Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Sc

Nun kam der vierte: ein feiner Jüngling, des-
sen Kleid auch so ziemlich nach Schäferweise ge-
schnitten war. Nur war es nicht möglich, den
Zeug zu erkennen, woraus es bestand; ja, was
noch mehr schröckte: so ward man unterm Gewan-
de auch Schweizerhosen gewahr. Er wollte
klüger, als die andern Schäfer, seyn; und ob er
kaum ein Mährchen zuwege bringen konnte: so
wollte er doch die Natur der Schäfergedichte
lehren. Nachdem er sich sehr lange geräuspert,
fing er an:

"Das Endliche zum Nichts, das diese
Welt umschränkt etc.

Was? Was? schrie Rustefeil; Weg mit dem
Thoren! Was gehet doch Schäfern dein Endlich
und dein Nichts an? Geh selber in dein Nichts!
Und er ging auch.

Der fünfte, der hinzutrat, war munter geklei-
det, nur war auszusetzen, daß er die Glieder nicht
eben verbarg, die erstlich die Schöne nach Son-
nen Untergange sehen sollte. Sie ward daher
schaamroth; hielt die Hand vors Gesicht: er aber
sagte: er wollte ihr Zeisignest bald finden, und
die Vögel ausnehmen. Vor Angst hätte sie
ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruste-
feil
eben den Unverschämten für einen berüchtig-
ten Spötter erkannt, und ihn den Schäfern, ihn
zu peitschen, gegeben hätte.

Der sechste kam und hatte einen Strick in
der Hand, ob er zwar sonst ganz gesetzt schien; er
sagte:

"Ach,
A a 3
Sc

Nun kam der vierte: ein feiner Juͤngling, deſ-
ſen Kleid auch ſo ziemlich nach Schaͤferweiſe ge-
ſchnitten war. Nur war es nicht moͤglich, den
Zeug zu erkennen, woraus es beſtand; ja, was
noch mehr ſchroͤckte: ſo ward man unterm Gewan-
de auch Schweizerhoſen gewahr. Er wollte
kluͤger, als die andern Schaͤfer, ſeyn; und ob er
kaum ein Maͤhrchen zuwege bringen konnte: ſo
wollte er doch die Natur der Schaͤfergedichte
lehren. Nachdem er ſich ſehr lange geraͤuſpert,
fing er an:

Das Endliche zum Nichts, das dieſe
Welt umſchraͤnkt ꝛc.

Was? Was? ſchrie Ruſtefeil; Weg mit dem
Thoren! Was gehet doch Schaͤfern dein Endlich
und dein Nichts an? Geh ſelber in dein Nichts!
Und er ging auch.

Der fuͤnfte, der hinzutrat, war munter geklei-
det, nur war auszuſetzen, daß er die Glieder nicht
eben verbarg, die erſtlich die Schoͤne nach Son-
nen Untergange ſehen ſollte. Sie ward daher
ſchaamroth; hielt die Hand vors Geſicht: er aber
ſagte: er wollte ihr Zeiſigneſt bald finden, und
die Voͤgel ausnehmen. Vor Angſt haͤtte ſie
ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruſte-
feil
eben den Unverſchaͤmten fuͤr einen beruͤchtig-
ten Spoͤtter erkannt, und ihn den Schaͤfern, ihn
zu peitſchen, gegeben haͤtte.

Der ſechste kam und hatte einen Strick in
der Hand, ob er zwar ſonſt ganz geſetzt ſchien; er
ſagte:

