Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Al
sters Scheu, die bittere Kost der Reue, in uns
gegraben.
Der Dichter machet sich oft das un-
schuldige Vergnügen, seiner Leser Verstand zu ver-
suchen. Denn wer erräth es wohl gleich, wie
ein Verschen eines Wiegenliedes oder Her-
manns,
daß, wenn man das Laster frißt, der
Nachgeschmack die bittere Kost der Reue
sey?
Das eingebohrne Licht spricht auch allda
ein Urtheil. Das eingebohrne Licht
ist ein
Stückchen von den Ideis innatis. Wie es aber
sprechen kann: das weis allein der Dichter; und
was weis der nicht?

Allgewaltigkeit,

braucht a. St. Allmacht der weise
Hr. M. Naumann in seinem gar vortrefflichen
Nimrod 445 S. Dieses Gedicht hätten wir,
zum Ruhme unserer aufgeklärten Zeiten, noch vor
der Meßiade zu bewundern bekommen, wenn nur
die Hn. Verleger sich auch nicht durch die Tyran-
nin, die Mode, lenken liessen. Nimrod wäre
sonst, auf unserm christlichen Parnasse, der
Vorläufer des klopstockischen Meßias ge-
worden. So aber war Meßias der Vorläu-
fer vom Nimrod,
und Habacuc sein Hofnarr.

Allmachtsflügel

hat nach Sänger Bodmern der
Abglanz der Gottheit. Sollte es nöthig seyn:
so wird er ihm auch ein paar Allmachtsfüße geben;
auch eine Allmachtsnase.

Der den Schatten der Allmachtsflügel zum
Besten der Menschen
Ueber Hügel u. Plän' u. Meer u. Erde verbrei-
tet. Noah 49 S.

Spötter

Al
ſters Scheu, die bittere Koſt der Reue, in uns
gegraben.
Der Dichter machet ſich oft das un-
ſchuldige Vergnuͤgen, ſeiner Leſer Verſtand zu ver-
ſuchen. Denn wer erraͤth es wohl gleich, wie
ein Verschen eines Wiegenliedes oder Her-
manns,
daß, wenn man das Laſter frißt, der
Nachgeſchmack die bittere Koſt der Reue
ſey?
Das eingebohrne Licht ſpricht auch allda
ein Urtheil. Das eingebohrne Licht
iſt ein
Stuͤckchen von den Ideis innatis. Wie es aber
ſprechen kann: das weis allein der Dichter; und
was weis der nicht?

Allgewaltigkeit,

braucht a. St. Allmacht der weiſe
Hr. M. Naumann in ſeinem gar vortrefflichen
Nimrod 445 S. Dieſes Gedicht haͤtten wir,
zum Ruhme unſerer aufgeklaͤrten Zeiten, noch vor
der Meßiade zu bewundern bekommen, wenn nur
die Hn. Verleger ſich auch nicht durch die Tyran-
nin, die Mode, lenken lieſſen. Nimrod waͤre
ſonſt, auf unſerm chriſtlichen Parnaſſe, der
Vorlaͤufer des klopſtockiſchen Meßias ge-
worden. So aber war Meßias der Vorlaͤu-
fer vom Nimrod,
und Habacuc ſein Hofnarr.

Allmachtsfluͤgel

hat nach Saͤnger Bodmern der
Abglanz der Gottheit. Sollte es noͤthig ſeyn:
ſo wird er ihm auch ein paar Allmachtsfuͤße geben;
auch eine Allmachtsnaſe.

Der den Schatten der Allmachtsfluͤgel zum
Beſten der Menſchen
Ueber Huͤgel u. Plaͤn’ u. Meer u. Erde verbrei-
tet. Noah 49 S.

