Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Ku
ein Freund, wenn er sich von dem andern tren-
nen muß:
und das finden wir gar nicht übertrie-
ben. Noch ein Paar Küsse! Ein ganzes halbes
Dutzend! Und das ist kein Wunder: denn, wie
die letzte Arie zeiget, so ist er besoffen.

Vom Taumel (lieber, Bächer!) entzückender
Regung berauschet,
Mit Ruhe, die niemand für Kronen vertauschet,
Umschatte, o! Himmel! den redlichsten Freund.
J. F. E. Fabricius.

Am schönsten ist es, daß dieser Herr seinem Freun-
de,
oder dem Himmel, einen Rausch, oder Tau-
mel
anwünschet. Das Wort Taumel drücket
überdieß in der heiligen Sprache einen göttli-
chen Rausch
oder Begeisterung aus; und die-
semnach haben wir viel besoffene Dichter. Noch
ein Küßchen! denn wie könnte man ein Schäfer-
dichter
seyn, und nicht küssen?

"Gestalt und Pracht, der Farben Stärke,
"Die Mund u. Brust u. Wangen schmückt,
"Thun zwar so lange Wunderwerke,
"Als man im Kusse Blumen pflückt.
Zernitz, 70 S.

Wir haben es versuchet; wir bestreuten den Mund
unsers Engelchens mit Blumen, und küßten:
aber es schmeckte nicht; denn wir küßten nur
Blumen, und pflückten sie nicht. Wir kniee-
ten daher auf eine Wiese, wo Veilchen stunden,
und küßten und pflückten. Wir pflückten aber
auch Kuhblumen: denn indem wir küßten: so
sahen wir nicht; wir hätten auch wohl in et-

was
R

Ku
ein Freund, wenn er ſich von dem andern tren-
nen muß:
und das finden wir gar nicht uͤbertrie-
ben. Noch ein Paar Kuͤſſe! Ein ganzes halbes
Dutzend! Und das iſt kein Wunder: denn, wie
die letzte Arie zeiget, ſo iſt er beſoffen.

Vom Taumel (lieber, Baͤcher!) entzuͤckender
Regung berauſchet,
Mit Ruhe, die niemand fuͤr Kronen vertauſchet,
Umſchatte, o! Himmel! den redlichſten Freund.
J. F. E. Fabricius.

Am ſchoͤnſten iſt es, daß dieſer Herr ſeinem Freun-
de,
oder dem Himmel, einen Rauſch, oder Tau-
mel
anwuͤnſchet. Das Wort Taumel druͤcket
uͤberdieß in der heiligen Sprache einen goͤttli-
chen Rauſch
oder Begeiſterung aus; und die-
ſemnach haben wir viel beſoffene Dichter. Noch
ein Kuͤßchen! denn wie koͤnnte man ein Schaͤfer-
dichter
ſeyn, und nicht kuͤſſen?

“Geſtalt und Pracht, der Farben Staͤrke,
“Die Mund u. Bruſt u. Wangen ſchmuͤckt,
“Thun zwar ſo lange Wunderwerke,
Als man im Kuſſe Blumen pfluͤckt.
Zernitz, 70 S.

Wir haben es verſuchet; wir beſtreuten den Mund
unſers Engelchens mit Blumen, und kuͤßten:
aber es ſchmeckte nicht; denn wir kuͤßten nur
Blumen, und pfluͤckten ſie nicht. Wir kniee-
ten daher auf eine Wieſe, wo Veilchen ſtunden,
und kuͤßten und pfluͤckten. Wir pfluͤckten aber
auch Kuhblumen: denn indem wir kuͤßten: ſo
ſahen wir nicht; wir haͤtten auch wohl in et-