“Ach,
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0399" n="373"/>
              <fw place="top" type="header">Sc</fw><lb/>
              <p>Nun kam der <hi rendition="#fr">vierte:</hi> ein feiner Ju&#x0364;ngling, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Kleid auch &#x017F;o ziemlich nach <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;ferwei&#x017F;e</hi> ge-<lb/>
&#x017F;chnitten war. Nur war es nicht mo&#x0364;glich, den<lb/>
Zeug zu erkennen, woraus es be&#x017F;tand; ja, was<lb/>
noch mehr &#x017F;chro&#x0364;ckte: &#x017F;o ward man unterm Gewan-<lb/>
de auch <hi rendition="#fr">Schweizerho&#x017F;en</hi> gewahr. Er wollte<lb/>
klu&#x0364;ger, als die andern <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;fer,</hi> &#x017F;eyn; und ob er<lb/>
kaum ein <hi rendition="#fr">Ma&#x0364;hrchen</hi> zuwege bringen konnte: &#x017F;o<lb/>
wollte er doch die <hi rendition="#fr">Natur der Scha&#x0364;fergedichte</hi><lb/>
lehren. Nachdem er &#x017F;ich &#x017F;ehr lange gera&#x0364;u&#x017F;pert,<lb/>
fing er an:</p><lb/>
              <cit>
                <quote>&#x201C;<hi rendition="#fr">Das Endliche zum Nichts, das die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#et">Welt um&#x017F;chra&#x0364;nkt &#xA75B;c.</hi></hi></quote>
                <bibl/>
              </cit><lb/>
              <p>Was? Was? &#x017F;chrie <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;tefeil;</hi> Weg mit dem<lb/>
Thoren! Was gehet doch <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;fern</hi> dein <hi rendition="#fr">Endlich</hi><lb/>
und dein <hi rendition="#fr">Nichts</hi> an? Geh &#x017F;elber in dein <hi rendition="#fr">Nichts!</hi><lb/>
Und er ging auch.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#fr">fu&#x0364;nfte,</hi> der hinzutrat, war munter geklei-<lb/>
det, nur war auszu&#x017F;etzen, daß er die Glieder nicht<lb/>
eben verbarg, die er&#x017F;tlich die Scho&#x0364;ne nach Son-<lb/>
nen Untergange &#x017F;ehen &#x017F;ollte. Sie ward daher<lb/>
&#x017F;chaamroth; hielt die Hand vors Ge&#x017F;icht: er aber<lb/>
&#x017F;agte: <hi rendition="#fr">er wollte ihr Zei&#x017F;igne&#x017F;t bald finden,</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">die Vo&#x0364;gel ausnehmen.</hi> Vor Ang&#x017F;t ha&#x0364;tte &#x017F;ie<lb/>
ihm das <hi rendition="#fr">Horn</hi> auch gegeben, wenn nicht <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;te-<lb/>
feil</hi> eben den Unver&#x017F;cha&#x0364;mten fu&#x0364;r einen beru&#x0364;chtig-<lb/>
ten Spo&#x0364;tter erkannt, und ihn den Scha&#x0364;fern, ihn<lb/>
zu peit&#x017F;chen, gegeben ha&#x0364;tte.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#fr">&#x017F;echste</hi> kam und hatte einen <hi rendition="#fr">Strick</hi> in<lb/>
der Hand, ob er zwar &#x017F;on&#x017F;t ganz ge&#x017F;etzt &#x017F;chien; er<lb/>
&#x017F;agte:</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201C;Ach,</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0399] Sc Nun kam der vierte: ein feiner Juͤngling, deſ- ſen Kleid auch ſo ziemlich nach Schaͤferweiſe ge- ſchnitten war. Nur war es nicht moͤglich, den Zeug zu erkennen, woraus es beſtand; ja, was noch mehr ſchroͤckte: ſo ward man unterm Gewan- de auch Schweizerhoſen gewahr. Er wollte kluͤger, als die andern Schaͤfer, ſeyn; und ob er kaum ein Maͤhrchen zuwege bringen konnte: ſo wollte er doch die Natur der Schaͤfergedichte lehren. Nachdem er ſich ſehr lange geraͤuſpert, fing er an: “Das Endliche zum Nichts, das dieſe Welt umſchraͤnkt ꝛc. Was? Was? ſchrie Ruſtefeil; Weg mit dem Thoren! Was gehet doch Schaͤfern dein Endlich und dein Nichts an? Geh ſelber in dein Nichts! Und er ging auch. Der fuͤnfte, der hinzutrat, war munter geklei- det, nur war auszuſetzen, daß er die Glieder nicht eben verbarg, die erſtlich die Schoͤne nach Son- nen Untergange ſehen ſollte. Sie ward daher ſchaamroth; hielt die Hand vors Geſicht: er aber ſagte: er wollte ihr Zeiſigneſt bald finden, und die Voͤgel ausnehmen. Vor Angſt haͤtte ſie ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruſte- feil eben den Unverſchaͤmten fuͤr einen beruͤchtig- ten Spoͤtter erkannt, und ihn den Schaͤfern, ihn zu peitſchen, gegeben haͤtte. Der ſechste kam und hatte einen Strick in der Hand, ob er zwar ſonſt ganz geſetzt ſchien; er ſagte: “Ach, A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/399
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/399>, abgerufen am 22.11.2024.