig scheint, noch für ein Schick-
sal deckt?
Vieleicht wird hier, wo itzt die dicken Wolken
stehen,
Dereinst ein schweres Schiff mit vollen Segeln
gehen. Gottsched.

Aber das heißt nichts: man kanns verstehen.

Brü-
Br
Ein neuer Prometheus beſtiehlt den Himmel
wieder;
Zieht Blitz und Stral aus Staub; und macht
dem Donner Bruͤder. Haller, 37 S.

Hat das Prometheus gethan? Jch glaube, ein
Aſt iſt nicht Staub. Oder gehet das auf die
Electricitaͤt? So wußte ſie Prometheus auch
ſchon? Daͤchte man doch nicht! Allein das iſt eine
Synecdoche. Antilongin. 72 S. Noch eine
Figur: der Reimzwang! Wuͤrde man ſonſt
Scheffel und Laſten a. St. Schocke erndten
laſſen? Zu Laſten Korn gehoͤret auch ein ſehr
groß Stuͤck Land, dem Meere zu entreiſſen. Wie
koͤnnte man aber ſo geſchwind ein beruͤhmter Poet
werden, wenn man den grammatikaliſchen Gril-
lenfaͤngern folgen wollte! Jch will einmal Gift
und Gegengift neben einander ſetzen. Der Leſer
waͤhle!

Das Meer wird ſelbſt verdraͤngt; ſein altes Ziel
entfernt;
Und wo manch Schiff verging, itzt Laſten
Korn geerndt. Haller.

Wer weiß, was dieſen Berg, der itzt ein Auge
ſchroͤckt,
Den Fels, der ewig ſcheint, noch fuͤr ein Schick-
ſal deckt?
Vieleicht wird hier, wo itzt die dicken Wolken
ſtehen,
Dereinſt ein ſchweres Schiff mit vollen Segeln
gehen. Gottſched.

Aber das heißt nichts: man kanns verſtehen.

Bruͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0104" n="78"/>
            <fw place="top" type="header">Br</fw><lb/>
            <cit>
              <quote>Ein neuer <hi rendition="#fr">Prometheus</hi> be&#x017F;tiehlt den Himmel<lb/><hi rendition="#et">wieder;</hi><lb/><hi rendition="#fr">Zieht Blitz</hi> und <hi rendition="#fr">Stral</hi> aus <hi rendition="#fr">Staub;</hi> und macht<lb/><hi rendition="#et">dem <hi rendition="#fr">Donner Bru&#x0364;der. Haller, 37 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Hat das <hi rendition="#fr">Prometheus</hi> gethan? Jch glaube, ein<lb/><hi rendition="#fr">A&#x017F;t</hi> i&#x017F;t nicht <hi rendition="#fr">Staub.</hi> Oder gehet das auf die<lb/>
Electricita&#x0364;t? So wußte &#x017F;ie Prometheus auch<lb/>
&#x017F;chon? Da&#x0364;chte man doch nicht! Allein das i&#x017F;t eine<lb/><hi rendition="#fr">Synecdoche. Antilongin. 72 S.</hi> Noch eine<lb/>
Figur: der <hi rendition="#fr">Reimzwang!</hi> Wu&#x0364;rde man &#x017F;on&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">Scheffel</hi> und <hi rendition="#fr">La&#x017F;ten</hi> a. St. <hi rendition="#fr">Schocke erndten</hi><lb/>
la&#x017F;&#x017F;en? Zu <hi rendition="#fr">La&#x017F;ten Korn</hi> geho&#x0364;ret auch ein &#x017F;ehr<lb/>
groß Stu&#x0364;ck Land, dem <hi rendition="#fr">Meere zu entrei&#x017F;&#x017F;en.</hi> Wie<lb/>
ko&#x0364;nnte man aber &#x017F;o ge&#x017F;chwind ein beru&#x0364;hmter Poet<lb/>
werden, wenn man den grammatikali&#x017F;chen Gril-<lb/>
lenfa&#x0364;ngern folgen wollte! Jch will einmal <hi rendition="#fr">Gift</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Gegengift</hi> neben einander &#x017F;etzen. Der Le&#x017F;er<lb/>
wa&#x0364;hle!</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Das Meer wird &#x017F;elb&#x017F;t verdra&#x0364;ngt; &#x017F;ein altes Ziel<lb/><hi rendition="#et">entfernt;</hi><lb/>
Und wo manch Schiff verging, itzt <hi rendition="#fr">La&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#et">Korn geerndt. Haller.</hi></hi><lb/>
Wer weiß, was die&#x017F;en Berg, der itzt ein Auge<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chro&#x0364;ckt,</hi><lb/>
Den Fels, der ewig &#x017F;cheint, noch fu&#x0364;r ein Schick-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;al deckt?</hi><lb/>
Vieleicht wird hier, wo itzt die dicken Wolken<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tehen,</hi><lb/>
Derein&#x017F;t ein &#x017F;chweres Schiff mit vollen Segeln<lb/><hi rendition="#et">gehen. <hi rendition="#fr">Gott&#x017F;ched.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Aber das heißt nichts: man kanns ver&#x017F;tehen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Bru&#x0364;-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0104] Br Ein neuer Prometheus beſtiehlt den Himmel wieder; Zieht Blitz und Stral aus Staub; und macht dem Donner Bruͤder. Haller, 37 S. Hat das Prometheus gethan? Jch glaube, ein Aſt iſt nicht Staub. Oder gehet das auf die Electricitaͤt? So wußte ſie Prometheus auch ſchon? Daͤchte man doch nicht! Allein das iſt eine Synecdoche. Antilongin. 72 S. Noch eine Figur: der Reimzwang! Wuͤrde man ſonſt Scheffel und Laſten a. St. Schocke erndten laſſen? Zu Laſten Korn gehoͤret auch ein ſehr groß Stuͤck Land, dem Meere zu entreiſſen. Wie koͤnnte man aber ſo geſchwind ein beruͤhmter Poet werden, wenn man den grammatikaliſchen Gril- lenfaͤngern folgen wollte! Jch will einmal Gift und Gegengift neben einander ſetzen. Der Leſer waͤhle! Das Meer wird ſelbſt verdraͤngt; ſein altes Ziel entfernt; Und wo manch Schiff verging, itzt Laſten Korn geerndt. Haller. Wer weiß, was dieſen Berg, der itzt ein Auge ſchroͤckt, Den Fels, der ewig ſcheint, noch fuͤr ein Schick- ſal deckt? Vieleicht wird hier, wo itzt die dicken Wolken ſtehen, Dereinſt ein ſchweres Schiff mit vollen Segeln gehen. Gottſched. Aber das heißt nichts: man kanns verſtehen. Bruͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/104
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/104>, abgerufen am 22.11.2024.