doch Lazarus am jüngsten Tage sagen, wenn ihm Klopstock die Cidli geführet bringen wird?
Erlieset, a. St. erkieset, von auslesen.
Dieses Wort ist von großer Wirkung in der hallerischen Terminologie. Denn so saget der Termino- logicus:
- - Den Raum des öden Orts Erfüllt verschiedner Zeug, den regende Gewalt Erlieset, trennet, mischt, und sammelt in Ge- stalt. Haller, 101 S.
Jst das nicht schön Deutsch, etwas in Gestalt sammeln? Jn der Bibel stehet schon der Zeug. Dem Zeuge Jsrael Hohn sprechen; allein hier stehet es a. St. Stoff.
Ertrocknen am Verstande.
Ein schönes und nicht lächerliches Gleichniß ist dieses:
Zwo Thüren weit davon wird, wie ein Fisch im Sande, Er fern von seinem Volk ertrocknen am Ver- stande. Haller, 92 S.
Also ertrocknet ein Fisch im Sande am Ver- stande? d. i. ein Fisch stirbt, wann er in den Sand geräth. Ertrocknet er da nun gleich nicht am Verstande, so wird er doch am Leibe tro- cken; und stirbt. Ein Stutzer aber stirbet nicht, wenn er gleich nicht Zoten reißen kann. Vielen poetischen Gleichnissen gehet es, wie den meisten mathematischen Beweisen; denen man auch den Beweis eben nicht ansiehet, wäre der Mathe- matiker nicht vorsichtig, und schriebe ihn darüber. Dichter thäten daher wohl, wenn sie ihre Gedichte
auch
Er
doch Lazarus am juͤngſten Tage ſagen, wenn ihm Klopſtock die Cidli gefuͤhret bringen wird?
Erlieſet, a. St. erkieſet, von ausleſen.
Dieſes Wort iſt von großer Wirkung in der halleriſchen Terminologie. Denn ſo ſaget der Termino- logicus:
- - Den Raum des oͤden Orts Erfuͤllt verſchiedner Zeug, den regende Gewalt Erlieſet, trennet, miſcht, und ſammelt in Ge- ſtalt. Haller, 101 S.
Jſt das nicht ſchoͤn Deutſch, etwas in Geſtalt ſammeln? Jn der Bibel ſtehet ſchon der Zeug. Dem Zeuge Jſrael Hohn ſprechen; allein hier ſtehet es a. St. Stoff.
Ertrocknen am Verſtande.
Ein ſchoͤnes und nicht laͤcherliches Gleichniß iſt dieſes:
Zwo Thuͤren weit davon wird, wie ein Fiſch im Sande, Er fern von ſeinem Volk ertrocknen am Ver- ſtande. Haller, 92 S.
Alſo ertrocknet ein Fiſch im Sande am Ver- ſtande? d. i. ein Fiſch ſtirbt, wann er in den Sand geraͤth. Ertrocknet er da nun gleich nicht am Verſtande, ſo wird er doch am Leibe tro- cken; und ſtirbt. Ein Stutzer aber ſtirbet nicht, wenn er gleich nicht Zoten reißen kann. Vielen poetiſchen Gleichniſſen gehet es, wie den meiſten mathematiſchen Beweiſen; denen man auch den Beweis eben nicht anſiehet, waͤre der Mathe- matiker nicht vorſichtig, und ſchriebe ihn daruͤber. Dichter thaͤten daher wohl, wenn ſie ihre Gedichte
auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0152"n="126"/><fwplace="top"type="header">Er</fw><lb/>
doch <hirendition="#fr">Lazarus</hi> am juͤngſten Tage ſagen, wenn ihm<lb/><hirendition="#fr">Klopſtock</hi> die <hirendition="#fr">Cidli</hi> gefuͤhret bringen wird?</p></div><lb/><divn="3"><head>Erlieſet, a. St. erkieſet, von ausleſen.</head><p>Dieſes<lb/>
Wort iſt von großer Wirkung in der <hirendition="#fr">halleriſchen<lb/>
Terminologie.</hi> Denn ſo ſaget der <hirendition="#fr">Termino-<lb/>
logicus:</hi></p><lb/><cit><quote>- - Den Raum des oͤden Orts<lb/>
