Nun kam der vierte: ein feiner Jüngling, des- sen Kleid auch so ziemlich nach Schäferweise ge- schnitten war. Nur war es nicht möglich, den Zeug zu erkennen, woraus es bestand; ja, was noch mehr schröckte: so ward man unterm Gewan- de auch Schweizerhosen gewahr. Er wollte klüger, als die andern Schäfer, seyn; und ob er kaum ein Mährchen zuwege bringen konnte: so wollte er doch die Natur der Schäfergedichte lehren. Nachdem er sich sehr lange geräuspert, fing er an:
"Das Endliche zum Nichts, das diese Welt umschränkt etc.
Was? Was? schrie Rustefeil; Weg mit dem Thoren! Was gehet doch Schäfern dein Endlich und dein Nichts an? Geh selber in dein Nichts! Und er ging auch.
Der fünfte, der hinzutrat, war munter geklei- det, nur war auszusetzen, daß er die Glieder nicht eben verbarg, die erstlich die Schöne nach Son- nen Untergange sehen sollte. Sie ward daher schaamroth; hielt die Hand vors Gesicht: er aber sagte: er wollte ihr Zeisignest bald finden, und die Vögel ausnehmen. Vor Angst hätte sie ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruste- feil eben den Unverschämten für einen berüchtig- ten Spötter erkannt, und ihn den Schäfern, ihn zu peitschen, gegeben hätte.
Der sechste kam und hatte einen Strick in der Hand, ob er zwar sonst ganz gesetzt schien; er sagte:
"Ach,
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Nun kam der vierte: ein feiner Juͤngling, deſ- ſen Kleid auch ſo ziemlich nach Schaͤferweiſe ge- ſchnitten war. Nur war es nicht moͤglich, den Zeug zu erkennen, woraus es beſtand; ja, was noch mehr ſchroͤckte: ſo ward man unterm Gewan- de auch Schweizerhoſen gewahr. Er wollte kluͤger, als die andern Schaͤfer, ſeyn; und ob er kaum ein Maͤhrchen zuwege bringen konnte: ſo wollte er doch die Natur der Schaͤfergedichte lehren. Nachdem er ſich ſehr lange geraͤuſpert, fing er an:
“Das Endliche zum Nichts, das dieſe Welt umſchraͤnkt ꝛc.
Was? Was? ſchrie Ruſtefeil; Weg mit dem Thoren! Was gehet doch Schaͤfern dein Endlich und dein Nichts an? Geh ſelber in dein Nichts! Und er ging auch.
Der fuͤnfte, der hinzutrat, war munter geklei- det, nur war auszuſetzen, daß er die Glieder nicht eben verbarg, die erſtlich die Schoͤne nach Son- nen Untergange ſehen ſollte. Sie ward daher ſchaamroth; hielt die Hand vors Geſicht: er aber ſagte: er wollte ihr Zeiſigneſt bald finden, und die Voͤgel ausnehmen. Vor Angſt haͤtte ſie ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruſte- feil eben den Unverſchaͤmten fuͤr einen beruͤchtig- ten Spoͤtter erkannt, und ihn den Schaͤfern, ihn zu peitſchen, gegeben haͤtte.
Der ſechste kam und hatte einen Strick in der Hand, ob er zwar ſonſt ganz geſetzt ſchien; er ſagte:
“Ach,
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Nun kam der vierte: ein feiner Juͤngling, deſ-
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Zeug zu erkennen, woraus es beſtand; ja, was
noch mehr ſchroͤckte: ſo ward man unterm Gewan-
de auch Schweizerhoſen gewahr. Er wollte
kluͤger, als die andern Schaͤfer, ſeyn; und ob er
kaum ein Maͤhrchen zuwege bringen konnte: ſo
wollte er doch die Natur der Schaͤfergedichte
lehren. Nachdem er ſich ſehr lange geraͤuſpert,
fing er an:
“Das Endliche zum Nichts, das dieſe
Welt umſchraͤnkt ꝛc.
Was? Was? ſchrie Ruſtefeil; Weg mit dem
Thoren! Was gehet doch Schaͤfern dein Endlich
und dein Nichts an? Geh ſelber in dein Nichts!
Und er ging auch.
Der fuͤnfte, der hinzutrat, war munter geklei-
det, nur war auszuſetzen, daß er die Glieder nicht
eben verbarg, die erſtlich die Schoͤne nach Son-
nen Untergange ſehen ſollte. Sie ward daher
ſchaamroth; hielt die Hand vors Geſicht: er aber
ſagte: er wollte ihr Zeiſigneſt bald finden, und
die Voͤgel ausnehmen. Vor Angſt haͤtte ſie
ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruſte-
feil eben den Unverſchaͤmten fuͤr einen beruͤchtig-
ten Spoͤtter erkannt, und ihn den Schaͤfern, ihn
zu peitſchen, gegeben haͤtte.
Der ſechste kam und hatte einen Strick in
der Hand, ob er zwar ſonſt ganz geſetzt ſchien; er
ſagte:
“Ach,
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/399>, abgerufen am 22.11.2024.
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