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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Ma
binden sey; und daß auch eine Offenb. nicht ohne
Liebe
bestehen könne.

-- "Wie hat mich der Schmerz mit ehernen
Mauern
"Jn mich hinein verschlossen!
--

Das mußte so seyn; denn hätte er dich draussen
gelassen: so wäre die arme Cidli Gefahr gelau-
fen; und die sehraffische Liebe würde in eine fleisch-
liche
Begierde seyn verwandelt worden: dieß aber
ist bey den biblischen Dichtern allein dem Sa-
tan
erlaubet, der sich mit Vergnügen, wie ein
ausgemergelter Buhler, der Buhlereyen erinnert,
die er im Himmel, vorm Throne Gottes, mit
seiner schönen Tochter, der Sünde, getrieben.
Auf eben d. S. finden wir einen Schmelztie-
gel,
eine Seele aufzulösen: wir danken für die
Erfindung, und hoffen dadurch bald zu den Theilen
zu kommen, woraus unser Wesen bestehet.

"Und in Schauer der Angst, ohne Namen,
in Schlummer des Todes
"Löste meine Seele sich auf --
Off. St. Kl. 135 S.

Eine Angst, die gar nichts heißt, eine Angst
ohne Namen,
ist das nicht eine entsetzliche
Angst?

-- "Wenn ich jenen Gedanken,
"Jenen andern Gedanken
der Nacht, und
der Einsamkeit dachte. e. d.

Was ist doch der erste Gedanke, wenn man in der
Nacht an ein Mägdchen denket? Du armer
Lazarus! Warst du denn noch so heilig verliebt,

als

Ma
binden ſey; und daß auch eine Offenb. nicht ohne
Liebe
beſtehen koͤnne.

— “Wie hat mich der Schmerz mit ehernen
Mauern
“Jn mich hinein verſchloſſen!

Das mußte ſo ſeyn; denn haͤtte er dich drauſſen
gelaſſen: ſo waͤre die arme Cidli Gefahr gelau-
fen; und die ſehraffiſche Liebe wuͤrde in eine fleiſch-
liche
Begierde ſeyn verwandelt worden: dieß aber
iſt bey den bibliſchen Dichtern allein dem Sa-
tan
erlaubet, der ſich mit Vergnuͤgen, wie ein
ausgemergelter Buhler, der Buhlereyen erinnert,
die er im Himmel, vorm Throne Gottes, mit
ſeiner ſchoͤnen Tochter, der Suͤnde, getrieben.
Auf eben d. S. finden wir einen Schmelztie-
gel,
eine Seele aufzuloͤſen: wir danken fuͤr die
Erfindung, und hoffen dadurch bald zu den Theilen
zu kommen, woraus unſer Weſen beſtehet.

“Und in Schauer der Angſt, ohne Namen,
in Schlummer des Todes
Loͤste meine Seele ſich auf —
Off. St. Kl. 135 S.

Eine Angſt, die gar nichts heißt, eine Angſt
ohne Namen,
iſt das nicht eine entſetzliche
Angſt?

— “Wenn ich jenen Gedanken,
“Jenen andern Gedanken
der Nacht, und
der Einſamkeit dachte. e. d.

Was iſt doch der erſte Gedanke, wenn man in der
Nacht an ein Maͤgdchen denket? Du armer
Lazarus! Warſt du denn noch ſo heilig verliebt,

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[294/0320] Ma binden ſey; und daß auch eine Offenb. nicht ohne Liebe beſtehen koͤnne. — “Wie hat mich der Schmerz mit ehernen Mauern “Jn mich hinein verſchloſſen! — Das mußte ſo ſeyn; denn haͤtte er dich drauſſen gelaſſen: ſo waͤre die arme Cidli Gefahr gelau- fen; und die ſehraffiſche Liebe wuͤrde in eine fleiſch- liche Begierde ſeyn verwandelt worden: dieß aber iſt bey den bibliſchen Dichtern allein dem Sa- tan erlaubet, der ſich mit Vergnuͤgen, wie ein ausgemergelter Buhler, der Buhlereyen erinnert, die er im Himmel, vorm Throne Gottes, mit ſeiner ſchoͤnen Tochter, der Suͤnde, getrieben. Auf eben d. S. finden wir einen Schmelztie- gel, eine Seele aufzuloͤſen: wir danken fuͤr die Erfindung, und hoffen dadurch bald zu den Theilen zu kommen, woraus unſer Weſen beſtehet. “Und in Schauer der Angſt, ohne Namen, in Schlummer des Todes “Loͤste meine Seele ſich auf — Off. St. Kl. 135 S. Eine Angſt, die gar nichts heißt, eine Angſt ohne Namen, iſt das nicht eine entſetzliche Angſt? — “Wenn ich jenen Gedanken, “Jenen andern Gedanken der Nacht, und der Einſamkeit dachte. e. d. Was iſt doch der erſte Gedanke, wenn man in der Nacht an ein Maͤgdchen denket? Du armer Lazarus! Warſt du denn noch ſo heilig verliebt, als

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/320>, abgerufen am 22.11.2024.