Erfuͤllt verſchiedner Zeug, <hirendition="#fr">den</hi> regende Gewalt<lb/><hirendition="#fr">Erlieſet,</hi> trennet, miſcht, und <hirendition="#fr">ſammelt in Ge-<lb/><hirendition="#et">ſtalt. Haller, 101 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Jſt das nicht ſchoͤn Deutſch, <hirendition="#fr">etwas in Geſtalt<lb/>ſammeln?</hi> Jn der Bibel ſtehet ſchon <hirendition="#fr">der Zeug.<lb/>
Dem Zeuge Jſrael Hohn ſprechen;</hi> allein hier<lb/>ſtehet es a. St. <hirendition="#fr">Stoff.</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Ertrocknen am Verſtande.</head><p>Ein ſchoͤnes und nicht<lb/>
laͤcherliches Gleichniß iſt dieſes:</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l>Zwo Thuͤren weit davon wird, <hirendition="#fr">wie ein Fiſch<lb/><hirendition="#et">im Sande,</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Er fern von ſeinem Volk <hirendition="#fr">ertrocknen am Ver-</hi></hi><lb/><hirendition="#fr"><hirendition="#et">ſtande. Haller, 92 S.</hi></hi></l></lg></quote><bibl/></cit><lb/><p>Alſo <hirendition="#fr">ertrocknet ein Fiſch im Sande am Ver-<lb/>ſtande?</hi> d. i. <hirendition="#fr">ein Fiſch ſtirbt,</hi> wann er in den<lb/>
Sand geraͤth. <hirendition="#fr">Ertrocknet</hi> er da nun gleich nicht<lb/><hirendition="#fr">am Verſtande,</hi>ſo wird er doch <hirendition="#fr">am Leibe tro-<lb/>
cken;</hi> und ſtirbt. Ein Stutzer aber ſtirbet nicht,<lb/>
wenn er gleich nicht Zoten reißen kann. Vielen<lb/><hirendition="#fr">poetiſchen Gleichniſſen</hi> gehet es, wie den meiſten<lb/><hirendition="#fr">mathematiſchen Beweiſen;</hi> denen man auch den<lb/><hirendition="#fr">Beweis</hi> eben nicht anſiehet, waͤre der <hirendition="#fr">Mathe-<lb/>
matiker</hi> nicht vorſichtig, und ſchriebe ihn daruͤber.<lb/>
Dichter thaͤten daher wohl, wenn ſie ihre Gedichte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[126/0152]
Er
doch Lazarus am juͤngſten Tage ſagen, wenn ihm
Klopſtock die Cidli gefuͤhret bringen wird?
Erlieſet, a. St. erkieſet, von ausleſen. Dieſes
Wort iſt von großer Wirkung in der halleriſchen
Terminologie. Denn ſo ſaget der Termino-
logicus:
- - Den Raum des oͤden Orts
Erfuͤllt verſchiedner Zeug, den regende Gewalt
Erlieſet, trennet, miſcht, und ſammelt in Ge-
ſtalt. Haller, 101 S.
Jſt das nicht ſchoͤn Deutſch, etwas in Geſtalt
ſammeln? Jn der Bibel ſtehet ſchon der Zeug.
Dem Zeuge Jſrael Hohn ſprechen; allein hier
ſtehet es a. St. Stoff.
Ertrocknen am Verſtande. Ein ſchoͤnes und nicht
laͤcherliches Gleichniß iſt dieſes:
Zwo Thuͤren weit davon wird, wie ein Fiſch
im Sande,
Er fern von ſeinem Volk ertrocknen am Ver-
ſtande. Haller, 92 S.
Alſo ertrocknet ein Fiſch im Sande am Ver-
ſtande? d. i. ein Fiſch ſtirbt, wann er in den
Sand geraͤth. Ertrocknet er da nun gleich nicht
am Verſtande, ſo wird er doch am Leibe tro-
cken; und ſtirbt. Ein Stutzer aber ſtirbet nicht,
wenn er gleich nicht Zoten reißen kann. Vielen
poetiſchen Gleichniſſen gehet es, wie den meiſten
mathematiſchen Beweiſen; denen man auch den
Beweis eben nicht anſiehet, waͤre der Mathe-
matiker nicht vorſichtig, und ſchriebe ihn daruͤber.
Dichter thaͤten daher wohl, wenn ſie ihre Gedichte
auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/152>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.