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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Ab
redner aber würde ein schlechtes Lob erlangen,
wenn er sich nicht höher schwingen, und erhabener
ausdrücken wollte. Wie? wenn man so sagte:

Auch der leichte Stich einer Fliege tödtet
den Menschen, wenn die Stunde ausge-
laufen ist, die sein Leben abgezählet hat.

Jst das nicht erbaulicher und lehrreicher? Ein
mittelmäßiger Kopf denket gleich an die Gestalt
des Todes,
an dessen Sense und Sanduhr.
Die Stunde ist ausgelaufen, und zählet das
menschliche Leben ab.
Jst das nicht schön?
Je versteckter eine Sache, eine bekannte Sache ein-
gekleidet wird, je ausgebildeter sie dem Zuhörer
und Leser, durch einen Commentarium, kann ge-
macht werden, desto gegründeter ist die Vermu-
thung, daß der Redner ein Mann sey, der das
Wesentliche der Beredsamkeit in seiner Gewalt ha-
be. Aus diesem Grunde schätze ich die Meßiade
hoch, weil Meier und Dommerich zum Troste
Deutschlandes darüber Commentarios schreiben.
Man wird künftig der gelehrten Welt einen Band
klopstockischer Exegeten
liefern können. Ja,
schreyen die Kunstrichter, das heißt bey uns
schwülstig und dunkel. Man lasse sich den Eigen-
sinn dieser Leute nicht blenden. Das Volle einer
Rede, oder eines Gedichts, ist keine Schwulst;
sondern schon über die Schwulst und über das
Dunkle hinweg.

Bach

Ab
redner aber wuͤrde ein ſchlechtes Lob erlangen,
wenn er ſich nicht hoͤher ſchwingen, und erhabener
ausdruͤcken wollte. Wie? wenn man ſo ſagte:

Auch der leichte Stich einer Fliege toͤdtet
den Menſchen, wenn die Stunde ausge-
laufen iſt, die ſein Leben abgezaͤhlet hat.

Jſt das nicht erbaulicher und lehrreicher? Ein
mittelmaͤßiger Kopf denket gleich an die Geſtalt
des Todes,
an deſſen Senſe und Sanduhr.
Die Stunde iſt ausgelaufen, und zaͤhlet das
menſchliche Leben ab.
Jſt das nicht ſchoͤn?
Je verſteckter eine Sache, eine bekannte Sache ein-
gekleidet wird, je ausgebildeter ſie dem Zuhoͤrer
und Leſer, durch einen Commentarium, kann ge-
macht werden, deſto gegruͤndeter iſt die Vermu-
thung, daß der Redner ein Mann ſey, der das
Weſentliche der Beredſamkeit in ſeiner Gewalt ha-
be. Aus dieſem Grunde ſchaͤtze ich die Meßiade
hoch, weil Meier und Dommerich zum Troſte
Deutſchlandes daruͤber Commentarios ſchreiben.
Man wird kuͤnftig der gelehrten Welt einen Band
klopſtockiſcher Exegeten
liefern koͤnnen. Ja,
ſchreyen die Kunſtrichter, das heißt bey uns
ſchwuͤlſtig und dunkel. Man laſſe ſich den Eigen-
ſinn dieſer Leute nicht blenden. Das Volle einer
Rede, oder eines Gedichts, iſt keine Schwulſt;
ſondern ſchon uͤber die Schwulſt und uͤber das
Dunkle hinweg.

Bach
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[29/0055] Ab redner aber wuͤrde ein ſchlechtes Lob erlangen, wenn er ſich nicht hoͤher ſchwingen, und erhabener ausdruͤcken wollte. Wie? wenn man ſo ſagte: Auch der leichte Stich einer Fliege toͤdtet den Menſchen, wenn die Stunde ausge- laufen iſt, die ſein Leben abgezaͤhlet hat. Jſt das nicht erbaulicher und lehrreicher? Ein mittelmaͤßiger Kopf denket gleich an die Geſtalt des Todes, an deſſen Senſe und Sanduhr. Die Stunde iſt ausgelaufen, und zaͤhlet das menſchliche Leben ab. Jſt das nicht ſchoͤn? Je verſteckter eine Sache, eine bekannte Sache ein- gekleidet wird, je ausgebildeter ſie dem Zuhoͤrer und Leſer, durch einen Commentarium, kann ge- macht werden, deſto gegruͤndeter iſt die Vermu- thung, daß der Redner ein Mann ſey, der das Weſentliche der Beredſamkeit in ſeiner Gewalt ha- be. Aus dieſem Grunde ſchaͤtze ich die Meßiade hoch, weil Meier und Dommerich zum Troſte Deutſchlandes daruͤber Commentarios ſchreiben. Man wird kuͤnftig der gelehrten Welt einen Band klopſtockiſcher Exegeten liefern koͤnnen. Ja, ſchreyen die Kunſtrichter, das heißt bey uns ſchwuͤlſtig und dunkel. Man laſſe ſich den Eigen- ſinn dieſer Leute nicht blenden. Das Volle einer Rede, oder eines Gedichts, iſt keine Schwulſt; ſondern ſchon uͤber die Schwulſt und uͤber das Dunkle hinweg. Bach

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/55>, abgerufen am 21.11.2024.