Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Hans Hemling, zuweilen auch Mem-
meling genannt.

Wohl noch nie reihte sich der Name des
Jüngers mit besserm Rechte an den seines ihm vor-
angeschrittnen Meisters, als der Name Hans
Hemling an den Namen Johannes van Eyck. Nur
der Zeitfolge nach ist er der zweite nach jenem,
sonst steht er überall dicht neben ihm, ja man
möchte sagen, zuweilen über ihm, wenn es dem
Talent möglich wäre, sich höheren Flugs zu erhe-
ben als jener Riesengeist, der erst den Raum sich
schaffen mußte, in welchem er sich nachher so kühn
und frei bewegte. Wahrheit, Anmuth, pünktliche
Treue bei höchster Freiheit, tief gefühlter Ausdruck,
Vollendung im Höchsten wie im Kleinsten bei licht-
heller Klarheit, Poesie der Erfindung ohne eine
Spur von Phantasterei oder gesuchtem Wesen, kurz
Alles, was wir bei Johann van Eyck staunend be-
wundern, stralt auch aus Hans Hemlings Werken
uns blendend entgegen. Mit allem diesem vereinte
er noch die aus der byzantinischen Zeit stammende


Hans Hemling, zuweilen auch Mem-
meling genannt.

Wohl noch nie reihte ſich der Name des
Jüngers mit beſſerm Rechte an den ſeines ihm vor-
angeſchrittnen Meiſters, als der Name Hans
Hemling an den Namen Johannes van Eyck. Nur
der Zeitfolge nach iſt er der zweite nach jenem,
ſonſt ſteht er überall dicht neben ihm, ja man
möchte ſagen, zuweilen über ihm, wenn es dem
Talent möglich wäre, ſich höheren Flugs zu erhe-
ben als jener Rieſengeiſt, der erſt den Raum ſich
ſchaffen mußte, in welchem er ſich nachher ſo kühn
und frei bewegte. Wahrheit, Anmuth, pünktliche
Treue bei höchſter Freiheit, tief gefühlter Ausdruck,
Vollendung im Höchſten wie im Kleinſten bei licht-
heller Klarheit, Poeſie der Erfindung ohne eine
Spur von Phantaſterei oder geſuchtem Weſen, kurz
Alles, was wir bei Johann van Eyck ſtaunend be-
wundern, ſtralt auch aus Hans Hemlings Werken
uns blendend entgegen. Mit allem dieſem vereinte
er noch die aus der byzantiniſchen Zeit ſtammende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0128" n="116"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Hans Hemling, zuweilen auch Mem-<lb/>
meling genannt.</head><lb/>
        <p>Wohl noch nie reihte &#x017F;ich der Name des<lb/>
Jüngers mit be&#x017F;&#x017F;erm Rechte an den &#x017F;eines ihm vor-<lb/>
ange&#x017F;chrittnen Mei&#x017F;ters, als der Name Hans<lb/>
Hemling an den Namen Johannes van Eyck. Nur<lb/>
der Zeitfolge nach i&#x017F;t er der zweite nach jenem,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;teht er überall dicht neben ihm, ja man<lb/>
möchte &#x017F;agen, zuweilen über ihm, wenn es dem<lb/>
Talent möglich wäre, &#x017F;ich höheren Flugs zu erhe-<lb/>
ben als jener Rie&#x017F;engei&#x017F;t, der er&#x017F;t den Raum &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chaffen mußte, in welchem er &#x017F;ich nachher &#x017F;o kühn<lb/>
und frei bewegte. Wahrheit, Anmuth, pünktliche<lb/>
Treue bei höch&#x017F;ter Freiheit, tief gefühlter Ausdruck,<lb/>
Vollendung im Höch&#x017F;ten wie im Klein&#x017F;ten bei licht-<lb/>
heller Klarheit, Poe&#x017F;ie der Erfindung ohne eine<lb/>
Spur von Phanta&#x017F;terei oder ge&#x017F;uchtem We&#x017F;en, kurz<lb/>
Alles, was wir bei Johann van Eyck &#x017F;taunend be-<lb/>
wundern, &#x017F;tralt auch aus Hans Hemlings Werken<lb/>
uns blendend entgegen. Mit allem die&#x017F;em vereinte<lb/>
er noch die aus der byzantini&#x017F;chen Zeit &#x017F;tammende<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0128] Hans Hemling, zuweilen auch Mem- meling genannt. Wohl noch nie reihte ſich der Name des Jüngers mit beſſerm Rechte an den ſeines ihm vor- angeſchrittnen Meiſters, als der Name Hans Hemling an den Namen Johannes van Eyck. Nur der Zeitfolge nach iſt er der zweite nach jenem, ſonſt ſteht er überall dicht neben ihm, ja man möchte ſagen, zuweilen über ihm, wenn es dem Talent möglich wäre, ſich höheren Flugs zu erhe- ben als jener Rieſengeiſt, der erſt den Raum ſich ſchaffen mußte, in welchem er ſich nachher ſo kühn und frei bewegte. Wahrheit, Anmuth, pünktliche Treue bei höchſter Freiheit, tief gefühlter Ausdruck, Vollendung im Höchſten wie im Kleinſten bei licht- heller Klarheit, Poeſie der Erfindung ohne eine Spur von Phantaſterei oder geſuchtem Weſen, kurz Alles, was wir bei Johann van Eyck ſtaunend be- wundern, ſtralt auch aus Hans Hemlings Werken uns blendend entgegen. Mit allem dieſem vereinte er noch die aus der byzantiniſchen Zeit ſtammende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/128
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/128>, abgerufen am 26.11.2024.