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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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mit beiden Händen verbergend; Ursula selbst, halb
aufgerichtet auf ihrem Lager, heftet den begeisterten
Blick auf die himmlische Erscheinung, welche ihr
durch das weit geöffnete Fenster ihres Gemachs
entgegen strahlt. Sie steht in den Wolken den
heiligen Vater, ihre Jungfrauen, ihre Ritter im
himmlischen Glanz, eine unabsehbare Schaar ver-
klärter Heiliger, und unter allen diesen ihre eigne
Gestalt in einer Alle überstrahlenden Glorie, genau
so, wie die katholische Kirche sie noch heute als Heilige
verehrt, mit dem Pfeil in der Hand. Ein anderes
Seitengemälde zeigt uns die fromme Schaar, wie
sie bei Basel anlandet. Überall herrscht das frohe,
rege Gefühl des Ausschiffens, des Ankommens,
des Weitergehens. Einige Jungfrauen und Ritter
stehen schon gelandet am Ufer, andere gehen eben
zum Thore der Stadt ein, noch andere erblickt man
bereits jenseit derselben, der Alpenkette zueilend,
welche den fernen Horizont begränzt. Hochaufge-
richtet steht die edle Gestalt der Fürstin Ursula im
Nachen, sie scheint das Ausschiffen mit ihren Blicken
zu leiten, während sowohl in ihrem als in zwei be-


mit beiden Händen verbergend; Urſula ſelbſt, halb
aufgerichtet auf ihrem Lager, heftet den begeiſterten
Blick auf die himmliſche Erſcheinung, welche ihr
durch das weit geöffnete Fenſter ihres Gemachs
entgegen ſtrahlt. Sie ſteht in den Wolken den
heiligen Vater, ihre Jungfrauen, ihre Ritter im
himmliſchen Glanz, eine unabſehbare Schaar ver-
klärter Heiliger, und unter allen dieſen ihre eigne
Geſtalt in einer Alle überſtrahlenden Glorie, genau
ſo, wie die katholiſche Kirche ſie noch heute als Heilige
verehrt, mit dem Pfeil in der Hand. Ein anderes
Seitengemälde zeigt uns die fromme Schaar, wie
ſie bei Baſel anlandet. Überall herrſcht das frohe,
rege Gefühl des Ausſchiffens, des Ankommens,
des Weitergehens. Einige Jungfrauen und Ritter
ſtehen ſchon gelandet am Ufer, andere gehen eben
zum Thore der Stadt ein, noch andere erblickt man
bereits jenſeit derſelben, der Alpenkette zueilend,
welche den fernen Horizont begränzt. Hochaufge-
richtet ſteht die edle Geſtalt der Fürſtin Urſula im
Nachen, ſie ſcheint das Ausſchiffen mit ihren Blicken
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[162/0174] mit beiden Händen verbergend; Urſula ſelbſt, halb aufgerichtet auf ihrem Lager, heftet den begeiſterten Blick auf die himmliſche Erſcheinung, welche ihr durch das weit geöffnete Fenſter ihres Gemachs entgegen ſtrahlt. Sie ſteht in den Wolken den heiligen Vater, ihre Jungfrauen, ihre Ritter im himmliſchen Glanz, eine unabſehbare Schaar ver- klärter Heiliger, und unter allen dieſen ihre eigne Geſtalt in einer Alle überſtrahlenden Glorie, genau ſo, wie die katholiſche Kirche ſie noch heute als Heilige verehrt, mit dem Pfeil in der Hand. Ein anderes Seitengemälde zeigt uns die fromme Schaar, wie ſie bei Baſel anlandet. Überall herrſcht das frohe, rege Gefühl des Ausſchiffens, des Ankommens, des Weitergehens. Einige Jungfrauen und Ritter ſtehen ſchon gelandet am Ufer, andere gehen eben zum Thore der Stadt ein, noch andere erblickt man bereits jenſeit derſelben, der Alpenkette zueilend, welche den fernen Horizont begränzt. Hochaufge- richtet ſteht die edle Geſtalt der Fürſtin Urſula im Nachen, ſie ſcheint das Ausſchiffen mit ihren Blicken zu leiten, während ſowohl in ihrem als in zwei be-

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/174>, abgerufen am 29.11.2024.