was
R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0283" n="257"/><fw place="top" type="header">Ku</fw><lb/><hi rendition="#fr">ein Freund, wenn er &#x017F;ich von dem andern tren-<lb/>
nen muß:</hi> und das finden wir gar nicht u&#x0364;bertrie-<lb/>
ben. Noch ein Paar <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e!</hi> Ein ganzes halbes<lb/><hi rendition="#fr">Dutzend!</hi> Und das i&#x017F;t kein Wunder: denn, wie<lb/>
die letzte Arie zeiget, &#x017F;o i&#x017F;t er <hi rendition="#fr">be&#x017F;offen.</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote>Vom <hi rendition="#fr">Taumel</hi> (lieber, <hi rendition="#fr">Ba&#x0364;cher!</hi>) entzu&#x0364;ckender<lb/><hi rendition="#et">Regung <hi rendition="#fr">berau&#x017F;chet,</hi></hi><lb/>
Mit Ruhe, die niemand fu&#x0364;r Kronen vertau&#x017F;chet,<lb/>
Um&#x017F;chatte, o! Himmel! den redlich&#x017F;ten Freund.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">J. F. E. Fabricius.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Am &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten i&#x017F;t es, daß die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Herr</hi> &#x017F;einem <hi rendition="#fr">Freun-<lb/>
de,</hi> oder dem <hi rendition="#fr">Himmel,</hi> einen <hi rendition="#fr">Rau&#x017F;ch,</hi> oder <hi rendition="#fr">Tau-<lb/>
mel</hi> anwu&#x0364;n&#x017F;chet. Das Wort <hi rendition="#fr">Taumel</hi> dru&#x0364;cket<lb/>
u&#x0364;berdieß in der <hi rendition="#fr">heiligen Sprache</hi> einen <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttli-<lb/>
chen Rau&#x017F;ch</hi> oder <hi rendition="#fr">Begei&#x017F;terung</hi> aus; und die-<lb/>
&#x017F;emnach haben wir viel <hi rendition="#fr">be&#x017F;offene Dichter.</hi> Noch<lb/>
ein <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;ßchen!</hi> denn wie ko&#x0364;nnte man ein <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;fer-<lb/>
dichter</hi> &#x017F;eyn, und nicht <hi rendition="#fr">ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en?</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x201C;Ge&#x017F;talt und Pracht, der Farben Sta&#x0364;rke,<lb/>
&#x201C;Die Mund u. Bru&#x017F;t u. Wangen <hi rendition="#fr">&#x017F;chmu&#x0364;ckt,</hi><lb/>
&#x201C;Thun zwar &#x017F;o lange Wunderwerke,<lb/>
&#x201C;<hi rendition="#fr">Als man im Ku&#x017F;&#x017F;e Blumen pflu&#x0364;ckt.<lb/><hi rendition="#et">Zernitz, 70 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Wir haben es ver&#x017F;uchet; wir be&#x017F;treuten den Mund<lb/>
un&#x017F;ers Engelchens mit <hi rendition="#fr">Blumen,</hi> und <hi rendition="#fr">ku&#x0364;ßten:</hi><lb/>
aber es <hi rendition="#fr">&#x017F;chmeckte nicht;</hi> denn wir <hi rendition="#fr">ku&#x0364;ßten</hi> nur<lb/><hi rendition="#fr">Blumen,</hi> und <hi rendition="#fr">pflu&#x0364;ckten</hi> &#x017F;ie nicht. Wir kniee-<lb/>
ten daher auf eine Wie&#x017F;e, wo <hi rendition="#fr">Veilchen</hi> &#x017F;tunden,<lb/>
und <hi rendition="#fr">ku&#x0364;ßten</hi> und <hi rendition="#fr">pflu&#x0364;ckten.</hi> Wir <hi rendition="#fr">pflu&#x0364;ckten</hi> aber<lb/>
auch <hi rendition="#fr">Kuhblumen:</hi> denn indem wir <hi rendition="#fr">ku&#x0364;ßten:</hi> &#x017F;o<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ahen</hi> wir <hi rendition="#fr">nicht;</hi> wir ha&#x0364;tten auch wohl in et-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><fw place="bottom" type="catch">was</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0283] Ku ein Freund, wenn er ſich von dem andern tren- nen muß: und das finden wir gar nicht uͤbertrie- ben. Noch ein Paar Kuͤſſe! Ein ganzes halbes Dutzend! Und das iſt kein Wunder: denn, wie die letzte Arie zeiget, ſo iſt er beſoffen. Vom Taumel (lieber, Baͤcher!) entzuͤckender Regung berauſchet, Mit Ruhe, die niemand fuͤr Kronen vertauſchet, Umſchatte, o! Himmel! den redlichſten Freund. J. F. E. Fabricius. Am ſchoͤnſten iſt es, daß dieſer Herr ſeinem Freun- de, oder dem Himmel, einen Rauſch, oder Tau- mel anwuͤnſchet. Das Wort Taumel druͤcket uͤberdieß in der heiligen Sprache einen goͤttli- chen Rauſch oder Begeiſterung aus; und die- ſemnach haben wir viel beſoffene Dichter. Noch ein Kuͤßchen! denn wie koͤnnte man ein Schaͤfer- dichter ſeyn, und nicht kuͤſſen? “Geſtalt und Pracht, der Farben Staͤrke, “Die Mund u. Bruſt u. Wangen ſchmuͤckt, “Thun zwar ſo lange Wunderwerke, “Als man im Kuſſe Blumen pfluͤckt. Zernitz, 70 S. Wir haben es verſuchet; wir beſtreuten den Mund unſers Engelchens mit Blumen, und kuͤßten: aber es ſchmeckte nicht; denn wir kuͤßten nur Blumen, und pfluͤckten ſie nicht. Wir kniee- ten daher auf eine Wieſe, wo Veilchen ſtunden, und kuͤßten und pfluͤckten. Wir pfluͤckten aber auch Kuhblumen: denn indem wir kuͤßten: ſo ſahen wir nicht; wir haͤtten auch wohl in et- was R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/283
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/283>, abgerufen am 17.06.2024.