Spoͤtter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="12"/><fw place="top" type="header">Al</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ters Scheu, die bittere Ko&#x017F;t der Reue, in uns<lb/>
gegraben.</hi> Der Dichter machet &#x017F;ich oft das un-<lb/>
&#x017F;chuldige Vergnu&#x0364;gen, &#x017F;einer Le&#x017F;er Ver&#x017F;tand zu ver-<lb/>
&#x017F;uchen. Denn wer erra&#x0364;th es wohl gleich, wie<lb/>
ein Verschen eines Wiegenliedes oder <hi rendition="#fr">Her-<lb/>
manns,</hi> daß, <hi rendition="#fr">wenn man das La&#x017F;ter frißt, der<lb/>
Nachge&#x017F;chmack die bittere Ko&#x017F;t der Reue<lb/>
&#x017F;ey?</hi> Das <hi rendition="#fr">eingebohrne Licht &#x017F;pricht auch allda<lb/>
ein Urtheil. Das eingebohrne Licht</hi> i&#x017F;t ein<lb/>
Stu&#x0364;ckchen von den <hi rendition="#aq">Ideis innatis.</hi> Wie es aber<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;prechen</hi> kann: das weis allein der Dichter; und<lb/>
was weis der nicht?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Allgewaltigkeit,</head>
            <p>braucht a. St. <hi rendition="#fr">Allmacht</hi> der wei&#x017F;e<lb/>
Hr. M. <hi rendition="#fr">Naumann</hi> in &#x017F;einem gar vortrefflichen<lb/><hi rendition="#fr">Nimrod 445 S.</hi> Die&#x017F;es Gedicht ha&#x0364;tten wir,<lb/>
zum Ruhme un&#x017F;erer aufgekla&#x0364;rten Zeiten, noch vor<lb/>
der <hi rendition="#fr">Meßiade</hi> zu bewundern bekommen, wenn nur<lb/>
die Hn. Verleger &#x017F;ich auch nicht durch die Tyran-<lb/>
nin, die Mode, lenken lie&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Nimrod</hi> wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, auf un&#x017F;erm <hi rendition="#fr">chri&#x017F;tlichen Parna&#x017F;&#x017F;e,</hi> der<lb/><hi rendition="#fr">Vorla&#x0364;ufer des klop&#x017F;tocki&#x017F;chen Meßias</hi> ge-<lb/>
worden. So aber war <hi rendition="#fr">Meßias der Vorla&#x0364;u-<lb/>
fer vom Nimrod,</hi> und <hi rendition="#fr">Habacuc</hi> &#x017F;ein Hofnarr.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Allmachtsflu&#x0364;gel</head>
            <p>hat nach <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;nger Bodmern</hi> der<lb/><hi rendition="#fr">Abglanz der Gottheit.</hi> Sollte es no&#x0364;thig &#x017F;eyn:<lb/>
&#x017F;o wird er ihm auch ein paar <hi rendition="#fr">Allmachtsfu&#x0364;ße</hi> geben;<lb/>
auch eine <hi rendition="#fr">Allmachtsna&#x017F;e.</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote>Der den Schatten der <hi rendition="#fr">Allmachtsflu&#x0364;gel</hi> zum<lb/><hi rendition="#et">Be&#x017F;ten der Men&#x017F;chen</hi><lb/>
Ueber <hi rendition="#fr">Hu&#x0364;gel u. Pla&#x0364;n&#x2019;</hi> u. Meer u. Erde verbrei-<lb/><hi rendition="#et">tet. <hi rendition="#fr">Noah 49 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Spo&#x0364;tter</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0038] Al ſters Scheu, die bittere Koſt der Reue, in uns gegraben. Der Dichter machet ſich oft das un- ſchuldige Vergnuͤgen, ſeiner Leſer Verſtand zu ver- ſuchen. Denn wer erraͤth es wohl gleich, wie ein Verschen eines Wiegenliedes oder Her- manns, daß, wenn man das Laſter frißt, der Nachgeſchmack die bittere Koſt der Reue ſey? Das eingebohrne Licht ſpricht auch allda ein Urtheil. Das eingebohrne Licht iſt ein Stuͤckchen von den Ideis innatis. Wie es aber ſprechen kann: das weis allein der Dichter; und was weis der nicht? Allgewaltigkeit, braucht a. St. Allmacht der weiſe Hr. M. Naumann in ſeinem gar vortrefflichen Nimrod 445 S. Dieſes Gedicht haͤtten wir, zum Ruhme unſerer aufgeklaͤrten Zeiten, noch vor der Meßiade zu bewundern bekommen, wenn nur die Hn. Verleger ſich auch nicht durch die Tyran- nin, die Mode, lenken lieſſen. Nimrod waͤre ſonſt, auf unſerm chriſtlichen Parnaſſe, der Vorlaͤufer des klopſtockiſchen Meßias ge- worden. So aber war Meßias der Vorlaͤu- fer vom Nimrod, und Habacuc ſein Hofnarr. Allmachtsfluͤgel hat nach Saͤnger Bodmern der Abglanz der Gottheit. Sollte es noͤthig ſeyn: ſo wird er ihm auch ein paar Allmachtsfuͤße geben; auch eine Allmachtsnaſe. Der den Schatten der Allmachtsfluͤgel zum Beſten der Menſchen Ueber Huͤgel u. Plaͤn’ u. Meer u. Erde verbrei- tet. Noah 49 S. Spoͤtter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/38
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/38>, abgerufen am 23.11.2024.