spricht stille vorahnende Wehmuth. Seitwärts am Gemäuer über dem Bogen einer Thüre, die zu einem tiefen Gewölbe zu führen scheint, sieht man nach alter Sitte den Donator des Bildes, einen ziemlich jungen Mann mit einem Rosenkranz in der Hand; die Stadt, die lebensreiche Straße und ferne Berge schließen den Hintergrund.
Auf der zweiten, dem Mittelbilde sich an- schließenden Seitentafel, ist des neugebornen Hei- landes Darstellung im Tempel abgebildet; durch die offenstehende Thüre des hochgewölbten, mit Säulen, vielen Fenstern und in die Tiefe sich ver- lierenden Bogengängen geschmückten Gebäudes blickt man nach Aussen in die volkreiche, belebte Straße und auf grüne Bäume; im Tempel selbst lehnen trostsuchende Kranke und Müde an den entfernten Säulen. Ernst und gedankenvoll, den klaren ruhigen Blick dem Hohenpriester zugewendet, welcher, von der Begeisterung des Moments er- griffen, das Kind aus ihren Armen in die seine nimmt, steht Maria im Vorgrund am Altar. Die weiße Stirnbinde der Frauen, der weite blaue
ſpricht ſtille vorahnende Wehmuth. Seitwärts am Gemäuer über dem Bogen einer Thüre, die zu einem tiefen Gewölbe zu führen ſcheint, ſieht man nach alter Sitte den Donator des Bildes, einen ziemlich jungen Mann mit einem Roſenkranz in der Hand; die Stadt, die lebensreiche Straße und ferne Berge ſchließen den Hintergrund.
Auf der zweiten, dem Mittelbilde ſich an- ſchließenden Seitentafel, iſt des neugebornen Hei- landes Darſtellung im Tempel abgebildet; durch die offenſtehende Thüre des hochgewölbten, mit Säulen, vielen Fenſtern und in die Tiefe ſich ver- lierenden Bogengängen geſchmückten Gebäudes blickt man nach Auſſen in die volkreiche, belebte Straße und auf grüne Bäume; im Tempel ſelbſt lehnen troſtſuchende Kranke und Müde an den entfernten Säulen. Ernſt und gedankenvoll, den klaren ruhigen Blick dem Hohenprieſter zugewendet, welcher, von der Begeiſterung des Moments er- griffen, das Kind aus ihren Armen in die ſeine nimmt, ſteht Maria im Vorgrund am Altar. Die weiße Stirnbinde der Frauen, der weite blaue
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ſpricht ſtille vorahnende Wehmuth. Seitwärts am
Gemäuer über dem Bogen einer Thüre, die zu
einem tiefen Gewölbe zu führen ſcheint, ſieht man
nach alter Sitte den Donator des Bildes, einen
ziemlich jungen Mann mit einem Roſenkranz in der
Hand; die Stadt, die lebensreiche Straße und
ferne Berge ſchließen den Hintergrund.
Auf der zweiten, dem Mittelbilde ſich an-
ſchließenden Seitentafel, iſt des neugebornen Hei-
landes Darſtellung im Tempel abgebildet; durch
die offenſtehende Thüre des hochgewölbten, mit
Säulen, vielen Fenſtern und in die Tiefe ſich ver-
lierenden Bogengängen geſchmückten Gebäudes blickt
man nach Auſſen in die volkreiche, belebte Straße
und auf grüne Bäume; im Tempel ſelbſt lehnen
troſtſuchende Kranke und Müde an den entfernten
Säulen. Ernſt und gedankenvoll, den klaren
ruhigen Blick dem Hohenprieſter zugewendet,
welcher, von der Begeiſterung des Moments er-
griffen, das Kind aus ihren Armen in die ſeine
nimmt, ſteht Maria im Vorgrund am Altar. Die
weiße Stirnbinde der Frauen, der weite blaue
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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