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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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La
scher sey; er warf seine Gedichte, sowohl die Ue-
bersetzung,
die er selbst machen lassen, als die
Urschrift, die aus lauter Jugendfrüchten bestand,
verächtlich von sich; und ergriff Gottscheds
Kern der deut. Sprachlehre.
Als er aber
sah, wie sehr er geschlägelt hatte: so ward er ver-
zweifelt; wir liefen ihm nach, und dachten, er
würde sich aufhängen: allein, er vertauschete
nur seinen Purpur und ward ein Thürhüter.

Jndem wir uns von unserm Erstaunen erhohl-
ten: so erhub sich ein gräßlicher Krieg. Ein
Mann, so höflich, wie ein Kunstrichter, und so ei-
gensinnig, als ein Prinz, erschien mit einem Hee-
re von Riesen; vor ihnen her flogen Hydern und
Amphisbänen, mit ledernen Flügeln. Man
drohete die Höhle zu stürmen, und wir mußten der
Gewalt nachgeben: wir überreichten den Schlüssel
ganz demüthig. Auf einmal stürzte der Schwarm
auf die Oeffnung; allein sie war zu klein: und die
Riesen stießen sich so gewaltig an den Köpfen, daß
Riesen und Riesinnen in ihr Nichts zurück be-
beten.
Nur ihr Schöpfer, der sie hervor ge-
rufen,
blieb übrig, und drang mit einem gräßli-
chen Gepolter hinein. Er drohte, sich selbst auf den
Altar zu setzen. Diese Gotteslästerung allein war
zu häftig, und es ging ihm, wie dem Dagon der
Philister. Zu gleicher Zeit brachte ein barmher-
zig Mütterchen einen Kranken geführet, der sich
selbst zum Schöpfer machte; Offenbarungen
und Gesichter vorgab, und gar gottesläster-
lich log.
Wir hatten Mitleiden mit ihm, und

sperre-

La
ſcher ſey; er warf ſeine Gedichte, ſowohl die Ue-
berſetzung,
die er ſelbſt machen laſſen, als die
Urſchrift, die aus lauter Jugendfruͤchten beſtand,
veraͤchtlich von ſich; und ergriff Gottſcheds
Kern der deut. Sprachlehre.
Als er aber
ſah, wie ſehr er geſchlaͤgelt hatte: ſo ward er ver-
zweifelt; wir liefen ihm nach, und dachten, er
wuͤrde ſich aufhaͤngen: allein, er vertauſchete
nur ſeinen Purpur und ward ein Thuͤrhuͤter.

Jndem wir uns von unſerm Erſtaunen erhohl-
ten: ſo erhub ſich ein graͤßlicher Krieg. Ein
Mann, ſo hoͤflich, wie ein Kunſtrichter, und ſo ei-
genſinnig, als ein Prinz, erſchien mit einem Hee-
re von Rieſen; vor ihnen her flogen Hydern und
Amphisbaͤnen, mit ledernen Fluͤgeln. Man
drohete die Hoͤhle zu ſtuͤrmen, und wir mußten der
Gewalt nachgeben: wir uͤberreichten den Schluͤſſel
ganz demuͤthig. Auf einmal ſtuͤrzte der Schwarm
auf die Oeffnung; allein ſie war zu klein: und die
Rieſen ſtießen ſich ſo gewaltig an den Koͤpfen, daß
Rieſen und Rieſinnen in ihr Nichts zuruͤck be-
beten.
Nur ihr Schoͤpfer, der ſie hervor ge-
rufen,
blieb uͤbrig, und drang mit einem graͤßli-
chen Gepolter hinein. Er drohte, ſich ſelbſt auf den
Altar zu ſetzen. Dieſe Gotteslaͤſterung allein war
zu haͤftig, und es ging ihm, wie dem Dagon der
Philiſter. Zu gleicher Zeit brachte ein barmher-
zig Muͤtterchen einen Kranken gefuͤhret, der ſich
ſelbſt zum Schoͤpfer machte; Offenbarungen
und Geſichter vorgab, und gar gotteslaͤſter-
lich log.
Wir hatten Mitleiden mit ihm, und

ſperre-
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[283/0309] La ſcher ſey; er warf ſeine Gedichte, ſowohl die Ue- berſetzung, die er ſelbſt machen laſſen, als die Urſchrift, die aus lauter Jugendfruͤchten beſtand, veraͤchtlich von ſich; und ergriff Gottſcheds Kern der deut. Sprachlehre. Als er aber ſah, wie ſehr er geſchlaͤgelt hatte: ſo ward er ver- zweifelt; wir liefen ihm nach, und dachten, er wuͤrde ſich aufhaͤngen: allein, er vertauſchete nur ſeinen Purpur und ward ein Thuͤrhuͤter. Jndem wir uns von unſerm Erſtaunen erhohl- ten: ſo erhub ſich ein graͤßlicher Krieg. Ein Mann, ſo hoͤflich, wie ein Kunſtrichter, und ſo ei- genſinnig, als ein Prinz, erſchien mit einem Hee- re von Rieſen; vor ihnen her flogen Hydern und Amphisbaͤnen, mit ledernen Fluͤgeln. Man drohete die Hoͤhle zu ſtuͤrmen, und wir mußten der Gewalt nachgeben: wir uͤberreichten den Schluͤſſel ganz demuͤthig. Auf einmal ſtuͤrzte der Schwarm auf die Oeffnung; allein ſie war zu klein: und die Rieſen ſtießen ſich ſo gewaltig an den Koͤpfen, daß Rieſen und Rieſinnen in ihr Nichts zuruͤck be- beten. Nur ihr Schoͤpfer, der ſie hervor ge- rufen, blieb uͤbrig, und drang mit einem graͤßli- chen Gepolter hinein. Er drohte, ſich ſelbſt auf den Altar zu ſetzen. Dieſe Gotteslaͤſterung allein war zu haͤftig, und es ging ihm, wie dem Dagon der Philiſter. Zu gleicher Zeit brachte ein barmher- zig Muͤtterchen einen Kranken gefuͤhret, der ſich ſelbſt zum Schoͤpfer machte; Offenbarungen und Geſichter vorgab, und gar gotteslaͤſter- lich log. Wir hatten Mitleiden mit ihm, und ſperre-

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/309>, abgerufen am 22.11.2024.